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ZWEITES STADIUM
(1805, zweite Hälfte?)
Entstehung der Auffassung des absoluten Wissens als ’Wissenschaft’
Hauptquelle: "C. Die Wissenschaft"
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Dieser weitere intellektuelle Fortschritt Hegels besteht in der Ausarbeitung des Grundprinzips seines gesamten Denkens, desjenigen, das letztlich den gesamten Diskurs des jungen Philosophen in diesen zwanzig Jahren der Entwicklung seines Denkens zusammenfasst, die 1785 mit den Seiten des Tagebuchs begannen.
Der Text "C. Die Wissenschafft", dessen Abfassung schwer genau zu lokalisieren ist, aber auf jeden Fall auf diese beiden Jahre 1805-06 der Vorarbeiten zur "Phänomenologie des Geistes" zurückgeht, enthält wahrscheinlich zum ersten Mal, zumindest auf der Grundlage der uns überlieferten Texte, Hegels Auffassung des absoluten Wissens. Unserer Meinung nach hängt diese Auffassung sowohl mit der Auffassung im Text über die "Fortsetzung des Systems der Sittlichkeit" zusammen, in dem die Philosophie als die wahre Religion und die Vollendung der religiösen Geschichte der Menschheit verstanden wird, als auch mit der Auffassung vom Höchsten Wesen, die für das Manuskript über Logik und Metaphysik von 1804-05 charakteristisch ist. Der Text "C. Die Wissenschafft" scheint den in den beiden vorangegangenen Texten geführten Diskurs zu seinen logischen Schlüssen zu führen..
Wenn die Philosophie in der Tat die wahre Religion, die absolute Religion, darstellt und als solche die religiöse Entwicklung der Menschheit abschließt, oder in der Sprache Hegels, den Weg der Versöhnung des Menschen mit der Natur, und wenn dieser ’Abschluss’ dank des Verständnisses des höchsten Wesens oder Logos, der absoluten, subjektiven und objektiven Vernunft, möglich ist, die das gesamte Universum mit sich selbst durchdringt, indem sie unbewusst in der Natur und bewusst im Geist gegenwärtig ist, ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass eine solche Erkenntnis, eine solche philosophische Sicht der Wirklichkeit, in dem Prozess besteht, durch den das An-sich, die absolute Substanz, die das Universum mit sich durchdringt, im Geist, d.h. im Menschen, sich seiner selbst bewusst wird, indem es sich in sich selbst ein Anderes, d.h. die Natur, aber auch die Geschichte, entgegensetzt und dennoch begreift, dass dieses Andere letztlich es selbst ist in seiner eigenen Selbstentfaltung in der Welt, also in seinem eigenen Für-sich-sein.
Ein solches Wissen und Selbstbewusstsein ist absolutes Wissen, d.h. das Wissen, das das Absolute von sich selbst als Protagonist im Prozess der Weltkonstitution hat. Vielleicht einfacher ausgedrückt könnte man auch sagen, dass die menschliche Vernunft, nachdem sie sich durch das Begreifen der Logik-Metaphysik zur absoluten Vernunft erhoben und sich so als das Höchste Wesen der Welt, als das erste Prinzip von allem erkannt hat, den logischen Prozess ihres Werdens zur Welt, ihres Erschaffens der Welt, in sich selbst, also im Denken, rekonstruiert.
Das Ergebnis dieser Rekonstruktion ist das philosophische System, das Hegel in dieser Periode bereits formuliert hat, wie wir gesehen haben, obwohl ihm noch der letzte Teil fehlt, genau der Teil, den er jetzt hinzufügen kann, nachdem er in diesen Texten des Jahres 1805, also in der Fortsetzung des Systems der Sittlichkeit und in "C. Die Wissenschaft", die Vision der absoluten Religion und der absoluten Philosophie, d.h. des absoluten Wissens als das Wissen, das das Absolute gerade durch das philosophische System von sich selbst hat, vollständig ausgearbeitet hat.
Das letzte Kapitel des philosophischen Systems wird so zur allgemeinen Synthese von allem, zum Verständnis dessen, was das System selbst darstellt, d.h. das ideale Schema der Welt, die Idee der Welt, die sich in der Welt durch die Macht verwirklicht, die das Absolute, der Schöpferlogos, in sich selbst hat.
Das Verständnis der Welt durch das philosophische System ist in idealer, begrifflicher und synthetischer Form das, was die Welt in realer, materieller und analytischer Form ist.
Dieses absolute Wissen ist für Hegel die Wissenschaft, d.h. das begriffliche Gebäude der Erkenntnis, dem er später den Namen "Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften" gab. Es gibt nur abstrakt mehrere Wissenschaften, denn sie müssen zusammengefügt werden, um die Idee der Welt, den Begriff der Welt zu bilden, und diese Operation ist die Aufgabe der Philosophie, die einerseits den Menschen zur Erkenntnis des Absoluten führt und damit die Religion zur Vollendung bringt, und andererseits die Einzelerkenntnisse der empirischen Wissenschaften synthetisch zusammenführt und damit das Erkenntnisunternehmen des Menschen, eben die Wissenschaft, zur Vollendung bringt.
Kurz gesagt, die Philosophie bildet die Vollendung sowohl der Religion als auch der Wissenschaft.
Was die Datierung angeht, ist unserer Meinung nach dieser Text mehr oder weniger in der zweiten Hälfte des Jahres 1805 anzusiedeln, auf jeden Fall zwischen dem Text über die "Fortsetzung des Systems der Sittlichkeit", den er voraussetzt, und dem abschließenden Kapitel des Systems, das Hegel der neuen Fassung seines Systems, derjenigen der letzten beiden Jenaer Jahre 1805-06, anfügen wird. Dieses Kapitel enthält in der Tat, wie wir im folgenden Stadium sehen werden, beide Hegelschen Visionen der Philosophie vereint, sowohl diejenige, die sich auf die Philosophie als Erfüllung der Religion bezieht, als auch diejenige, die auf die Philosophie als Erfüllung der Wissenschaft verweist, während Hegel in den beiden in den letzten beiden Stadien untersuchten Texten zu diesen Visionen einzeln gekommen ist. Das dritte Stadium wird der synthetische Moment sein, wie wir jetzt sehen werden.
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