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PHILOSOPHIE FÜR ALLE
Vorwort
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Titel |Philosophie für alle – Manifest für die philosophische Identität des europäischen Volkes(1.0)
Autor | Marco de Angelis
Ins Deutsche übersetzt von Anja Unkels
Isbn |
Alle Rechte vorbehalten
©PHILEUROPA 2016
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Phileuropa – Zentrum für Europäische Philosophie
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Meinem geliebten Sohn Mervin,
mit dem Wunsch, er wird die Vorzüge eines philosophischen,
der Wahrheit gewidmeten Lebens genießen dürfen.
„Diese [gemeint: die Philosophie] bezieht alles auf Weisheit,
aber durch den Weg der Wissenschaft, den einzigen, der,
wenn er einmal gebahnt ist, niemals verwaechst,
und keine Verirrungen verstattet.“
Immanuel Kant
Widmung und Danksagung
Dieses Buch widme ich meinem Sohn Mervin. Er war nicht nur dessen erster Leser, sondern auch der Freund, mit dem ich jeden Einzelbegriff diskutieren konnte. Trotz seines jungen Alters konnte mir Mervin wertvolle Ratschläge geben und auch zusätzliche Ideen mit mir zusammen entwickeln. Vor allem hat er mir die Beschäftigung mit dem Text weniger einsam gemacht. Es war schön, jemanden zu haben, mit dem ich darüber reden konnte und der es für wichtig hielt, mir zuzuhören und auch die existentielle Problematik mit mir zu teilen, die stets hinter einem philosophischen Text steht.
Ihm wünsche ich vom Herzen, dass er sein Leben im kontinuierlichen Dialog mit sich selbst auf der Suche nach der philosophischen Wahrheit verbringen dürfen wird. Aus dieser Höhe verlieren viele menschliche Belange ihre angebliche Wichtigkeit und der Mensch kommt ins Gespräch direkt mit dem echten Absoluten. Dadurch gewinnt man innere Ruhe und Zufriedenheit, und diese sind die Voraussetzungen der Weisheit.
Ich möchte außerdem meiner Gruppe von treuen Studenten und Zuhörern der Universität Lüneburg meine liebevolle Anerkennung aussprechen. Sie haben mit lobenswerter Sorgfalt und lebhaftem Interesse mein Seminar über die philosophische Identität Europas im Sommersemester 2015/16 besucht. Insbesondere möchte ich mich bei Ihnen dafür bedanken, dass sie sich geduldig angestrengt haben, mein ‚italienisches‘ Deutsch zu verstehen. Was allerdings dank ihnen immer gut geklappt hat! Das war ein gutes Zeichen für Europa, denn es bedeutet, dass wir innerhalb Europa kein Englisch brauchen, oder?
Die lebhaften Gespräche in unseren Seminarsitzungen und die beständige philosophische Debatte waren von grundlegender Bedeutung für mich, um meinen Ansatz zu bestätigen, dass der Weg der populären Verbreitung der großen klassischen systematischen Philosophie es sicherlich verdient, gegangen zu werden, und dass somit die eingeschlagene Richtung die richtige war.
Die Person, die dies möglich gemacht hat und die somit das Fundament bildet, auf dem das gesamte Projekt steht, ist Prof. Dr. Christoph Jamme. Er hat daran geglaubt, es gefördert und mir so die Möglichkeit gegeben, es deutschen Studenten nahezubringen. Mir war es sehr wichtig, eine Auseinandersetzung darüber auch in Deutschland zu haben, wie ich sie zuvor schon in Italien an der Universität Urbino hatte. Schließlich handelt es sich um ein europäisches Projekt und so sollte es die Prüfung mindestens in zwei europäischen Ländern bestehen.
Prolog
Diese erste Version der Philosophie für alle trägt den Zusatz 1.0, was ein Hinweis darauf sein soll, dass der Autor vorhat, in Zukunft auch eine Version 2.0 und so weiter zu verfassen. In der Tat hat uns die Entwicklung von Programmen für die Informatik in den letzten Jahrzehnten an deren schrittweise Weiterentwicklung mit kontinuierlichen Verbesserungen gewöhnt, die am Ende nicht zu einem neuen Programm, sondern zu einem besseren Originalprogramm führen.
Paradoxerweise entwickelt sich die Philosophie nicht anders. Wenn wir Hegel als Beispiel nehmen, den Denker also, dem wir hauptsächlich folgen, hat er sein eigenes philosophisches System im Laufe seines Lebens mehrmals überarbeitet. Es gibt davon in der Tat mehrere Fassungen.
Die erste entstand in den Jahren 1804 bis 1806 in Jena. Sie wurde nicht veröffentlicht, jedoch enthält sie, wenn auch in einer weder überarbeiteten noch vollendeten Form, alle Hauptteile und Hauptbegriffe des fertigen philosophischen Systems. Sie kann daher als die Version 1.0 von Hegels philosophischem System betrachtet werden.
In den Folgejahren vertiefte und veröffentlichte der Philosoph zunächst verschiedene Einzelteile des Systems (die Phänomenologie des Geistes im Jahr 1807, dann die Wissenschaft der Logik in drei Bänden von 1812 bis 1816), um im Jahre 1817 zum ersten Mal das gesamte philosophische System oder auch die Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften zu publizieren. Diese Enzyklopädie enthält die Grundsätze aller philosophischen Disziplinen und entspricht auf quantitativ sehr viel detailliertere, aber qualitativ identische Weise dem philosophischen System von 18041806. Diese Version kann somit als die 2.0Version angesehen werden.
Im Jahre 1827, also 10 Jahre später, und nach der Einzelpublikation eines weiteren wichtigen Teils des Systems, den Grundlinien der Philosophie des Rechts (1821), veröffentlichte Hegel eine neue Version der Enzyklopädie, die wir als 3.0-Version betrachten können. Im Jahre 1830 erschien schließlich eine noch neuere, letzte Version der Enzyklopädie, welche somit der Version 4.0 entspräche.
Aber auch während seiner Lehrtätigkeit am Nürnberger Egidiengymnasium erarbeitete Hegel Versionen des Systems, die man heute zwischen den besagten Versionen 1.0 und 2.0 ansiedeln und daher als Zwischenversionen betrachten kann.
Es ist wichtig, die Tatsache zu unterstreichen, dass es sich um dasselbe Werk mit demselben Inhalt handelt. Manche Absätze sind verschoben, andere gestrichen, wieder andere hinzugefügt. Es handelt sich also um Vertiefungen und Verbesserungen, die aber nicht so maßgeblich sind, dass sie den Aufbau der ersten, in Jena entstandenen Version wesentlich veränderten.
Wir können sagen, dass Hegel sogar die zukünftigen Entwicklungen der Informatik antizipiert hat und dass er verstanden hat, wie wichtig es ist, immer aktualisierte und vollständigere Versionen der eigenen Werke zu entwickeln, vor allem, wenn es sich um ein philosophisches System handelt. Ein solches System muss nämlich in der Hauptsache das gesamte Bild des menschlichen Wissens umfassen, weil – wie wir sehen werden – dies eine der ureigenen Eigenschaften der Philosophie darstellt. Man darf also nicht annehmen, dass in der ersten Version bereits der gesamte Inhalt im Detail vorhanden ist. Dieser wird zu Anfang in den Grundideen vorhanden sein und wird später dank neuer Versionen des Werks aktualisiert, erweitert, vertieft usw. Letzten Endes ist der Philosoph ein Mensch wie jeder andere, der Zeit für seine Studien benötigt, um neue Erkenntnisse zu gewinnen und diese ins systematische Bild einzufügen, welches er auf der Basis der von ihm erlernten Grundsätze zu erarbeiten in der Lage ist. Auf diese Weise liefert er zunächst sich selbst, dann auch seinen Lesern einen geordneten, systematischen und logischen Einblick in sein Wissen.
In diesem Sinne stellt unsere vorliegende Philosophie für alle die Version 1.0 dar, und wir behalten uns vor, in nächster Zukunft eine erweiterte und vertiefende Version vorzustellen, ohne dabei ihre ursprüngliche Eigenschaft zu verändern, die darin besteht, ein auf allgemeinverständliche Weise ausgedrücktes philosophisches System sein zu wollen.
Diese Form der Publikation ist sowohl für ihren Verfasser als auch für ihren Leser von Vorteil; der Denker kann beginnen, sein eigenes vollständiges philosophisches System einer Öffentlichkeit zu präsentieren – auch wenn es noch nicht in allen Teilen vollständig ausgearbeitet ist. Er muss nicht auf ein “Ende der Arbeit” warten, zu dem man ohnehin nie gelangt, weil der Prozess der Wissensassimilation und der Einfügung dieses Wissens in ein systematisches Bild im theoretischen Sinne unendlich ist. Man kann einem System in der Tat immer noch etwas Neues hinzufügen, da sein Untersuchungsgegenstand in den Inhalten der Welt und des menschlichen Lebens besteht und somit grenzenlos ist. Auch der Leser zieht einen klaren Vorteil aus diesem Vorgehen, weil er sich zunächst mit den Grundsätzen des philosophischen Systems vertraut machen kann, die selbstverständlich bereits in der ersten, einfachsten Version präsent sind. So kann er sich anschließend der zweiten Version leichter nähern, die komplexer und daher auch schwieriger sein wird, weil er mit Text und Methode des Verfassers bereits vertraut ist.
Eine Politik der kleinen Schritte kann also für beide, Autor und Leser, nur nützlich sein.
Eine letzte Betrachtung bezieht sich auf die Herstellung einer FacebookSeite als Schnittstelle zwischen dem Autor und den Lesern dieses Buches. Sie ermöglicht den Lesern, die Erklärungen über wichtige aber schwere Begriffe brauchen, danach zu fragen und eine schnelle Antwort durch den Autor selbst zu erhalten. Nur auf diese Weise kann dieses Büchlein, wie jedes anderes Werk, das den Anspruch hat, allgemein verständlich zu sein, wirklich ‚für alle‘ sein. Es ist in der Tat durchaus möglich, dass ein echter philosophischer Text, wie unser sicherlich ist, obwohl er allgemein verständlich geschrieben wurde, jedoch immer noch logische Schwierigkeiten aufweist, die allein der Autor auf eine treffende Weise erklären kann.
Somit kann jede Schwierigkeit dank moderner Technik im Prinzip überwunden werden und die Philosophie vollständig zur Verfügung all denjenigen gestellt werden, für die sie letztendlich da ist, d.h. für alle Menschen, unabhängig von ihrer akademischen Vorbereitung.
Die FacebookAdresse der Seite ist:
https://www.facebook.com/philosophiefueralle.de
Inhaltsverzeichnis
Vorrede: Über den Sinn und den heutigen Bedarf nach einem richtigen Handbuch der Philosophie
Lektion 1: Die Philosophie als “Wissenschaft der Weisheit”
Lektion 2: Die Beziehung der Philosophie zu Religion und Wissenschaft
Lektion 3: Das Wissen als geordnetes System von Begriffen
Lektion 4: Die Theorie des ’ich verstehe’: 1. Die Objektivität des Wissens als faktische und logische Wahrheit
Lektion 5: Die Theorie des ’ich verstehe’: 2. Die Vernunft als Einheit von Mensch und Natur, Subjekt und Objekt
Lektion 6: Die Theorie des ’ich verstehe’: 3. Der logische Monismus
Lektion 7: Die Grundstruktur der absoluten Vernunft (Logos)
Lektion 8: Der Begriff des ‚absoluten Geistes’ und der Mensch in seiner Universalität als ‚Absolutes’
Lektion 9: Der absolute Geist als Vernunftreligion
Lektion 10: Grundzüge der neuen idealistischen Zivilisation
Lektion 11: Die logische Struktur der Ethik: die intersubjektive Anerkennung
Lektion 12: Ethische Werte der philosophisch-idealistischen Zivilisation: 1. Menschheit und Weltstaat
Lektion 13: Ethische Werte der philosophisch-idealistischen Zivilisation: 2. Arbeit und bürgerliche Gesellschaft
Lektion 14: Ethische Werte der philosophisch-idealistischen Zivilisation: 3. Liebe und Familie
Lektion 15: Die Ethik als Glück und Selbstverwirklichung des Menschen
Schluss: Die philosophisch-idealistische Wahrheit und die heutige Welt
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Vorrede
Über den Sinn und den heutigen Bedarf
nach einem richtigen Handbuch der Philosophie
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Der vorliegende Band stellt ein populärwissenschaftliches Handbuch der Philosophie dar. In ihm wird eine Auffassung der Welt und des Sinns menschlicher Existenz dargelegt, wie sie aus den Werken der großen Philosophen hervorgehen, die man zu Recht für die „Klassiker“ hält. Das Handbuch gründet vor allem aber auf dem philosophischen System Hegels, der sicher als letzter Denker gilt, den man noch als „klassisch“ definieren kann. Die anderen, ihm nachfolgenden Denker sind von weniger spekulativer Bedeutung zu betrachten, da sie erstens nicht das gesamte philosophische Wissen berücksichtigten, wie es für Hegel und die ihm vorangehenden Klassiker der Fall war, und zweitens auch noch nicht über Jahrhunderte hinweg von Bedeutung gewesen sind, weswegen man sie als „Klassiker“ definieren könne.
Das heißt natürlich nicht, dass das philosophische System Hegels als die absolute und letzte Wahrheit erachtet wird. Im Gegenteil: In diesem Handbuch wird es überarbeitet und so im dialektischen und hegelianischen Sinne „aufgehoben“. Der deutsche Philosoph hat nämlich gut erklärt, dass sich die Geschichte der Philosophie, wie auch die Geschichte eines jeden Wissensbereiches, auf den Fortschritt der Erkenntnisse stützt, weshalb eine neue philosophische Theorie immer auch die Hauptgedanken der ihr vorangehenden Auffassung enthält, während sie diese gleichzeitig überholt. In der Geschichte der Philosophie gibt es also ein Wissenswachstum, weshalb wir sicher sein können, auf dieser Schiene des progressiven Wachstums des philosophischen Wissens zu fahren, wenn wir von dieser letzten ernsthaft großen klassischen Philosophie ausgehen und sie weiterentwickeln.
Natürlich verbietet es unsere Anerkennung des philosophischen Systems Hegels als der letzten großen klassischen Philosophie nicht, sie darzulegen und weiterzuentwickeln und dabei auch denjenigen Denkern Rechnung zu tragen, die auf Hegel gefolgt sind und noch nicht zu den „Klassikern“ gehören, aber in jedem Falle interessante und wichtige Einzelideen gehabt haben. Deshalb wird unsere Darstellung des hegelianischen Gedankens als Ergebnis der Geschichte der Philosophie gleichzeitig eine Neufassung dieses Gedankens auch unter Berücksichtigung der nach ihm gekommenen Denker sein.
Daher hat die vorliegende Arbeit drei Ziele:
• Erstens, soll darin eine wissenschaftlich fundierte und objektive Philosophie erarbeitet werden, die demnach einen absoluten Wert hat, unabhängig von dem Subjekt, das sie erarbeitet;
• Zweitens, soll sie diese Philosophie in einfacher Sprache darstellen, also auch für eine durchschnittlich gebildete, aber interessierte Leserschaft verständlich;
• Drittens, veranschaulicht die in diesem Handbuch erläuterte Philosophie die rationale Welt und Lebensauffassung der europäischen Völker, bzw. derjenigen Völker, welche an der Entwicklung der Geschichte der Philosophie als rationaler Suche nach der Wahrheit maßgeblich beteiligt waren, aber auch die all derjenigen, die – auch wenn sie nicht zu jenen europäischen Völkern gehören – dennoch ihre Denk und Handlungsweise philosophisch ausrichten.
Entstanden in Griechenland um das VI. Jahrhundert v. Chr. herum, erreichte die Philosophie im 19. Jahrhundert in Deutschland mit Hegel ihre Hochphase, nachdem sie sich seit ihrer Gründung in verschiedenen europäischen Staaten entwickelt und deren rationales, freies und demokratisches Bewusstsein geprägt hatte, wie wir es heute auf politischer Ebene in den Ländern der Europäischen Union wiederfinden.
Andere Staaten, die sich nach dem philosophischen Bewusstsein Europas auf verschiedene Arten gebildet haben, wie z.B. die Vereinigten Staaten von Amerika, die südamerikanischen Staaten, Russland und die Staaten, die bis vor wenigen Jahrzehnten zur Sowjetunion gehörten, sind ebenfalls Teil dieser Geschichte, aber auf externe, sekundäre, nicht auf interne, primäre und ursprüngliche Weise. Die europäischen Staaten sind hingegen als die wahre Heimat der Philosophie anzusehen, als der Ort, an dem sich das Absolute, die rationale Wahrheit auf unserem schönen Planeten offenbart hat.
1. Der heutige Bedarf nach einer wissenschaftlich begründeten Philosophie, die einen objektiven Wahrheitswert habe.
Das Hauptziel dieser Arbeit ist also vor allem die Ausarbeitung einer objektiven Philosophie, d.h. einer Philosophie, die in sich Gültigkeit besitzt, weil sie auf sich selbst basiert, auf dem Fundament des letzten großen philosophischen Systems, das die Menschheit hervorgebracht hat: dem System Hegels. Der Stuttgarter hat in seinen Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie erläutert, dass die Geschichte der Philosophie keineswegs eine Folge von subjektiven Meinungen der verschiedenen Denker ist, aus denen der Leser sich ebenfalls subjektiv eine aussuchen und sich zu eigen machen kann, sondern eine echte und wahre logische Folge von philosophischen Systemen, die sich aufeinander gründen und jeweils einen Erkenntnisfortschritt einläuten. Hegel hat mit passenden logischen Argumenten zu zeigen gewusst, dass das Prinzip der Geschichte der Philosophie ein klarer wissenschaftlicher Fortschritt ist, den man mit dem der empirischen Naturwissenschaften vergleichen könnte.
Die empirischen Wissenschaften können sowohl wissenschaftliche als auch populärwissenschaftliche Handbücher bzw. Texte ausarbeiten, welche dann die Kernergebnisse einer bestimmten Disziplin (Physik, Chemie usw.) zusammenfassen, weil sie sich auf allgemeingültige Wahrheiten des wissenschaftlichexperimentellen Fortschritts stützen. Die Philosophie kann hingegen, abgesehen von den Handbüchern zur Geschichte der Philosophie und von chronologischen Sammlungen subjektiver Meinungen derjenigen, die man traditionell als Philosophen bezeichnet, derzeit auf kein Handbuch zurückgreifen, weil sich die hegelianische Auffassung des wissenschaftlichdeduktiven Fortschritts bis heute nicht durchsetzen konnte.
Die Konsequenz dessen wiegt schwer. Obwohl sich unsere westliche Gesellschaft augenscheinlich auf die Philosophie stützt die Begriffe von Demokratie, Freiheit, Rationalität und der Würde des Menschen sind philosophische Begriffe vornehmlich aus der Aufklärung, scheint sie momentan nicht in der Lage zu sein, jene Prinzipien auf wissenschaftliche und objektive Weise zu begründen. Infolgedessen vermag sie es weder diese Prinzipien den jungen Menschen nahezulegen noch jene mit überzeugenden philosophischen Argumentationen abzuwehren, die diese Prinzipien infrage stellen oder sogar angreifen. Die diktatorischen Ausbrüche der Demokratie des 20. Jahrhunderts sind unter anderem Folge der Tatsache, dass die jungen Demokratien nicht auf einer festen philosophischen Grundlage gegründet und daher auch nicht in der Lage waren, sich argumentativ energisch gegen die diktatorischen Auffassungen des Faschismus und Nazismus wie auch des Kommunismus aufzulehnen, welche hingegen äußerst vehement und argumentativ waren (wenn auch irreführend und ideologisch und nicht wissenschaftlich).
Diese Gefahr schwebt immer wie ein Damoklesschwert über den Demokratien, da sie noch heute nicht wissenschaftlich und somit unumstößlich begründet sind. Das Einzige, was uns vor populistischen und diktatorischen Tendenzen bewahrt, ist die Erinnerung an das, was diese im 20. Jahrhundert angerichtet haben. Diese Erinnerung wird mit der Zeit jedoch allmählich verwischen, da die Generationen, welche die Gräuel des Ersten und dann hauptsächlich des Zweiten Weltkrieges direkt oder indirekt durch die Erzählungen von Verwandten miterlebt haben, langsam aussterben.
Auf der Grundlage dieser Ausführungen kommt man deswegen zu folgendem Schluss: Es ist absolut grundlegend und unaufschiebbar, die Philosophie heute als Wissenschaft aufzubauen, indem man die hegelianische Sichtweise der Geschichte der Philosophie ernstnimmt und somit das letzte große philosophische System, eben das von Hegel, als bisherigen Endpunkt jener Disziplin ansieht. Von diesem vorläufigen Endpunkt aus muss man heute beginnen, ein zeitgenössisches Handbuch der Philosophie zu verfassen, das genau auf jenem philosophischen System basiert und es als das wissenschaftliche Resultat des Fortschritts der vorherigen Philosophie betrachtet. Wenn man die 200 Jahre bedenkt, die seit dem Tod des deutschen Denkers vergangen sind, bedarf sein System sicherlich einiger Modifikationen. Man sollte es zudem sowohl nach heutigen Kriterien, d.h. unter den heutigen historischen Bedingungen, als auch kritisch betrachten, indem man auch die Studien zu Hegels Philosophie berücksichtigt, die innerhalb des bereits genannten langen Zeitraum durchgeführt wurden.
Das philosophische System Hegels wird also aktualisiert bzw. mit den Augen dessen gelesen, der im Heute lebt und mit den aktuellen Problemen vertraut ist, die selbstverständlich andere sind als zu Zeiten Hegels. Außerdem wird der moderne Leser auch die Kritiken, die seinerzeit zu Recht an den deutschen Philosophen gerichtet wurden, kennen. Nichtsdestoweniger muss man trotz dieser problematischen Aspekte, wegen derer man die Philosophie Hegels auch mit kritischem Blick sehen sollte, anerkennen, dass es das letzte wahre philosophische System der Menschheit ist, also die letzte auf rigorose, ernsthafte und wissenschaftliche Weise erarbeitete Philosophie. Nach ihm waren die verschiedenen aufeinanderfolgenden Denker entweder reine Philosophiehistoriker, die das eine oder das andere vergangene philosophische System wiederaufgegriffen haben, oder erleuchtete Schreiber und Denker, die brillante Ideen in Form von eigenen subjektiven Meinungen hatten, die sie jedoch nicht systematisch und wissenschaftlich dargestellt und begründet haben.
Daher muss man bei Hegel wiederansetzen, sein System aktualisieren, die Fehler, die der Philosoph begangen hat, ermitteln und sie im Rahmen einer neuen Version seines philosophischen Systems korrigieren. Diese neue Version des absoluten Idealismus Hegels wird genau das PhilosophieHandbuch unserer Epoche darstellen, das für den Bereich der Philosophie den sogenannten „wissenschaftlichen“ Handbüchern der empirischen Wissenschaften entspricht. Die Philosophie ist eben auch eine wissenschaftliche Erkenntnisform, obwohl ihre Wissenschaftlichkeit anders ist als die der empirischen Wissenschaften, und einem entsprechenden Handbuch darf man keinen geringeren Wahrheitswert zuerkennen wie denen der Physik, der Chemie, Astronomie usw.
So erhalten sowohl die politischen Werte (Staat, Freiheit, Demokratie) als auch die ethischen Werte (Rationalität, Menschenwürde, Familie, Arbeit) auf strikte und ernsthafte Weise ein wissenschaftliches Fundament, das den jungen Menschen und unserer demokratischen Zivilisation gelehrt werden kann, einer von Philosophie tief durchdrungenen Zivilisation, die sich dessen häufig nicht bewusst ist. Dieses Handbuch soll die heutigen Demokratien davon bewusst machen und dabei klarstellen, dass ihre eigene Denk und Handelsweise eine philosophische Struktur besitzt.
2. Die allgemeinverständliche Form, in der die objektive, ernsthafte und wissenschaftliche Philosophie dargestellt werden soll
Eben weil es für die Grundlagen unserer Gesellschaft von entscheidender Bedeutung ist, soll dieses Handbuch der Philosophie in einer allen Menschen zugänglichen Form verfasst werden und darf nicht den Gelehrten seiner Disziplin vorbehalten sein. Die Leserschaft, an die es sich wendet, ist das große Publikum all derer, die eine durchschnittliche Schulbildung sowie kulturelles und somit allgemein philosophisches Interesse besitzen und die auf der Suche nach der Wahrheit sind. Es richtet sich außerdem insbesondere an diejenigen, die sich von der traditionellen Religion abgewendet haben und sie nicht mit etwas Vergleichbarem, jedoch Rationalem ersetzen konnten, mit dem sie sich die Welt und das menschliche Leben hätten erklären können. Dabei handelt es sich um ein heutzutage enorm starkes und verbreitetes Bedürfnis nach einer rationalen ‚Weltanschauung‘ bzw. einer religiösen Philosophie, d.h. nach einer Philosophie, die nicht als akademische Disziplin, sondern als Orientierungshilfe für das Leben verstanden wird, nach einer undogmatischen Religion sozusagen, die mit der Vernunft konform geht.
Die Philosophen in der Zeit von Kant bis Hegel beschäftigten sich vor etwa 200250 Jahren in Deutschland genau mit dieser Problematik und sahen so auf bemerkenswerte Weise unsere Zeiten voraus. Das, was sie als intellektuelle und philosophische Avantgarde fühlten und lebten, ist nunmehr Bedürfnis all jener, die auf der Suche nach einer rationalen und objektiven Wahrheit sind, weil sie sich zwar von der traditionellen Religion abgewendet haben, aber die bloße atheistische Negation aller objektiven Werte nicht akzeptieren. Auf diese Suche gibt es derzeit noch keine ernsthafte und auf philosophisch allgemeinverständlicher Ebene gültige Antwort. Die vorliegende Publikation soll diese große Lücke im Bildungsangebot füllen.
3. Die europäische Identität als philosophische Identität
Was den Bezug zum gegenwärtigen Zeitgeschehen betrifft, so möchte dieses Büchlein als philosophische Unterstützung zum Prozess der europäischen Einigung beitragen. Denn heute gibt es einen Bedarf an mehr, nicht an weniger Europa. Man benötigt aber ein wahres Europa, nämlich endlich die ‚Vereinigten Staaten von Europa‘. Diese sollten auf gewissen ethischen Werten gegründet werden, auf dem Ergebnis der Geschichte der Philosophie, die eben grundsätzlich, wie bereits gesagt, ein europäisches Phänomen darstellt. Durch diese Geschichte wurde das europäische Volk geprägt, das seine Gedanken und sein Verhalten an rationalen Werten wie Freiheit, Demokratie und sozialer Gerechtigkeit orientiert.
Aber es gibt vor allem einen Hauptwert, den die Vereinigten Staaten von Europa in der Welt vertreten: den des Friedens. Länder, die sich bis vor nur 70 Jahren Jahrhunderte und Jahrtausende lang gegenseitig bekämpft und zerstört haben, haben verstanden, dass dies der falsche Weg ist, und haben sich in gegenseitigem Einverständnis zu einem kontinentalen Gefüge vereint, innerhalb dessen es heute absolut undenkbar wäre, dass ein Krieg ausbräche. Dies ist für die ganze Welt ein großes Beispiel von Brüderlichkeit, Frieden, ethischem Ernstes und Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen! Es ist die Erlangung der ‚europäischen philosophischen Identität‘ als Volk und als Staat, der von der Geschichte definitiv dazu bestimmt ist, zuerst in seinem Inneren und dann in der ganzen Welt Frieden zu stiften. Das ist die historische und philosophische Bedeutung Europas.
Es liegt an uns, diese Bedeutung zu verstehen, sie wirklich zu wollen und in unserem alltäglichen Leben zu verwirklichen. Wir sollten stolz darauf sein, Europäer zu sein, und wir sollten uns in unserem Herzen als Träger einer rationalen Botschaft weltweiten Friedens fühlen. Das ist unsere historische Aufgabe, unsere ethische und politische Pflicht.
Auch wenn wir derzeit in Europa eine kritische Phase durchmachen und uns die in Brüssel getroffenen Entscheidungen nicht immer überzeugen, wie uns die Entscheidungen jeglicher, auch nationaler Regierung manchmal nicht überzeugen können, darf uns dies niemals die ethische und politische Bedeutung der Vereinigten Staaten von Europa vergessen lassen. Wenn wir endlich von der Währungs und Wirtschaftseinheit zur politischen Einheit übergehen werden und es einen echten und wirklichen europäischen Staat geben wird, wird sich das politische Spielfeld der Welt ändern. Europa wird auch gegenüber den USA und den anderen Weltmächten die Stimme erheben können und dabei in der Lage zu verlangen sein, dass die Friedensbotschaft, die es in seinem Innern geltend gemacht hat, auch außerhalb seiner Grenzen, also auf der gesamten Welt, Geltung bekommt. Die Welt braucht diese große Friedensmacht. Wir alle sollten hoffen, dass dies zeitnah geschehen kann, und wir alle sollten uns bemühen, dies zu ermöglichen, für das Wohl unserer Kinder und der gesamten Menschheit.
Die Zeiten der europäischen Nationalstaaten sind vorbei. So wie aus Dörfern Städte wurden, aus Städten Regionen und aus Regionen Nationalstaaten, ist jetzt der Moment gekommen, in dem die Nationalstaaten zu einem europäischen Kontinentalstaat verschmelzen. Das ist der politische Schritt, der in den kommenden Jahrzehnten in Europa getan werden soll. Das ist der Sinn der europäischen Geschichte.
Dieses kleine Büchlein soll zeigen, was es bedeutet, “Europäer” zu sein bzw. das eigene Leben nach der Philosophie und – was den Staat betrifft das politische Leben nach dem absoluten Gut des Friedens auszurichten, ohne den es weder Freiheit noch Gerechtigkeit noch Wohlergehen noch irgendeinen menschlichen Wert geben kann.
Jenseits der nationalen Unstimmigkeiten zwischen den europäischen Völkern, die es durchaus noch gibt, die aber von Jahr zu Jahr unbedeutender werden, gibt es eine gemeinsame europäische Mentalität. Genau diese gemeinsame Mentalität ist es, die dieses Büchlein ans Licht bringen und hervorheben möchte. Die europäischen Völker sollen über sie bewusst werden, über etwas, das eigentlich schon Tatsache ist: ihre Wertegemeinschaft. Sind sie sich einmal über sie bewusst, werden sie sicher und klar beurteilen können, welche die wirklichen Werte sind, die sie verbinden, und so werden sie verstehen, dass diese das Resultat ihrer Geschichte und somit der Geschichte der Philosophie sind.
Echte und radikale Differenzen über die ethischen Werte und somit über die richtige Lebensweise gibt es nämlich zwischen den europäischen Ländern mittlerweile nicht mehr. Daher ist die Zeit reif, von der Währungs und Wirtschaftseinheit zu einer ethischen und politischen Einheit überzugehen. Das europäische Volk ist gerade dabei, geboren zu werden, und hat das Recht, wie jedes andere Volk auch, einen echten eigenen Staat zu haben, der es vertritt: eben die Vereinigten Staaten von Europa.
Wir sollen alle hoffen, dass dies passiert, und uns darum bemühen, dass es auf bestmögliche Weise und bald geschieht! Dieses Büchlein soll einen wichtigen Beitrag zur Gründung der Vereinigten Staaten von Europa liefern, indem es theoretisch erläutert, was es bedeutet, „Europäer“ zu sein. Aus diesem Grund trägt es einerseits den Titel Philosophie für alle, weil es sich an all die richtet, die das Leben und die Ethik aus einer rein rationalen Perspektive verstehen wollen; Andererseits trägt es den Untertitel Manifest für die philosophische Identität Europas, da es die fundamentalen Werte nachzeichnet, auf die sich die Vereinigten Staaten von Europa stützen sollen, weil sie bereits die Mentalität des Großteils der europäischen Bürger prägen.
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