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DRITTES STADIUM
(1804-05)
Die wissenschaftliche Erkenntnis des Absoluten
in der ersten vollständigen "Logik-Metaphysik"
Hauptquelle: Systementwurf II
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In der "Logik-Metaphysik" von 1804-05 behandelt und löst Hegel zum ersten Mal genau die Frage der wissenschaftlichen, also objektiv wahren Erkenntnis des Absoluten. Historische Religionen, das hatte er am Ende des Systems der Sittlichkeit gut verstanden, führen zu Erkenntnisformen des Absoluten, die nicht absolut sind, sondern relativ zu einem bestimmten Volk und einer bestimmten historischen Epoche. Will man eine absolute, also an jedem Ort und zu jeder Zeit wahre Sittlichkeit begründen, braucht man offensichtlich eine absolute, d.h. raumzeitlich nicht gebundene Religion.
Dies ist nur auf einer begrifflichen Ebene möglich, durch die rein logische Konstruktion eines kategorialen Systems, das den Begriff des Absoluten ausmacht, den Hegel in diesem Stadium als ‚das höchste Wesen‘ definiert. Es ist das, was die Welt und offensichtlich auch den Menschen erschafft, was sich in der Welt verwirklicht, die Substanz, die allem, was ist, zugrunde liegt. Es ist der Begriff der Welt, der als solcher kein abstraktes Allgemeines ist, sondern das, was sich in der Welt verwirklicht hat und ständig weiterhin verwirklicht.
"Es ist erwiesen, daß das höchste Wesen das einzige und allein, das An sich ist. Es ist unendlich herausgekehrtes, das unendlich erschaffen hat, aber dessen Schöpfung das insofern in ihr sich das einzelne als individuelles absondert, in der That nur die Negation ist; dieses was so negirt ist, hat allein den Widerspruch in sich, sich al Negation zu halten, und doch, da es nur Negation ist, als sich erhaltend, zurückzukehren in die Nichtexistenz und in das höchste Wesen." (GW7, S. 153,25-30).
Hegel verwendet in diesem Zusammenhang zum ersten Mal den Begriff „Construction“. Der Beweis der Wahrheit des Absoluten, das als das höchste Wesen verstanden wird, ist seine eigene logische ’Construction’, d.h. die Entwicklung der Argumentation, die von einem anfänglichen Moment, das in diesem Manuskript leider fehlt, zum letzten Moment des Verständnisses des höchsten Wesens führt. Dieses höchste Wesen darf nicht auf irgendeine Weise dargestellt werden, was die Religion tut, denn jede Darstellung würde einen raum-zeitlichen, also endlichen Bezug implizieren. Es ist das Unendliche, das sich im Endlichen verwirklicht, es erschafft und sich in dieser Schöpfung verwirklicht.
So Hegel:
"Im absoluten Geiste ist Construction und Beweis absolut Eins. Jenes Theilen ist dasjenige, was in dem Beweise sich als Eins darstellt; in diesem nemlich ist die sichselbstgleiche Einheit und die Unendlichkeit was sich als Eins setzt; und diese beyden sind auch allein die Theile der Construction. Die Construction selbst ist nothwendig, als solche; denn sie selbst ist eins mit dem Beweise, oder der Geist ist an sich diß, daß er sich als Geist findet, und das worin er sich findet, oder vielmehr das, was er als sich findet, ist die Unendlichkeit; er ist nur als diß sich findende, und diß ist die Nothwendigkeit seiner Theilung in sich selbst, und in das Andre seiner selbst, was das für sichseyende absolute Andre, oder das Andre an ihm selbst, das Unendliche ist." (GW7, S. 174,4-13).
Der notwendige logische Beweis ist die dialektische Argumentation selbst, wobei die Entwicklung der reinen Begriffe oder Kategorien uns durch logische Notwendigkeit zu dieser Schlussfolgerung führt, nämlich dass das Sein, die Welt, die Verwirklichung des höchsten Wesens ist. Diese notwendige und verbindliche Entwicklung der reinen Begriffe ist die Präsenz des höchsten Wesens im denkenden Menschen. In Bezug auf diese Präsenz muss der Mensch ein passiver Zuschauer sein, sich nicht weiter einmischen, denn die reinen Begriffe haben ihre eigene logische Notwendigkeit in sich, der der Philosoph nur seine Stimme leihen, aber nicht frei gestalten darf.
Diese intrinsische oder immanente Notwendigkeit der Begriffe in ihrer Ableitung voneinander ist die Objektivität, die den wissenschaftlichen Charakter der Erkenntnis des absoluten Wesens garantiert. In einer solchen Welt kehrt das absolute Wesen, das die endliche Welt, also die Natur und den Geist, erschaffen hat, in der Philosophie zu sich selbst zurück, die die Selbsterkenntnis des höchsten Wesens durch den Prozess der logischen ’Construction’ ist.
Sie wird daher als der Logos bezeichnet, die logische Struktur, die der endlichen Welt zugrunde liegt und in der Geschichte der Philosophie zum Selbstbewusstsein aufsteigt. Die Geschichte der Philosophie ist der Prozess, durch den das höchste Wesen zur Selbsterkenntnis kommt. Das heißt, zu seiner Darstellung in der Welt in reiner Form, während es in der Natur und im Leben des Geistes in empirischer, unreiner Form vorhanden ist, immer vermischt mit etwas Materiellem.
Deshalb kann Hegel um 1804 die Schellingsche Auffassung, wonach das Absolute in der Kunst erscheint, nicht mehr akzeptieren, da die Kunst, wie die historische Religion, immer ein empirisches Element enthält und daher niemals ein vollständiger Ausdruck des Absoluten sein kann.
Nur die Philosophie kann ein solcher Ausdruck sein, insbesondere die Logik-Metaphysik, weil sie sich mit reinen Begriffen beschäftigt, die frei von jeglichem empirischen Bezug sind und die die logische Struktur des Absoluten und Höchsten Wesens bilden.
Auf diese Weise zeigt Hegel in seinem Manuskript über „Logik und Metaphysik“ von 1804-05, dass er klar verstanden hat, welches der Weg zu einem objektiven, wissenschaftlichen Verständnis des Absoluten ist. Damit hat er die am Ende des Manuskript "System der Sittlichkeit" aufgeworfene Frage nach der absoluten Religion, die eine absolute Ethik begründen kann, gelöst. Die absolute Religion ist die dialektische Logik-Metaphysik, d.h. der grundlegende Teil des philosophischen Systems, das er zu jener Zeit ins Leben rief. Dieses System gliedert sich in einen „idealen“ Teil, die Logik-Metaphysik, und einen „realen“ Teil, die Natur- und Geistesphilosophie. Die Logik-Metaphysik ist die Wissenschaft vom höchsten Wesen an sich selbst, während die Natur- und Geistesphilosophie die Wissenschaft vom höchsten Wesen außerhalb seiner selbst, der Natur, und zu sich selbst zurückkehrt, dem Geist, ist.
Die Philosophie, die höchste Stufe in der Entwicklung des Geistes, ist das Erscheinen des höchsten Wesens in seiner eigentlichen Form, der Form des Logos, und deshalb ist die ganze Wirklichkeit nichts anderes als das Erscheinen des höchsten Wesens in der Welt. So wie die Rose am Ende des Weges der Entwicklung aus dem Samen erscheint, so erscheint das höchste Wesen am Ende des Weges der Entwicklung der Welt. Das Ergebnis dieses Weges ist die Schöpfung, in der damaligen dialektischen Sprache Hegels auch „Construction“, der Welt. Das Resultat, das, was entstehen und erscheinen muss, bestimmt alle verschiedenen Schritte und Stufen, die zu seinem eigenen Erscheinen führen müssen. Das gilt für die Rose wie für die Welt als Ganzes. Es ist die logische Struktur des Seins an sich sowie eines jeden Seienden.
Damit hat Hegel 1804-05 den Kreis des wissenschaftlichen und philosophischen Wahrheitsverständnisses grundlegend geschlossen und kann nun sein eigenes philosophisches System ’schließen’ sowie die Ethik bzw. Sittlichkeit auf eine absolute, letztbegründete Weise begründen.
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