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Die drei Fehler der ökologischen Politik in den vergangenen Jahrzehnten...

Die drei Fehler der ökologischen Politik in den vergangenen Jahrzehnten...


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Die drei Fehler der ökologischen Politik
in den vergangenen Jahrzehnten...
bevor schließlich alle verlieren!

von

Luisa Neubauer

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In der ökologischen Politik wurden in den vergangenen Jahrzehnten drei große Fehler gemacht. Sie erklären einiges. Unter anderem warum eine grüne Kanzlerschaft zwar zwangsläufig im Raum steht, aber nicht zwangsläufig gut ist. Hier sind sie.

Erstens: Es wurde die Natur, die Außergewöhnlichkeit dieser politischen Krise verkannt. In jedem anderen Politikfeld lässt sich die Wucht einer etwaigen Krisenlage ein Stück weit verhandeln, lassen sich durch entschleunigende Sachdebatten die Dimension des Problems eindämmen. Oder es kann zumindest die beruhigende Aussicht in den Raum gestellt werden, dass der Größe des Problems entsprechend eine angemessen große Antwort folgen wird. Die Wucht, die Zerstörungskraft der Klimakrise aber ist nicht diskursiv verhandelbar. Entsprechend halten beschwichtigenden Worte auch keinen Zentimeter weiter als bis zum nächsten Extremwetterereigniss. Ablenkung, Ausrede. Es ergibt sich ein klimapolitisches Rückwärtstaumeln in Mitten molekularer Beschleunigung. Die Distanz zwischen dem Ist und dem Seinsoll wird dabei nicht nur täglich größer, der Weg wird auch steiniger, die Bewältigung der Strecke teurer und disruptiver, kummuliert also unwahrscheinlicher.

Die Konjunktur der „bitte keine Panik“-Beschwörer hält trotzdem an. Auch nach Rückschlägen, wenn dann doch mal Südamerika oder Australien brennt und die Debatte droht ernsthaft Realitäten zu verhandeln erholt sie sich die Fraktion bemerkenswert gut. Das ist keineswegs Paradox, verlangt es schließlich Jahr für Jahr mehr Verbissenheit, die Augen weiterhin so konsequent vor den wahren Ausmaßen dieser Krise zu verschließen. Enorme Anstrengungen werden benötigt in mitten der faktischen Allgegenwärtigkeit der Klimakrise ihre politische und ökolgische Zerstörungswucht zu dementieren. Es ist kein Wunder, dass die Sehnsucht nach Bestärkigung und Beschwichtigung wächst, egal von wo. Wir erleben den rasanten Aufstieg der ökologischen Ambiguitätsintoleranz. Das Ergebnis: Die ursprüngliche Fehlintepretation fossilisiert unter dem Gewicht der erwachsenden diskursive Verrenkungen. Je lauter die Krise, desto schriller die Töne jener, die unter allen Umständen die Lage im Griff haben. Angeblich. Keep calm and dig on.

Zweitens, die Klimapolitik wurde als politischer Antagonist inszeniert. Ein nörgelndes Ressort, dem man gelegentlich gönnerhaft etwas hinwerfen kann, ein Maßnahmenpaket, eine Zielvereinbarung, eine Absichtserklärung. Das alles aber sorgfältig dosiert, schließlich wurden unermüdlich die Narrative vom Klimaschutz als ultimative Belastung gestrickt. Wer predigt, der Klimaschutz würde die Wirtschaft ruinieren, und unseren Wohlstand gegen die Wand fahren, ach eigentlich das ganze Land kaputt machen, muss natürlich dafür sorge tragen, dass entsprechend wehrhaft tiefgreifende Klimaschutzmaßnahemn verhindert werden. Statt die Klimakrise als politische Krise anzuerkennen, die ihre Brisanz ausschließlich, und das lasse man sich auf der Zunge vergehen, AUSCHLIESSLICH, dadurch erlangt hat, weil politische Instanzen zum gegeben Zeitpunkt versagt haben, greift man zu eigenen Heroisierung und übernimmt die Rolle des Helden, der vor der selbstverschuldeten Notwendigkeit klimapolitischen Handels bewahrt. Verquer, I know. Ist nur viel praktischer disruptive Transformationen in Wirtschaft und Gesellschaft auf den bösen Klimaschutz zu schieben, als auf die eigene Kurzsichtigkeit und den politischen Opportunismus in den Jahren und Jahrzehnten davor. Klimaschutz wird zum Feind. Seine Helfer sind die Ökos und Greta Thunberg. Der Feind, der in der Ferne lauert und bereit ist, uns alles weg zu nehmen was uns lieb und teuer ist. Zum Beispiel Autos. Oder Nackensteaks, neuerdings.

Drittens, und das ist wohl der Fehler mit den klebrigsten, politischen Langzeitwirkungen, man hat die Frage des Klimaschutzes an die ökologische Linke ausgesourct. Damit hat man, und das hätte nie passieren dürfen, die Klimakrise in der politischen Arena einen Rang zu geordnet. Das ist dermaßen realitätsfern, offensichtlich, schließlich flutet sie das ganze Stadion während auf den kleinen Rängen links-unten Verantwortlichkeiten verhandelt werden. Da johlt dann die Volksparteien und bashen Klima-Maßnahmen nicht nur weil sie per so unbequem sind, Sie wissen schon, raum-zeitliche Verschiebung der Klimaproblematik und die höheren politischen Kosten schnellen Handelns, sondern auch noch, weil es politisch opportun ist. Und es funktioniert! Natürlich sind es die Grünen, die uns alles weg nehmen wollen, die uns doch bitte mal erklären sollen wie viel Verbote es denn NOCH braucht. Randnotiz: Das erklärt im Übrigen auch das verquere Verhältnis zwischen mir und den Grünen, sie haben dieses Label der Ökopartei nämlich zelebriert. Es hat sie groß gemacht, fair enough, nur haben sie es verpasst rechtzeitig Mehrheiten für die Sache zu mobilisieren, statt das Label zu polieren. Es sind auch die Defizite grüner Parteipolitik, die Fridays For Future notwendig gemacht haben. Das nur anbei.
Manche sagen Fridays For Future würde Grünenwahlkampf machen. Eine kluge Diskreditierungsstrategie, das erkenne ich an, aber im Grund natürlich falsch, schließlich sind wir es, die am Wasserstandszähler in besagten Stadion stehen und uns fragen warum zur Hölle die politischen Entscheider*innen des Landes die Augen nicht aufmachen, schwimmen können sie nämlich nicht. Es ist so zwar nachvollziehbar aber nicht verständlich, warum die Bundesregierung nicht gemütlich bis zur Bundestagswahl grüne Kern-Forderungen in tatsächlich fühlbarem Maße umsetzt, sich dann dafür, zu recht, feiern lässt, und souverän eine grüne Kanzlerschaft verhindert.

Sinnbildich für den gigantischen Erfolg, dabei die Klimapolitik am links-progressiven Rand zu marginalisieren ist es, dass mich das doch recht gut informierte Magazin FUTUR ZWEI allen ernstes fragt, ob ich nicht mal was schreiben könnte über meine Aussagen die Klimakrise sei keine links-rechts Krise, das sei ja eine so exotische Perspektive.

Letztendlich wird sich die Klimafrage nicht daran aufhängen, wie viele Stimmen die Grünen oder Linken bekommen. Die Fragmentierung der politischen Landschaft lässt schon lange nicht mehr zu, dass Parteien im Alleingang die Verhältnisse umkrempeln (außer man wabert im Außerdemokratischen und heißt Afd, das würde aber hier jetzt zu weit führen), und dies als Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse betrachtet, legt auch die Vermutung nahe, dass die benötigten Transformationen schon Lichtjahre vor der Umsetzung toxische Fronten jenseits gut und böse aufmachen würden. Darüber hinaus gilt es eben ökologische Politik als den den fruchtbaren Boden (natürlich, politisch, wirtschaftlich) zu verstehen, auf dem Gesellschaftspolitik erst fußen werden kann. Politische Visionen, die die ökologische Dimension ausklammern müssen ins wanken geraten - wie könnten sie schon Wurzeln schlagen?

Die Klimafrage wird von der Geschwindigkeit entschieden werden, mit der das demokratische politische Parteienspektrum begreift, dass die Qualifikation zum politischen Wettbewerb im 21. Jahrhundert eine klimapolitische Überlebensstrategie ist, die sich an klimaphysikalischen Realitäten orientiert. Und die muss, das ist eine weitere neue Regel, so ehrlich, aufrecht und gesellschaftsnah sein, dass sie verheißungsvoller sein kann als die Polemik der AfD. Beim verzweifelten Versuch eine Koaltion an diesen neuen Taktgebern vorbei zu lotsen um mit allen Mitteln eine drohende Regierungs-Explosion zu verhindern, sind in diesem Land zuletzt zwei Volksparteien implodiert. Im besten Falle hält das Beben an und bricht ein paar weitere Krusten auf. Ob Linke, sozialdemokraten oder konservative am Ende des Tages den Takt vorgeben, wenn es um Klimaschutz geht, steht zur Disposition. (Vielleicht sogar die Liberalen, wenn die sich nochmal einkriegen sollten.) Ich vermute darüber hinaus, dass wir da noch so einige unerwartet Allianzen erleben, das gehört auch zur Schönheit von disruptiven Wandel. Wer nur heute nicht begreift, dass der Wettbewerb manifester ökologischer Programmatiken kein linker ist, wer nicht die großen Fehler der Vergangenheit zu erkennen und einzulenken weiß, hat schon verloren. Gewinnen werden dann erst die Grünen und später die Populisten. Bevor schließlich alle verlieren.

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