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DRITTER MOMENT:  Ethische Bedeutung der “Philosophie des Geistes”: die absolute Sittlich

DRITTER MOMENT: Ethische Bedeutung der “Philosophie des Geistes”: die absolute Sittlich

 

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DRITTER MOMENT

Ethische Bedeutung der "Philosophie des Geistes":
die absolute Sittlichkeit oder Ethos als natürliches Moralideal
zur Wiederversöhnung des Menschen mit der Natur
auf Ebene von Geist und Materie

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Das Verständnis der absoluten Vernunft als natürliches Wesen des Menschen erlaubte Hegel endlich die Erstellung der neuen natürlichen Morallehre, deren Ideal er schon in den Jugendjahren formuliert hatte.
Die Natürlichkeit dieser Lehre muss darin bestehen, der Existenz des Menschen einen Sinn zu geben, der ihre konkrete natürliche Beschaffenheit nicht demütigt, sondern ganz im Gegenteil, deren vollständige Verwirklichung zulässt.
Von diesem Standpunkt aus gesehen besagt das Grundprinzip der Hegelschen Ethik, dass der Sinn der menschlichen Existenz darin besteht, dem natürlichen Wesen des Menschen entsprechend zu leben, d.h. die absolute und schöpferische Vernunft zu verwirklichen. Dieses Grundprinzip kann man allgemein als das Hegelschen Ethos definieren (bzw. noch allgemeiner als das Ethos des absoluten Idealismus). Wir wollen nun genauer untersuchen, was dies bedeutet.

Das Ethos als Ethikideal...

Zuerst einmal sollte man über den abstrakten Begriff des Ethos nachdenken, oder besser gesagt, über den Begriff des Geistes, der das bisherige Ergebnis der genetischen Analyse der Bedeutung der Hegelschen Philosophie darstellt. Der Logos bildet nämlich als vernünftiges und natürliches Wesen des Menschen die Grundstruktur des Geistes. In diesem  Zusammenhang sollte man sich also mit der Interpretation der Philosophie des Geistes auseinandersetzen, jene Sektion im philosophischen Systems von Hegel, das eben genau diesen Begriff behandelt.
Interpretieren wir die Hegelsche Philosophie des Geistes als ein lineares Werden, so ist die letzte Form der Entwicklung des Geistes die Selbsterkenntnis in reiner Form, also das Denken, das sich selbst denkt, der absolute Geist. Das eigene absolute Selbstbewusstsein wäre also gemäß dieser Linearität der Sinn des Lebens des Geistes und würde den höchsten Moment seines Lebens darstellen.
Mit den nachfolgenden Überlegungen wollen wir hingegen zeigen, dass die Philosophie des Geistes, wie im Übrigen alle anderen Teile des philosophischen Systems von Hegel, und der Begriff des Geistes, wie alle seine Begriffe, nicht linear interpretiert werden sollen, sondern vielmehr zirkulär; und der Kreis kennt weder die Bedeutung des Wortes „Ende“ noch die des Wortes „Anfang“.
Hegel schreibt zu diesem Thema in der Einleitung zur Enzyklopädie:

„Jeder der Theile der Philosophie ist ein philosophisches Ganzes, ein sich in sich selbst schließender Kreis, aber die philosophische Idee ist darin in einer besondern Bestimmtheit oder Elemente. Der einzelne Kreis durchbricht darum, weil er in sich Totalität ist, auch die Schranke seines Elements und begründet eine weitere Sphäre; das Ganze stellt sich daher als ein Kreis von Kreisen dar, deren jeder ein nothwendiges Moment ist, so daß das System ihrer eigenthümlichen Elemente die ganze Idee ausmacht, die ebenso in jedem Einzelnen erscheint“
(GW 20, 56/21-29)

Sehen wir uns nun aufgrund dieser geometrischen Vorstellung die Folgen an, die dies für die Interpretation der Hegelschen Philosophie des Geistes hat.
Der Sinn der Bewegung des Begriffs des Geistes ist das Denken, das sich selbst denkt, der absolute Geist. Der absolute Geist wiederum - und hier kommt die Zirkularität ins Spiel - hat einen eigenen Sinn, eine eigene Aufgabe: Durch ihn muss sich die Sittlichkeit ihrer selbst bewusst werden. Im Übrigen hat auch die Sittlichkeit einen eigenen Sinn, eine eigene Aufgabe, da sie der tierischen Natürlichkeit des Geistes eine geistige Bedeutung verleihen muss, oder anders gesagt, soll sie die materiellen und Konsumorientierten Instinkte zu geistigen und kreativen Ziele hinleiten.
In der Zirkularität des Geistes ist also eine zweifache Bewegung enthalten: Der Sinn bzw. die Aufgabe der individuellen und egoistischen Natürlichkeit des Menschen (der subjektive Geist) liegt in der Bildung von intersubjektiven und gemeinschaftlichen Institutionen, also in der Sittlichkeit (der objektive Geist); Die Aufgabe und das Ziel der Sittlichkeit wiederum liegen in der Religion und der Philosophie, d.h. in der Erhebung des subjektiven Geistes vom individuellen zum absoluten Bewusstsein (der absolute Geist).
Diese erste Bewegung führt vom subjektiven zum absoluten Geist und enspricht daher dem Verlauf der Hegelschen Darstellung. Aufgrund des Prizips der Zirkularität hält die Bewegung jedoch beim absoluten Geist nicht inne, sondern sie geht weiter: Die Religion und die Philosophie, also die Grundfomen des absoluten Geistes, haben keinen Selbstzweck, sondern auch ein Ziel und eine Aufgabe, da sich durch sie die Sittlichkeit ( den objektiven Geist) ihrer selbst bewusst werden muss; die Sittlichkeit wiederum führt aber nicht nur in einer Richtung zum absoluten Geist, sondern sie weist sozusagen auch eine Rückwärtsbewegung oder eine Bewegung in die Gegenrichtung auf, da es ihrer Aufgabe ist, den materiellen Instinkten und der individuellen Beschaffenheit des Menschen im Allgemeinen (dem subjektiven Geist) eine geistige Bedeutung zu verleihen.
Die Auffassung vom Menschen, die sich von der Philosophie des Geistes ableiten lässt, und zwar aufgrund dieser zirkulären Interpretation des Hegelschen Systems (1), weitaus komplexer und facettenreicher als die lineare - alles in einem eine sehr vereinfachte und oberflächliche Interpretation -, besagt also folgendes: Der Mensch ist in seiner empirischen Subjektivität materielle und egoistische Instinktivität (subjektiver Geist); In seiner absoluten Subjektivität ist er hingegen das Licht der Erkenntnis und der Erscheinens der absoluten Vernunft als eignes Wesen (absoluter Geist); Diese beiden ungeheuren Kräfte, die Kraft der Materie in den materiellen Instinkten, gekennzeichnet durch Notwendigkeit und Unbewusstsein, und die Kraft des Absoluten, des Logos im absoluten Selbstbewusstsein des Geistes, gekennzeichnet durch Freiheit und Selbstbewusstsein, konvergieren in der Beschaffenheit der Welt der Sittlichkeit bzw. in der Umwandlung der materiellen Instinkte in ethische Ideale (objektiver Geist). Die Sittlichkeit manifestiert sich nach außen hin in den intersubjektiven Institutionen, die der Mensch auf der Erde erschafft; sie bilden das „Reich“, das der Mensch in der Natur für sich errichtet: Familie, bürgerliche Gesellschaft (2) und Staat.
Der letzte Sinn des menschlichen Lebens auf der Erde ist also aus der Sicht des philosophischen Systems von Hegel nach der linearen Interpretation der absolute Geist, also das absolute Selbstbewusstsein; Betrachtet man hingegen dieses System aus zirkulärer Sicht, letzten Endes die einzige Sichtweise, die sich an die präzisen Hinweise Hegels hält, so besteht der letzte Sinn der Welt aus dem Leben für die intersubjektiven Institutionen, also für den Ethos. Der Grund dafür ist, dass der absolute Geist dieser zirkulären Ansicht nach mit der Bildung des Staates eine eigene Aufgabe besitzt, und zwar als ethisches Reich, das der Mensch als Gemeinschaft oder Volk in der Natur errichtet (der ethische Staat, der in sich die familiären und sozialen Institutionen einschließt).
Im Zusammenhang mit dem Begriff ‘Volk’ ist festzuhalten, dass sich dieser aus idealistisch-absoluter Sicht nicht auf ein bestimmtes, von den anderen Völkern getrenntes Volk bezieht, sondern auf die gesamte Menschheit, vereinigt durch die Tatsache, dass alle Menschen in ihrem eigenen natürlichen Wesen Geist, Logos sind. Deswegen sollte zu diesem Begriff eine Reform oder Aktulisierung der Hegelschen Fassung des absoluten Idealismus durchgeführt werden)(3).)
Die zirkuläre Bewegung des Absoluten, die Hegel dank der Erarbeitung und Benutzung des dialektischen Verfahrens so überaus klar und präzise beschrieben konnte (zumindest in den Grundzügen), schließt sich niemals, sondern weist eine Entwicklungsstufe auf, in der die aktiven Grundkräfte (Materie und Logos, Instinkt und Vernunft, Notwendigkeit und Freiheit, Unbewusstsein und Bewußtsein) sich konzentrieren und konvergieren, und das Abstrakte in Konkretes, das bloß Mögliche in effektiv Wirkliches umwandeln: Dies findet in der Stufe der Sittlichkeit statt. Die Endursache der Welt bzw. die freie und bwusste Existenz der absoluten und schöpferischen Vernunft, also des Logos, verwirklicht sich im ethischen und kreativen Leben des Menschen, also im Ethos.
Die Philosophie Hegels ist daher eine Religionslehre mit ethischer Bedeutung. Ihr gesamtes Gerüst dient dem Verständnis des Begriffs des Menschen (4). Der Mensch ist der Ort der Konvergenz der beiden Grundkräfte des Seins, der Materie (Instinkte) und des Geistes (Logos). Diese beiden Kräfte begegnen sich aber auch gleichzeitig „prallen“ im Leben des Menschen „aufeinander“ und  führen zu seiner äußeren, im Sinne von wirklicher und objektiver Existenz:´also zur Sittlichkeit bzw. Ethos. Das Ethos ist der Lebenssinn des Menschen in der Welt und gleichzeitig der Sinn der Existenz der Welt, da er die bewusste und freie Verwirklichung der absoluten, schöpferischen Vernunft durch die Kreativität der verschiedenen individuellen menschlichen Subjekte darstellt.
Das ist also die Struktur des Begriffs des Ethos, ein philosophischer Begriff, der implizit in der christlichen Urvorstellung des Anbruchs des Reich Gottes vorhanden ist. Mit Hilfe dieses Begriffs hat Hegel das Moralideal realisiert, die sein ursrprüngliches philosophisches Ideal bildet. Es handelt sich hierbei jedoch nur um den abstrakten Begriff des Ethos. Denn bisher haben wir den Begriff des Geistes im Allgemeinen oder in seiner Abstraktheit analysiert. Hegel war jedoch daran interessiert, den Lebenssinn des individuellen Menschen zu verstehen, also den Begriff eines jeden bestimmten Menschen: ich, du, wir. Um zum Verständnis des Menschen in seiner spezifischen Individualität zu gelangen, müssen wir noch tiefer in die praktische Philosophie des großen schwäbischen Philosophen eintauchen.

Das Ethos als natürliches Ethikideal

Wie wir bereits festgestellt haben, besteht die Grundstruktur des Geistes darin, die natürlichen Instinkte (die Naturkräfte) ans Tageslicht zu bringen, sozusagen aus dem universalen Selbstbewusstsein (die Kraft des absoluten Geistes) herausgefiltert, und zwar durch die Schaffung von Institutionen der ethischen und objektiven Welt: die Familie, die bürgerliche Gesellschaft und der Staat.
Diese drei Hauptgruppen von ethischen Institutionen stellen, subjektiv betrachtet, die Moralwerte des Menschen dar. Wenn er das eigene schöpferische Wesen verwirklichen will, müssen diese Werte den Sinn seines Lebens verkörpern: der Wert der Liebe als Grundlage der Familie, der Wert der Arbeit als Grundlage  der bürgerlichen Gesellschaft, und schließlich der Wert der gesamten Menscheit (und nicht nur der eigenen Heimat) als Grundlage des Staates.
Der einzelne Mensch, der individuelle Geist, verwirklicht seinen eigenen Geist bzw. sein eigenes natürliches Wesen in dem Moment, in dem er in den Mechanismus eintritt, der in diesen drei Institutionen aktiv ist, und zwar in den Mechanismus des sozialen Lebens: Es handelt sich hierbei um den intersubjektiven Prozess der ‘Anerkennung’. 
Die Anerkennung wirkt im Inneren dieser drei Institutionen und bewirkt, dass das einzelne Individuum aus seiner ‘schlechten’ (5) Subjektivität bzw. seiner tierischen Instinktivität und aus der Beschränktheit des eigenen empirischen Ichs heraustritt und in den intersubjektiven Prozess des Selbstbewusstseins eintritt, der die Basis für die Gründung der objektiven Welt des Geistes, also der sozialen und historischen Welt, ist.
Das Individuum muss also, will es seinen Geist verwirklichen und so seiner Existenz einen Sinn verleihen, in den Mechanismus der Anerkennung des Selbstbewusstseins eintreten, es muss anerkennen und sich anerkennen lassen. Dadurch findet es Zugang zu jener Welt, die Hegel zum Schluß der Phänomenologie des Geistes (GW 9,765/8) ‘das  Geisterreich’, das ethische Universum, nennt.
Der zeitlichen Entwicklung dieses Reichs entspricht die Geschichte. In erster Linie  die Geschichte der eigenen Familie, des eigenen Berufs (des eigenen Standes) und des eigenen Volkes. Aber vor allem auch  die Geschichte der gesamten Menschheit, die Weltgeschichte. Als solche ist sie Geschichte der Welt und Manifestation des Weltgeistes bzw. der absoluten Vernunft in der Welt. Im Leben jedes Menschen, egal ob es sich um einen einflussreichen oder einfachen Menschen, manifestieren sich in absteigender Reihenfolge die absolute Vernunft, der Weltgeist, der Geist des Volkes, der Geist des Standes, der Geist der Familie, bis sie schließlich den geistigen Inhalt des Lebens des individuellen Geistes (also den eigenen Charakter) bilden.
Jeder Mensch hat als individueller Geist die Möglichkeit sowie die innere ethische Pflicht, diese Leiter hinaufzusteigen und sich somit langsam mit dem Geist der Familie, seines Standes, seines Volkes, der Welt und schließlich mit der absoluten Vernunft (also mit dem absoluten Geist) zu identifizieren.
Dieser Prozess ist die wahre ‘Phänomenologie des Geistes’, die Erhebung des Geistes von der zufälligen empirischen Individualität zur notwendigen Geschichtlichkeit der sozialen und absoluten Allgemeinheit des eigenen Ichs. Die Erziehung des individuellen Geistes und seine Erhebung zum absoluten Geist besteht eben aus einem solchen Prozess.
Der individuelle Geist, einmal zum eigenen absoluten Selbstbewusstsein gelangt, hat aber auch die innere Pflicht, diese Leiter, sozusagen, hinabzusteigen und aktiv und kreativ in seiner eigenen Familie, seinem Volk, in der gesamten Menschheit sowie schließlich im gesamten Kosmos zu leben.
Das bedeutet, dass der Mensch, will er philosophisch bzw. nach Wahrheit leben, seine Handlungen nicht nach rein empirischen Zielen ausrichten darf, deren Quelle also das eigene individuelle und empirische Ich ist, sondern nach absoluten Zielen, die sich vom geistigen Inhalt ableiten, den er durch seine Zugehörigkeit zur Welt der Sittlichkeit zu einem ganz bestimmten historischen Zeitpunkt seiner Entwicklung und in einem ganz bestimmten Ort seiner Ausdehnung auf der Erde geerbt hat (also eine bestimmte Familie, ein bestimmter Stand, eine begrenzte geographische Region, ein ganz bestimmtes Volk usw.).
Nach absoluten Zielen zu leben bedeutet, einen Beitrag zur Erschaffung der Welt der Sittlichkeit, des ‘Geisterreiches’ zu leisten, also:

- Gründung einer stabilen und dauerhaften Familie anstelle eines einfachen, flüchtigen Sexualaktes (Realisierung des ethischen Wertes der Liebe);

- Arbeit im Rahmen der eigenen Fähigkeiten, also in einem Beruf und einem Stand, um einen eigenen konkreten Beitrag zur Befestigung der bürgerlichen Gesellschaft  zu leisten. Die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse durch den Verdienst muss also das Ergebnis der eigenen ethischen Arbeit darstellen, darf aber natürlich nicht deren Hauptziel sein  (Realisierung des ethischen Wertes der Arbeit);

- Persönliche politische Aktivität, zumindest durch den Dialog mit dem Mitbürgern, sowie aktive Teilnahme an Wahlen, um an der Gründung eines ethischen, stabilen Staates mitzuwirken, in dem man die beiden anderen ethischen Grundwerte (Liebe und Arbeit) verwirklichen kann (das Leben für den ethischen Staat beruht auf der Realisierung des Wertes der Menschlichkeit).

Die Realisierung dieser drei ethischen Grundwerte (6) erlaubt es dem Menschen, sein eigenes natürliches Wesen zu verwirklichen, da dieses aus der schöpferischen Vernunft und dem Geist besteht, dessen Inhalt durch die Zugehörigkeit des Individuums zu ganz bestimmten Sphären der intersubjektiven Anerkennung bedingt wird (eine bestimmte Familie, ein bestimmtes Arbeitsumfeld, eine bestimmte staatliche Gemeinschaft). Nur im Inneren dieser Sphären kann der Mensch seine eigene Kreativität, also sein natürliches Wesen, verwirklichen. 
Die wissenschaftliche Basis für diese Aussage und die damit ausgedrückte Anschauung findet man natürlich in der Wissenschaft der Logik, vor allem in den Paragraphen der Lehre vom Sein, die die Kategorien der ‘Endlichkeit’ und der ‘Unendlichkeit’ behandeln, also den zweiten und dritten Moment in der logischen Entwicklung der Kategorie des ‘Daseins’ (bzw. nach der damaligen Schreibweise ‘Daseyn).
In diesem Teil seiner Logik erklärt Hegel den Unterschied zwischen Endlichkeit, schlechter Unendlichkeit und wahrer Unendlichkeit. Die Endlichkeit bezieht sich auf die Beschränktheit, typisch für jedes Wesen, für jedes ‘Etwas’; sie ist darauf zurückzuführen, dass sich jedem Etwas, eben weil es Etwas ist, ein ‘Anderes’ entgegenstellt: Denn, wenn es nicht so wäre, so wäre das Etwas das Ganze und nicht ein Etwas. Im Begriff des Etwas ist daher seine Beschränktheit (der Begriff der ‘Grenze’ ist eine weitere Kategorie, die auf dieser Ebene der logischen Entwicklung erscheinen), sowie auch seine Endlichkeit enthalten.
Die ‘schlechte’ Unendlichkeit stellt eine erste Form der Aufhebung der Endlichkeit des Etwas dar. Sie besteht aus der ständigen Verweisung des Etwas auf ein Anderes und dann wieder auf Etwas und wieder auf ein Anderes, also aus der Wiederholung dieser Bewegung mit erneuter Rückkehr zu zwei getrennten Momenten, ohne dass es zu ihrer Aufhebung in einer höheren Entität kommen würde. In diesem Fall handelt es sich schon um eine Aufhebung der Endlichkeit, bei der jedoch das Etwas ein Gefangener dieses blinden Prozesses bleibt, der zu keinem Resultat führt. Als Beispiel aus der belebten Natur kann man hier die Beziehung Bedürfnis-Befriedigung anführen. Das Bedürfnis wird z.B. durch Nahrung befriedigt, es tritt jedoch erneut auf und muss wieder befriedigt werden, in einer unendlichen Bewegung, die jedoch letzten Endes immer sich selbst reproduziert, sich also wiederholt und sich immer als solche offenbart. Durch die schlechte Unendlichkeit erhält man also eine Bewegung, in der das Etwas und das Andere zwar in ständiger Beziehung zueinander stehen, jedoch keine höhere Entität produzieren, die sie in sich als aufgehoben einschließen würde, so wie es nach dem dialektischen Grundprinzip der ‘Aufhebung’ geschehen sollte.
Die wahrhafte Unendlichkeit ist diese Aufhebung. Es gibt sie, wenn das Etwas und das Andere, also die beiden Endlichen, ein Drittes erzeugen, dass sie in sich als aufgehoben einschließt. Als Beispiel hierfür dient die Eltern-Kind-Beziehung. Die beiden Eltern sind die beiden Endlichen, deren sexuelle Beziehung eine von der schlechten Unendlichkeit charakterisierte Bewegung darstellt (eigene Wiederholung ohne Schaffung eines Dritten). Diese Bewegung führt jedoch durch die Zeugung des Kindes zu einem Dritten, in dem die beiden Eltern aufgehoben sind. Das Kind ist ein Wesen, das sich deutlich von ihnen unterscheidet, in dem sie aber gleichzeitig auch aufbewahrt sind, nachdem das Kind ‘ihr’ Kind ist und daher grundlegende Elemente ‘ihrer’ Persönlichkeit enthält, die somit weiterhin existiert.
Die schlechte Unendlichkeit, die als Grundkategorie in der Befriedigung der materiellen Bedürfnisse aktiv ist, die ständig wiederkehren und dem Geist niemals Frieden gewähren, kann also dem Geist keine Zufriedenheit und Glückseligkeit garantieren, ja ganz im Gegenteil, sie unterwirft ihn sogar. Die wahre Unendlichkeit hingegen führt zu einem ganz bestimmten Resultat, in dem sich der Geist selbst verwirklicht, ein Ziel erreicht bzw. seine Freiheit verwirklicht. Diese Freiheit stellt für den reifen Geist sein Glück dar, da es seine Selbstverwirklichung, seine Selbstbestimmung ist. Das Ethos ist daher ein natürliches Ethikideal, da es auf dem natürlichen Wesen des Menschen beruht, auf seiner geistigen Natur, die seine wahre Natur ist, und zwar in dem Sinne, dass sie das Etwas ist, das ihn von den anderen Wesen unterscheidet. Diese wahre Natur besteht auf logischer Ebene aus der Kategorie der ‘wahrhaften Unendlichkeit’ und kommt auf moralischer Ebene in der Sittlichkeit zum Ausdruck, die dem Geist ein freies bzw. glückliches Leben gewährleistet.

Das Ethos als Wiederversöhnung des Menschen mit der Natur auf Ebene von Geist und Materie

Durch die Auffassung der absoluten Sittlichkeit hat Hegel also den Begriff des Geistes zur Gänze verstanden und konnte somit sein ursprüngliches Ideal der Begründung einer natürlichen Morallehre verwirklichen. Mit ihr hat er den Menschen auf Ebene des Geistes und der Materie wieder in die Natur eingefügt.
Der Mensch als Geist erfüllt nämlich nach dieser Morallehre in der Natur eine eigene Funktion. Sie besteht darin, die Welt des Geistes bzw. die menschliche Gemeinschaft auf Erden zu erschaffen. Diese wird von prinzipiell unvergänglichen Institutionen gebildet, die den Menschen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt gerade leben, die Möglichkeit geben, ihr eigenes natürliches, kreatives und vernünftiges Wesen zu realisieren, d.h. als „Geist“ zu leben.
Nur eine solche Form von ethischem Leben kann den Menschen ein glückliches Leben erlauben, weil sie darin ihre wahre Natur bzw. die Kreativität (die auf der Grundstruktur des Begriffs als ‘wahrhafte Unendlichkeit’ basiert) verwirklichen können. Diese Glückseligkeit ist eine ethische Glückseligkeit, d.h. eine Glückseligkeit, die nicht von der Befriedigung materieller Bedürfnisse stammt, sondern vom geistigen Bedürfnis der Verwirklichung des eigenen Geistes. Mit anderen Worten wird ein derart geführtes Leben nicht von der stumpfsinnigen Wiederholung der ‘schlechten Unendlichkeit’ geleitet, sondern von der intelligenten Finalität der ‘wahrhaften Unendlichkeit’. Sie schließt übrigens in sich auch die Befriedigung der notwendigen materiellen Bedürfnisse des Menschen ein (z.B. die Familie enthält in sich auch den Moment der Sexualität (7) und die Arbeit den Moment des Verdienstes und daher des Erwerbs von materiellen Gütern, die für das Überleben notwendig sind) (8).)
Auf diese Art und Weise ist das Glück des Menschen sozusagen das Siegel eines ethischen Lebens. Es handelt sich hierbei um eine wahre Glückseligkeit, nicht vergänglich oder momentan, sondern stabil und dauerhaft. Sie besteht darin, dass der Mensch durch die Institutionen des ethischen Lebens seinen eigenen Geist, seine schöpferische Freiheit, basierend auf der zentralen Kategorie der ‘wahrhaften Unendlichkeit’, verwirklicht und zur gleichen Zeit seine Grundbedürfnisse befriedigt, ohne jedoch zu deren Sklaven zu werden.

ENDNOTEN

1) Diese Interpretation beruht natürlich auf den Hinweisen von Hegel selbst, vor allem im Kapitel ‘die absolute Idee’ der Lehre vom Begriff (insbesondere auf den Seiten 373-374) und im zitierten §15 der Enzyklopädie von 1830.
2) Bei diesem Begriff war Hegel nicht vollkommen konsequent und hat sich selbst widersprochen, indem er auf der einen Seite den Begriff ‘bürgerliche Gesellschaft’ in der Sektion über die Sittlichkeit einfügte, aber gleichzeitig erklärte, dass die bürgerliche Gesellschaft an sich nicht ethisch sei (vgl. E, § 523; LFD §§ 184-186). Dieses Problem wurde von mir ausführlich in Weisheitslehre behandelt (S. 162-166), wo ich auch eine entsprechende Lösung vorgeschlagen habe. Auf diese Studie möchte ich hier deshalb verweisen.
3) Schild hat mit einen solchen Aktualisierungsprozess der Rechtsphilosophie des schwäbischen Philosophen begonnen (vgl. seine in der Bibliographie zitierten Studien und vor allem seine Arbeit über den ‘Weltgeist’). Denn es steht außer Zweifel, dass das System Hegels eine Aktualisierung benötigt (ein solcher Aktualisierungsprozess findet außerdem bereits statt, und zwar auch für die anderen Teile des Hegelschen Systems - vgl. z.B. die Studien von Wandschneider für die Naturphilosophie und für die Logik). Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Grundprinzipien dieses Systems noch immer gültig sind.
4) Auch in diesem Fall in perfektem Einklang mit den Absichten des jungen Hegel, die im reifen System ihre getreue Verwirklichung fanden. 
5) Im Sinne der Hegelschen Logik der Unendlichkeit (vgl. GW 21, S. 127/1 ff.)
6) Zur Familie und zur Arbeit als ethische Werte aus der Sicht der Philosophie des absoluten Idealismus vgl. Weisheitslehre auf den Seiten 161-162 bzw. 164-166.
7) Als Gattungsprozess - vgl. §§ 367-370 der Naturphilosophie in der Enzyklopädie von 1830.
8) Als Assimiliation - vgl. ebenda, §§ 357 - 366.

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