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Merkmale Interkultureller Dialoge

Merkmale Interkultureller Dialoge

*
Merkmale Interkultureller Dialoge: Die Analyse eines Gesprächs
zwischen der Imamin Seyran Ates und dem Kirchenhistoriker Christoph Markschies

von

Stefan Burkmann

*


Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1     Einleitung1
2    Merkmale Interkultureller Dialoge nach Kimmerle
3     Bedeutungsorientiertes Kulturverständnis nach Reckwitz
4     Analyse der Kulturen der Gesprächspartner*innen
5     Analyse der Merkmale Interkultureller Dialoge anhand des Interviews mit Seyran Ates und Christoph Markschies
6    Schlussbetrachtungen
Anhang
Verzeichnis der Anhänge
Literaturverzeichnis


Abkürzungsverzeichnis
DITIB    Diyanet Işleri Türk Islam Birliǧi (Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion)
EKD    Evangelische Kirche in Deutschland
 
1     Einleitung
„Einen eifersüchtigen Gott gibt es in jeder Religion. Gut, dass die Imamin Seyran Ateş und der Theologe Christoph Markschies keine Rechthaber sind (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 3-4).“

In seinem Beitrag über Interkulturelle Dialoge äußert Heinz Kimmerle, dass es für Fragen wie die gerechte Verteilung der Ressourcen der Erde oder den Umgang mit der Kernenergie noch keine überzeugenden und praktikablen Lösungsvorschläge gibt (vgl. Kimmerle 2004: 189). Interkulturelle, philosophische Dialoge sind auf die gemeinsame Klärung von Sachverhalten durch die Gesprächspartner*innen gerichtet (vgl. Kimmerle 2004: 184). Das spezifische Wissen, das sich in philosophischen Dialogen zeigt, können die Beteiligten nicht allein aus sich selbst hervorbringen, sondern sie entwickeln es durch das gemeinsame Gespräch (vgl. Kimmerle 2004: 188). Kimmerle argumentiert, dass es angesichts der heutigen, weltweiten Problemlage des spezifischen Erkenntnisgewinns Interkultureller Dialoge bedarf, und dass die Möglichkeiten Interkultureller Dialoge zur Lösung der Probleme genutzt werden müssen (vgl. Kimmerle 2004: 189).

Das Seminar „Nationale, europäisch-kontinentale oder kosmopolitische Identität? Von einem rein philosophischen Standpunkt aus betrachtet, sind wir Deutsche, Europäer und/oder Weltbürger?“ ist Teil des Moduls „Wissenschaft lehrt Verstehen“ an der Leuphana Universität Lüneburg. In dem Seminar wurden mit der Überwindung der Grenzen zwischen Nationalstaaten und der Gründung eines Weltstaates globale Herausforderungen diskutiert. In seinem Buch „Philosophie für alle (1.0) – Manifest für die philosophische Identität des europäischen Volkes“ erörtert Marco De Angelis, dass die Schaffung eines Weltstaats auf der schöpferischen Vernunft und der substanziellen Freiheit  der Menschen basiert (vgl. De Angelis 2016: 54). De Angelis betont, dass die politische Form eines Weltstaates eine Demokratie sein müsse, weil diese allen Menschen politische Kreativität zukommen lässt (vgl. ebd.).

Toleranz und friedliches Zusammenleben in und zwischen Religionsgemeinschaften sowie die Beschränkung von Menschenrechten durch religiöse und andere kulturelle Bräuche sind weitere Herausforderungen unserer Welt. In einem Interview aus dem Jahr 2018 sprechen die Imamin Seyran Ates und der Kirchenhistoriker Christoph Markschies über diese und andere religionsbezogene Themen (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018). Das Ziel der Arbeit besteht darin, herauszufinden, ob es sich bei dem Gespräch zwischen Ates und Markschies um einen Interkulturellen Dialog handelt. Des Weiteren ist von Interesse, zu welchen Erkenntnissen die beiden Akteure durch den gemeinsamen Austausch kommen.

Die theoretischen Grundlagen der Arbeit bilden die Merkmale Interkultureller Dialoge nach Heinz Kimmerle und das bedeutungsorientierte Kulturverständnis nach Andreas Reckwitz, die in den Kapiteln 2 und 3 vorgestellt werden. Auf Basis des bedeutungsorientierten Kulturbegriffs werden in Kapitel 4 die Kulturen von Seyran Ates und Christoph Markschies analysiert. In den Kapiteln 4 und 5 wird mithilfe der Merkmale Interkultureller Dialoge untersucht, ob es sich bei dem Gespräch zwischen Ates und Markschies um einen Interkulturellen Dialog handelt. Die Arbeit schließt mit einem Kapitel, in dem aufbauend auf den Analyseergebnissen die Möglichkeiten Interkultureller Dialoge zur Lösung von Problemen diskutiert werden.

2    Merkmale Interkultureller Dialoge nach Kimmerle
In seinem Aufsatz „Dialoge als Form der interkulturellen Philosophie“ aus dem Jahr 2004 legt Heinz Kimmerle vier wesentliche Merkmale Interkultureller Dialoge dar: Zu diesen Charakteristika zählen (1) die Gleichzeitigkeit der angestrebten Gleichheit und Verschiedenheit der Gesprächspartner*innen, (2) die Offenheit hinsichtlich der zu erwartenden Ergebnisse in Dialogen, (3) die nicht diskursiv-sprachlichen Mittel der Verständigung (z. B. Blickkontakt, Gestik und Tonfall) und (4) der spezifische Erkenntnisgewinn in Dialogen, besonders in interkulturell philosophischen Dialogen (vgl. Kimmerle 2004: 179-189).

Für Kimmerle haben sich Dialoge als nützliche und geeignete Kommunikationsform für die Theorie und Praxis der Interkulturellen Philosophie erwiesen (vgl. Kimmerle 2004: 172). Er untermauert diese These mit zwei Begründungen: Zum einen sei die Interkulturelle Philosophie in ihrer bisherigen Vollzugsform dialogische Philosophie (vgl. ebd.). Kimmerle erklärt, dass die Fragen und Argumentationszusammenhänge verschiedener Philosophien aufeinander einwirken, wenn man sie nebeneinander stellt (vgl. Kimmerle 2004: 172-173). Es werden Übereinstimmungen und Unterschiede sichtbar und man kann erkennen, welche der Philosophien zu den betrachteten Themen die besseren Argumente hat (vgl. Kimmerle 2004: 173). Durch diesen Austausch entstehen laut Kimmerle die Bedingungen für Interkulturelle Philosophie (vgl. ebd.).

Zum anderen thematisiert Kimmerle, dass jede Kultur über eine ihr gemäße Philosophie verfügt, und dass die Interkulturelle Philosophie nach Dialogen zwischen den Philosophien aller Kulturen strebt (vgl. Kimmerle 2004: 172). Von Interkultureller Philosophie könne man erst sprechen, wenn die Philosophien aller Kulturen an diesen Dialogen beteiligt sind bzw. sein können (vgl. ebd.). Vor diesem Hintergrund beschränkt sich die Interkulturelle Philosophie nicht nur auf die westlichen und östlichen Philosophien, sondern schließt durch ihre Form des philosophischen Gesprächs die Philosophien jener Kulturen (z. B. Philosophien im subsaharischen Afrika) ein, die primär mündlich kommuniziert und überliefert werden (vgl. Kimmerle 2004: 173-174).

Nach dieser kurzen Darstellung der Bedeutung der Dialoge für die Interkulturelle Philosophie sollen die vier Merkmale Interkultureller Dialoge erklärt werden:

(1)    Gleichzeitigkeit der angestrebten Gleichheit und Verschiedenheit der Gesprächspartner*innen
Dieses erste Merkmal stellt die Hauptbedingung für Interkulturelle Dialoge dar (vgl. Kimmerle 2004: 179-180). Es bedeutet, dass die Personen in einem Gespräch ihrem Rang nach gleich sind bzw. versuchen, Gleichheit soweit wie möglich herzustellen (vgl. Kimmerle 2004: 180). Hinsichtlich ihrer Rolle im Gespräch und ihrer inhaltlichen Auffassungen müssen sich die Gesprächspartner*innen aber unterscheiden (vgl. ebd.). Damit es zu einem Dialog kommt, müssen diese beiden Bedingungen erfüllt sein (vgl. ebd.).

Als ein Beispiel für die Gleichzeitigkeit von Gleichheit und Verschiedenheit der Gesprächspartner*innen können die Dialoge zwischen dem Philosophen Sokrates und jungen Männern auf dem Marktplatz in Athen vor ca. 2400 Jahren betrachtet werden (vgl. Kimmerle 2004: 175). Sokrates war den anderen Männern durch seine überragende Kompetenz dem Rang nach überlegen (vgl. Kimmerle 2004, 176). Aber er versuchte diese Asymmetrie auszugleichen, indem er sich darauf verlegte, seinen Gesprächspartner*innen Fragen zu stellen, und nahezu keine eigenen inhaltlichen Aussagen formulierte (vgl. Kimmerle 2004: 176-177). Die Rolle Sokrates bestand darin, das Gespräch durch das Stellen der richtigen Fragen zu leiten und die Antworten zur Klärung eines Sachverhalts aus seinen Gesprächspartner*innen hervorzulocken (vgl. Kimmerle 2004: 176-178). Die anderen beteiligten Personen brachten auf Basis der Fragen die Erkenntnisse in den Dialog ein, die zur Klärung der Sachverhalte benötigt wurden (vgl. ebd.).

Mit Blick auf die Analyse im vierten und fünften Kapitel, in der ein Gespräch zwischen zwei Vertreter*innen unterschiedlicher Religionsgemeinschaften untersucht wird, interessiert auch, was Kimmerle über den Dialog zwischen verschiedenen Religionen formuliert:

„[Der] Umgang der Religionen miteinander […] ist daraufhin zu untersuchen, inwiefern er auf der Grundlage von Toleranz stattfindet und ob diese Grundlage tragfähig ist. Traditionell ist das Verhältnis zwischen den Religionen durch den Absolutheitsanspruch belastet, den viele von ihnen für sich erheben. […] Wenn ein Christ und ein Buddhist, ein Jude und ein Moslem oder ein Hindu und ein Anhänger des Daoismus den Schritt vollziehen, dass sie miteinander Dialoge führen wollen, genügt es nicht, dass sie sich gegenseitig tolerieren. Auch wenn sie ihren Absolutheitsanspruch, jeder die allein wahre Religion zu sein, nicht aufgeben, müssen sie darauf verzichten, sich gegenseitig missionieren zu wollen (Kimmerle 2004: 181).“

Vor diesem Hintergrund wird es in der Analyse interessant sein, zu beobachten, ob sich Seyran Ates und Christoph Markschies so akzeptieren, wie sie sind, oder ob ihre Zugehörigkeit zu verschiedenen Religionsgemeinschaften zu Spannungen im Gespräch führt.

(2)    Offenheit hinsichtlich der zu erwartenden Ergebnisse in Dialogen
Wenn Personen über ein Thema sprechen, über das sie ein Vorverständnis besitzen, oder das zumindest ihr Interesse hervorruft, stellt dieses Thema einen Bezugsraum dar, der sie verbindet und in ihren Standpunkten frei lässt (vgl. Kimmerle 2004: 183). Die Resultate eines Gesprächs stehen nicht im Voraus fest, sondern entstehen erst im Verlauf des Dialogs (vgl. Kimmerle 2004: 184). Die Offenheit für die Ergebnisse eines Dialogs setzt eine Minimierung der Macht-/Rangunterschiede zwischen den Gesprächspartner*innen voraus (vgl. ebd.). Das zeigt sich bereits in den platonischen Dialogen, in denen Sokrates versuchte, die Asymmetrie zwischen sich und den anderen Personen auszugleichen (vgl. Kimmerle 2004: 176-178). Außerdem verdeutlichte Sokrates, dass die Erkenntnisse der Unterredungen nicht die seinen sind, sondern von seinen Gesprächspartner*innen eingebracht werden und an den Verlauf des Dialogs gebunden sind (vgl. ebd.).

Des Weiteren gehört zur Offenheit in Dialogen, dass es bleibende Elemente des Nichtverstehens gibt (vgl. Kimmerle 2004: 184). Kimmerle äußert dazu:

„Wichtig ist, dass ich die Auffassungen des Anderen gelten lasse, auch wenn ich sie im eigenen Verständnishorizont nicht unterbringen kann. Dieses Geltenlassen beruht auf dem Vertrauen zu dem Partner, der sich der Situation des Dialogs ausgesetzt hat (Kimmerle 2004: 184-185).“
 
(3)    Nicht diskursiv-sprachliche Mittel der Verständigung
Neben den Inhalten der gesprochenen Worte werden in Dialogen weitere Informationen ausgetauscht, die die Gesprächspartner*innen über verschiedene Sinne wahrnehmen können (vgl. Kimmerle 2004: 186-187). Kimmerle spricht hier von „multisensorische[n] Wechselbezüge[n]“ (Kimmerle 2004: 187). Dazu gehören u. a. der Blickkontakt, die Gestik und der Tonfall (vgl. Kimmerle 2004: 186-187). Diese nicht diskursiv-sprachlichen Mittel begleiten den Dialog, spielen eine Rolle im Prozess des gegenseitigen Verstehens, stimulieren die Aufmerksamkeit und vermitteln Gefühlsaspekte des Gesagten (vgl. Kimmerle 2004: 187). Des Weiteren kann man auch die Rhetorik zu den nicht diskursiv-sprachlichen Mitteln zählen, die dem Gesagten Überzeugungskraft und Nachdruck verschafft und so seine Wirksamkeit steigert (vgl. Kimmerle 2004: 187-188).
 
(4)    Spezifischer Erkenntnisgewinn in Dialogen, besonders in interkulturell philosophischen Dialogen
Der besondere Erkenntnisgewinn in Dialogen basiert auf der Annahme, dass sich die Gesprächsteilnehmer*innen etwas zu sagen haben, das sie sich allein nicht sagen können (vgl. Kimmerle 2004: 188). Dadurch, dass Personen miteinander sprechen, erzeugen sie gemeinsam ein Wissen, das keiner der Beteiligten als Ganzes allein aus sich hätte hervorbringen können (vgl. ebd.). Dieses durch das Gespräch entstandene Wissen umfasst den spezifischen Erkenntnisgewinn in Dialogen.
 
Für die Beteiligten eines Dialogs ist es im Voraus ungewiss, was die anderen Personen sagen werden, sofern diese aus anderen Voraussetzungen und Betrachtungsweisen argumentieren (vgl. Kimmerle 2004: 188). Wenn die Gesprächsteilnehmer*innen aus unterschiedlichen Kulturen kommen, ist der Grad des Ungewissen über das, was im Gespräch gesagt werden wird noch größer (vgl. ebd.). Aufgrund dieser Ungewissheit kann man davon ausgehen, dass die Teilnehmer*innen interkultureller Dialoge fähig sind, sich etwas zu sagen, dass sie sich allein nicht hätten sagen können (vgl. Kimmerle 2004: 189).

3     Bedeutungsorientiertes Kulturverständnis nach Reckwitz
Das bedeutungsorientierte Kulturverständnis bildet die Grundlage für das kulturwissenschaftliche Forschungsprogramm der letzten Jahrzehnte (vgl. Reckwitz 2011: 7). Dieses Forschungsprogramm zielt auf eine Totalperspektive der Kultur: Das bedeutet, dass Kultur kein abgetrennter Gegenstand neben anderen Gegenständen wie Politik, Gesellschaft und Wirtschaft ist, sondern dass alle Gegenstände der Geistes- und Sozialwissenschaften als kulturelle Phänomene untersucht werden können (vgl. Reckwitz 2011: 1). Zu diesen Gegenständen können sowohl ökonomisch-technische Praktiken, Staat und Politik, Sozialstruktur, Familie, Geschlechter, moderne und vormoderne Gesellschaften, die Natur und der Affekthaushalt zählen (vgl. ebd.). Ziel des kulturwissenschaftlichen Forschungsprogramms ist es, „die impliziten, in der Regel nicht bewussten symbolischen Ordnungen, kulturellen Codes und Sinnhorizonte zu explizieren, die in unterschiedlichsten menschlichen Praktiken – verschiedener Zeiten und Räume – zum Ausdruck kommen und diese ermöglichen (Reckwitz 2011: 2).“ In einem kulturwissenschaftlichen Verständnis geschehen menschliche Praktiken nicht notwendigerweise, sondern sind kontingent (vgl. ebd.). D. h., Praktiken werden nicht selbstverständlich oder natürlich vorgenommen, sondern sie sind abhängig von symbolischen Ordnungen, die in historischen und räumlichen Kontexten existieren (vgl. Reckwitz 2011: 2-3). Soziale Praktiken bzw. Komplexe von Praktiken sind erst vor dem Hintergrund ihrer sehr spezifischen und kontingenten Sinnhorizonte und Bedeutungscodes möglich, werden vor diesem normal und rational oder erscheinen notwendig und natürlich (vgl. Reckwitz 2011: 8). Nach dem bedeutungsorientierten Kulturbegriff wird argumentiert,

„dass diese Verhaltenskomplexe vor dem Hintergrund von symbolischen Ordnungen, von spezifischen Weltinterpretationen entstehen, reproduziert werden und sich verändern. Diese Sinn- und Unterscheidungssysteme, die keinen bloßen gesellschaftlichen ‚Überbau‘, sondern in ihrer spezifischen Form einer ‚symbolischen Organisation der Wirklichkeit‘ den notwendigen handlungskonstitutiven Hintergrund aller sozialen Praktiken darstellen, machen die Ebene der ‚Kultur‘ aus […] (Reckwitz 2011: 7).“

Zusammenfassend kann man sagen, dass nach dem bedeutungsorientierten Kulturverständnis Kultur durch kontingente, symbolische Ordnungen bestimmt wird, die in historischen und räumlichen Kontexten existieren (vgl. Reckwitz 2011: 2-3, 7). Diese symbolischen Ordnungen bilden die Voraussetzungen für das Entstehen, die Reproduktion und die Veränderung sozialer Praktiken (vgl. Reckwitz 2011: 7). Ziel des kulturwissenschaftlichen Forschungsprogramms ist, diese symbolischen Ordnungen zu erklären (vgl. Reckwitz 2011: 2). Basierend auf der Totalperspektive von Kultur können als soziale Praktiken alle Gegenstände der Geistes- und Sozialwissenschaften wie Politik, Wirtschaft oder das Leben in Familien untersucht werden (vgl. Reckwitz 2011: 1).

4     Analyse der Kulturen der Gesprächspartner*innen
Im vorherigen Kapitel wurde thematisiert, dass Kultur durch symbolische Ordnungen bestimmt wird, die sich in sozialen Praktiken ausdrücken und diese ermöglichen (vgl. Reckwitz 2011: 2). Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den Kulturen von Seyran Ates und Christoph Markschies. Um Aussagen über die Kulturen treffen zu können, werden die symbolischen Ordnungen analysiert, die im Gespräch der beiden Akteure zum Ausdruck kommen. Es wird davon ausgegangen, dass sich kulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Interview durch übereinstimmende bzw. konkurrierende Aussagen zeigen werden. Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Kulturen kommen durch soziale Praktiken zum Ausdruck, die die verschiedenen Rollen der Gesprächspartner*innen in Dialogen bestimmen. Diese Verschiedenheit bezüglich der Rollen der an einem Gespräch beteiligten Personen ist neben der Gleichheit ihres Ranges eine Voraussetzung für die Möglichkeit eines Interkulturellen Dialogs (vgl. Kimmerle 2004: 180). Wenn sich im Gespräch zwischen Seyran Ates und Christoph Markschies diese Gleichzeitigkeit der Gleichheit und Verschiedenheit der Akteure zeigen, sind die Bedingungen für das Zustandekommen eines Interkulturellen Dialogs erfüllt (vgl. ebd.).

Seyran Ates und Christoph Markschies sprechen in dem Interview über viele verschiedene Themen wie z. B. Wahrheitsansprüche und gegenseitige Toleranz verschiedener Religionen, die Beschränkung der Freiheit durch Religionen bzw. gesellschaftliche Bräuche, insbesondere die Begrenzung der Freiheit von Frauen, sowie die Rolle der Kirchen bei der Unterstützung eines liberalen Islams in Deutschland (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 66-85, 114-135, 189-217). Seyran Ates hat in Berlin die Ibn Rushd-Goethe-Moschee – eine liberale Moscheegemeinde – gegründet, arbeitet dort als Imamin und Geschäftsführerin, und ist außerdem Juristin sowie Frauenrechtsaktivistin (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018). Christoph Markschies arbeitet als Professor für Antikes Christentum an der Humboldt-Universität in Berlin, leitet das Institut für Kirche und Judentum und ist Vorsitzender der Kammer für Theologie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) (vgl. ebd.). Aufgrund ihrer Tätigkeiten bringen die beiden Akteure verschiedene, relevante Kenntnisse für das Interview mit, auf die sie sich in ihren Argumentationen stützen. Die beiden Gesprächspartner*innen lassen die Positionen der jeweils anderen Person gelten, gehen auf die Aussagen des*r anderen ein und respektieren ihr Bekenntnis zu verschiedenen Religionen. Außerdem zeigt der Interviewverlauf keine Unterbrechungen durch die Interviewpartner, was darauf hindeutet, dass sie sich aussprechen lassen. Die verschiedenen, eingebrachten Kenntnisse sowie der gegenseitige Respekt der Gesprächspartner*innen weisen darauf hin, dass die Gleichheit hinsichtlich des Ranges zwischen Seyran Ates und Christoph Markschies in dem betrachteten Interview gegeben ist.

Bezüglich der Rollen und inhaltlichen Auffassungen, die Ates und Markschies im Interview vertreten, zeigen sich sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede:

Gemeinsam haben Ates und Markschies, dass Religion für beide einen wichtigen Lebensinhalt darstellt. Das zeigt sich an den Tätigkeiten der Akteure: Ates arbeitet als Imamin und Geschäftsführerin einer muslimischen Gemeinde, Markschies hat eine Professur für Antikes Christentum an der Berliner Humboldt-Universität, engagiert sich als Leiter des Instituts für Kirche und Judentum und ist Vorsitzender der Kammer für Theologie der EKD (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018). Neben ihren Tätigkeiten kann man an Ates und Markschies Aussagen im Interview erkennen, dass Religion für beide Bedeutung hat: Ates und Markschies sprechen über Themen, die alle einen Bezug zur Religion haben, wie z. B. das friedliche Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen Religionen und die Nicht-Übertragbarkeit kirchlicher Strukturen auf den Islam (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 20-26, 71-85, 229-237). Die Relevanz der Religion für Markschies und Ates stellt eine kulturelle Gemeinsamkeit der beiden dar. Natürlich könnte man argumentieren, dass zumindest im Interview die Themen durch die Redaktion vorgegeben wurden und Religion erst dadurch zu einem bestimmenden Gesprächsinhalt wurde. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass sich die beiden Akteure ohne ihre Kenntnisse und ihr Engagement in den Religionen wahrscheinlich nicht so ausführlich und fundiert über die besprochenen Themen hätten austauschen können.

Im Gespräch zeigt sich, dass Ates und Markschies viele inhaltliche Auffassungen teilen: Freiheit und Toleranz in und zwischen Religionen sind für beide wichtige Werte. Ates sagt, dass in ihrer liberalen Moscheegemeinde Männer und Frauen beim Gebet nicht getrennt werden, und dass Frauen Vorbeterinnen sein können, obwohl konservative Muslime und muslimische Verbände die Gemeinde dafür heftig kritisieren (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 15-17, 31-34).

Des Weiteren äußert sie, dass der Islam eine plurale Religionsgemeinschaft ist (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 46-50), und dass in ihrer Gemeinde nie gesagt wird: „Was wir machen, ist richtig, was die anderen machen, ist falsch (Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 93-94).“

Hinzu kommt, dass die Ates Gemeinde ein Sinnbild für die gegenseitige Toleranz und das friedliche Zusammenleben verschiedener Religionen ist: Durch die Kooperation mit der Evangelischen Kirchgemeinde Tiergarten in Berlin wurde die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Räumen der evangelischen Gemeinde untergebracht (vgl. Evangelische Kirchgemeinde Tiergarten, o. A.; vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018). Markschies begrüßt diese Zusammenarbeit. Für ihn ist sie ein Argument, dass heute eine gute Zeit für das friedliche Zusammenleben der Religionen ist (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 20-26). Allerdings gibt er zu bedenken, dass weiterhin religiös begründete Bürgerkriege, Unterdrückung, Flucht und Vertreibung zur Wirklichkeit unserer Welt gehören (vgl. ebd.). Markschies betont außerdem die Bedeutung der Toleranz zwischen den Religionen, indem er äußert, dass in multireligiösen Gesellschaften Menschen mit unterschiedlichen Wahrheiten miteinander leben können müssen (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 82-85). Darüber hinaus argumentiert er, dass die Toleranz gegenüber anderen Religionen aus dem Christentum abgeleitet werden kann und wichtig für die Wahrheit christlicher Werte ist: „Tolerant ist, wer etwas anderes gelten lässt, um der Wahrheit seiner eigenen Prinzipien willen – beispielsweise um der Freiheit willen, die Christus uns gebracht hat (Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 67-70).“ Markschies leitet Freiheit als christliches Prinzip ab. Man kann daraus schließen, dass das Akzeptieren der Freiheit anderer Menschen, ein Argument für die gegenseitige Toleranz von Menschen mit verschiedenen Religionen ist (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 67-70, 82-85).

Ates und Markschies verdeutlichen aber, dass Toleranz Grenzen hat. Ates unterstreicht, dass sie religiöse Bräuche nicht akzeptiert, wenn durch solche Frauen- und Freiheitsrechte eingeschränkt werden: „Wenn ich für Frauenrechte kämpfe, bin ich gern auch intolerant, wenn jemand meine Position denn als intolerant bezeichnen will (Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 97-99).“ Als Beispiele für Bräuche, die die Rechte von Frauen und die Freiheit anderer missachten, benennt Ates u. a. den Zwang zum Tragen des Kopftuchs und der Burka bei Frauen, das Tragen des Kopftuchs bei Kindern, die Zwangsverheiratung sowie die Genitalverstümmelung von Mädchen, und dass Frauen keine Imaminnen sein dürfen (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 87-93, 110-117, 159-168).

Ates bedauert, dass einige Muslime viele Fragen für entschieden halten, und fordert die Möglichkeit ein, im Glauben auf der Suche zu sein (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 86-87): „Woher wollen die Kritiker wissen, dass eine Frau keine Imamin sein darf? Schon zu Mohammeds Zeit waren Frauen Vorbeterinnen in der Gemeinde (Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 91-93).“ Des Weiteren kritisiert Ates, dass viele Muslime nicht nach dem Sinn von Regeln fragen, sondern versuchen diese formal zu erfüllen: „Wenn ein sechsjähriges Grundschulkind fasten muss und deshalb kollabiert, oder wenn dieses Kind ein Kopftuch tragen soll, dann muss man das doch deutlich kritisieren (Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 155-157).“

Auch Markschies spricht sich dafür aus, dass Toleranz Grenzen hat, und dass man sich nicht auf Toleranz berufen kann, um die Freiheitsrechte anderer außer Kraft zu setzen (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 100-102). Außerdem legt er dar, dass eine wehrhafte Demokratie nicht intolerant ist und gegen Terroristen vorgehen muss (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 137-139):

„Toleranz bedeutet, aus guten Gründen andere Auffassungen und Verhaltensweisen gelten zu lassen – und dafür einzutreten, dass sie gelten können. Wer Extremisten gegenüber tolerant ist, ruiniert seine eigene Gesellschaft (Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 103-106).“

Seyran Ates und Christoph Markschies stimmen während ihres Gesprächs bei mehreren Themen inhaltlich überein oder vertreten ähnliche Positionen. Die Standpunkte zu Toleranz in und zwischen Religionen, die hier ausführlich behandelt wurden, sind ein Beispiel für diese inhaltlichen Kongruenzen. Ates und Markschies stimmen aber auch bei anderen Gesprächsthemen überein: Beide Akteure schätzen die Verwechslungen von Religion und gesellschaftlichen Bräuchen als problematisch ein und bedauern, dass rückständige Denk- und Verhaltensmuster zu Rollbacks (also zum Rückgängigmachen moderner, fortschrittlicher Entwicklungen) in islamischen und westlichen Gesellschaften führen (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 143-177). Außerdem sprechen sich beide dagegen aus, bei der Organisation des Islams in Deutschland Strukturen der Kirchen auf den Islam zu übertragen (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 229-237). Ates argumentiert, dass man für die Organisation des Islams über neue Konzepte nachdenken müsse, weil der Islam sehr individuell sei und keine so festen Strukturen habe wie die Kirche (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 229-233).

Trotz vieler inhaltlicher Übereinstimmungen gibt es bei den Fragen nach der Unterstützung eines liberalen Islams durch die Kirchen sowie deren Positionierung gegenüber konservativen, muslimischen Verbänden Meinungsunterschiede: Ates bedauert, dass sich die Kirchen gegenüber den muslimischen Verbänden sehr ängstlich verhalten (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 189-190). Des Weiteren kritisiert sie, dass Kirchenvertreter*innen nicht zwischen Kreuz, Kippa und Kopftuch unterscheiden, obwohl es sich bei den ersten beiden um religiöse Zeichen handel, während das Kopftuch Sitte und Moral symbolisiert (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 190-194). Auf diese Weise würden die Kirchen das Narrativ der muslimischen Verbände übernehmen, dass es beim Tragen des Kopftuchs um eine Glaubensfrage gehe, obwohl das nicht zutrifft (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 194-196).

Markschies relativiert das Verhalten der Kirchen und der Kirchenvertreter*innen, indem er sagt, dass es sich dabei nicht um böse Absicht handle, und die muslimischen Verbände häufig die einzigen greifbaren Gesprächspartner seien (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 198-201).

„Dass Kopftuch, Kreuz und Kippa als religiöse Symbole in einen Topf geworfen werden […] (Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 202-203)“, führt Markschies auf fehlende Kenntnisse zurück und räumt Nachholbedarf ein (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 202-204, 210). Gleichzeitig betont er aber, dass die Kirchen die Pluralität im Islam aufgrund ihrer eigenen Pluralität erkennen können, und dass die Kritik am Moscheeverband DITIB, der von der türkischen Regierung abhängig ist, gewachsen ist (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 210-214).

Neben den Übereinstimmungen und Differenzen in den inhaltlichen Positionen zeigen sich auch bei den Grundlagen, auf denen die beiden Akteure ihre Argumentationen aufbauen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede: Eine Argumentationsbasis, auf die sich sowohl Ates als auch Markschies stützen, sind die Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland bzw. die Rechte aus dem Grundgesetz. Ates äußert z. B., dass das offene Praktizieren einer liberalen Moschee momentan nur in der sogenannten westlichen Welt möglich ist, wo die Regierungen die Sicherheit dafür gewährleisten (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 39-41). Des Weiteren verdeutlicht sie, dass sie für Frauen- und Freiheitsrechte kämpft und sich gegen deren Beschränkung positioniert (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 31-32, 97-99, 108-119).

Auch Markschies stützt sich auf die Demokratie und Grundrechte, wenn er argumentiert, dass Toleranz Grenzen hat und man mit der Berufung auf Toleranz nicht die Freiheitsrechte anderer einschränken kann (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 100-102). Außerdem betont er, dass eine Demokratie gegen Terroristen vorgehen muss, und nicht intolerant ist, wenn sie das tut (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 137-139).

Ates und Markschies begründen ihre Positionen des Weiteren mit Erfahrungen aus ihrer Arbeit mit Religion bzw. mit theologischen Argumenten. Weil Ates vermehrt auf die Praxis in ihrer Gemeinde und Beispiele aus dem Islam eingeht, während Markschies einige Argumentationen aus dem Christentum ableitet, kann man neben den Gemeinsamkeiten auch Unterschiede in den Argumentationsgrundlagen erkennen: Ates zeigt anhand ihrer Gemeinde, dass sie für die Gewährleistung von Frauen- und Freiheitsrechten sowie Toleranz in der Religion steht. Sie verweist u. a. darauf, dass sie Imamin in ihrer Gemeinde ist, dass Frauen dort Vorbeterinnen sind, und dass Männer von Frauen beim Gebet nicht getrennt werden (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 15-17, 31-34). Außerdem verdeutlicht sie eine offene und tolerante Haltung beim Ausleben der Religion, indem sie sagt: „In unserer Gemeinde sagen wir niemals: Was wir machen, ist richtig, was die anderen machen, ist falsch (Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 93-94).“

Markschies legt dar, dass die Theologien des Judentums, des Islams und des Christentums Elemente enthalten, die die Wahrheitsansprüche der einen Religion beschränken und so Toleranz gegenüber anderen Religionen ermöglichen (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 78-85). Diese These begründet Markschies mit einem Beispiel aus dem Christentum: Er weist darauf hin, dass in der Bibel zwischen der Wahrheit Gottes und dem, was Menschen davon wissen können, unterschieden wird, und dass Jesus selbst ernannte Rechthaber zurückwies (vgl. ebd.).

Zusammenfassend kann man sagen, dass Seyran Ates und Christoph Markschies in vielen ihrer inhaltlichen Positionen übereinstimmen und ihre Argumentationen auf gemeinsame Grundlagen stützen. Das wird insbesondere an der Toleranz in und zwischen Religionen deutlich, die ein zentrales Thema des Interviews darstellt. Neben den vielen Gemeinsamkeiten zeigt sich bei den Themen Unterstützung des liberalen Islams durch die Kirchen und Positionierung der Kirchen gegenüber konservativen, muslimischen Verbänden, dass die Meinungen der Akteure zum Teil voneinander abweichen. Weitere Unterschiede zwischen Ates und Markschies werden deutlich, wenn die Akteure ihre Positionen durch verschiedene Argumentationsgrundlagen untermauern: Ates bezog sich an mehreren Stellen auf ihre Gemeinde und Beispiele aus dem Islam, während Markschies Beispiele aus dem Christentum einbrachte. Man kann schlussfolgern, dass die vielen Übereinstimmungen zwischen Markschies und Ates auf kulturelle Gemeinsamkeiten der beiden Personen hinweisen. Besonders interessant erscheinen die Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Kulturen, wenn man bedenkt, dass sich Ates und Markschies zu verschiedenen Religionsgemeinschaften bekennen. Neben den Gemeinsamkeiten konnten aber auch Unterschiede in den Positionen und Argumentationsgrundlagen festgestellt werden. Man kann deshalb sagen, dass sich die Kulturen von Seyran Ates und Christoph Markschies hinsichtlich der betrachteten Themen nahe kommen, aber auch Differenzen aufweisen. Deswegen kann man davon sprechen, dass sich die beiden Gesprächspartner*innen hinsichtlich ihrer Rollen und inhaltlichen Auffassungen unterscheiden (Verschiedenheit der Gesprächspartner*innen).

In diesem Kapitel wurde gezeigt, dass die Gleichzeitigkeit der Gleichheit und Verschiedenheit der Akteure im Gespräch zwischen Seyran Ates und Christoph Markschies vorhanden ist. Das erste Merkmal eines Interkulturellen Dialogs sowie die Bedingungen seines Zustandekommens sind damit erfüllt (vgl. Kimmerle 2004: 180).

5     Analyse der Merkmale Interkultureller Dialoge anhand des Interviews mit Seyran Ates und Christoph Markschies
Die Gleichzeitigkeit von Gleichheit und Verschiedenheit der Akteure im Gespräch zwischen Seyran Ates und Christoph Markschies wurde im vorherigen Kapitel analysiert und bestätigt. Dieses Kapitel geht deshalb auf die drei verbleibenden Merkmale Interkultureller Dialoge nach Heinz Kimmerle ein: die Offenheit hinsichtlich der zu erwartenden Ergebnisse, die nicht diskursiv-sprachlichen Mittel der Verständigung sowie den spezifischen Erkenntnisgewinn in Interkulturellen Dialogen (vgl. Kimmerle 2004: 183-189).

Offenheit hinsichtlich der zu erwartenden Ergebnisse
Im Gespräch zwischen Seyran Ates und Christoph Markschies können mehrere Zeichen für die Offenheit der Gesprächspartner*innen für die jeweils andere Person und die Ergebnisse des Dialogs beobachtet werden:

Vor dem Interview wussten Ates und Markschies nicht, welche Fragen die Redaktion stellen wird. Das zeigt sich daran, dass die Fragen häufig Ates und Markschies Antworten einbeziehen und darauf aufbauen (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 7-17, 86-99). Des Weiteren konnten die beiden Akteure nicht wissen, wie der Gesprächsverlauf durch Rückfragen beeinflusst wird, welche Positionen die jeweils andere Person im Gespräch vertreten und wie sie auf die eigenen Aussagen reagieren wird. Daraus folgt, dass der Verlauf und die Ergebnisse des Gesprächs vor dem Interview für Ates und Markschies ungewiss waren. Dass sich die beiden auf die Gesprächssituation eingelassen haben, ist ein Zeichen für ihre Offenheit gegenüber dem*r Gesprächspartner*in und den Ergebnissen der Unterhaltung.

Aus dem Gespräch geht hervor, dass sich Ates und Markschies zuhören, die Positionen der jeweils anderen Person wahrnehmen, respektieren und ihrerseits Stellung dazu beziehen (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 65-85, 95-106). Durch diese Verhaltensweisen zeigen beide Interesse und Offenheit für die Standpunkte des*r anderen.

Ein Ergebnis des Dialogs sind die vielen inhaltlichen Übereinstimmungen zwischen Ates und Markschies. Dass sich mehrere kulturelle Gemeinsamkeiten zeigen, wird möglich, weil die beiden Akteure im Gespräch unvoreingenommen miteinander umgehen und zwischen sich keine Grenzen aufgrund ihrer Bekenntnisse zu verschiedenen Religionsgemeinschaften ziehen (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 11-26). Diese Unvoreingenommenheit ist ein weiteres Zeichen für die Offenheit gegenüber dem*r Gesprächspartner*in und den Ergebnissen des Dialogs.

Nicht diskursiv-sprachliche Mittel der Verständigung
Weil das Interview zwischen Seyran Ates und Christoph Markschies als Transkript vorliegt, ist es nicht bzw. kaum möglich die nicht diskursiv-sprachlichen Mittel der Verständigung wie Blickkontakt, Gestik und Tonfall zu analysieren. Ates und Markschies waren bei dem Gespräch anwesend, was darauf hinweist, dass die beiden über Mimik und Gestik kommuniziert haben (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018). Man kann deshalb davon ausgehen, dass nicht diskursiv-sprachliche Mittel durch die Gesprächspartner*innen ausgedrückt wurden.

Auch wenn eine tiefgehende Analyse nicht möglich ist, können nicht diskursiv-sprachliche Mittel an einigen Stellen im Transkript anhand der Satzzeichen erkannt werden: Doppelpunkte und Ausrufezeichen signalisieren, dass die Akteure bestimmte Satzteile betonen. Ein Beispiel ist ein Zitat von Ates:

„Die Wahrheit! Dieses Wort höre ich fast täglich. Uns liberalen Muslimen wird immer wieder entgegengeschleudert: Euer Islam ist nicht der wahre Islam (Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: 71-73).“

In diesem Fall kann man das Ausrufezeichen und den Doppelpunkt so interpretieren, dass die Passagen „Die Wahrheit“ und „Euer Islam ist nicht der wahre Islam.“ betont werden und dadurch Empörung ausgedrückt wird.
Wenn man die Rhetorik der beiden Akteure in die Analyse aufnimmt, erkennt man weitere nicht diskursiv-sprachlichen Mittel der Verständigung. Ates und Markschies verwenden in mehreren Aussagen rhetorische Figuren, die ihre Positionen unterstreichen und zum Nachdenken anregen. Ein Beispiel ist Markschies rhetorische Frage: „Was wäre das für eine Toleranz, die keine Grenzen hätte (Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 100-101)?“ An anderer Stelle setzt Ates eine Antithese ein: „Freiheit bedeutet immer auch Beschränkung (Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 114).“ Beide heben durch diese rhetorischen Mittel ihre Standpunkte hervor, dass Toleranz und Religionsfreiheit nicht als Argumente dienen können, um die Rechte anderer Menschen außer Kraft zu setzen (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 97-102).
 
Spezifischer Erkenntnisgewinn in Interkulturellen Dialogen
Der spezifische Erkenntnisgewinn in Dialogen bedeutet bei Kimmerle, dass Personen durch das gemeinsame Gespräch gemeinsame Erkenntnisse entwickeln, zu denen sie allein nicht hätten gelangen können (vgl. Kimmerle 2004: 188). Im Interview mit Seyran Ates und Christoph Markschies lassen sich einige Erkenntnisse finden, die die beiden Akteure durch das Gespräch entwickeln.

Zu Beginn sprechen Ates und Markschies über Ates liberale Moschee und deren Unterbringung in den Räumen einer evangelischen Kirchgemeinde (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 11-26). Dadurch werden sie sich bewusst, dass heute eine gute Zeit für das friedliche Zusammenleben von Menschen mit verschiedenen Religionen ist, und dass Ates Gemeinde ein positives Beispiel für dieses friedliche Zusammenleben darstellt (vgl. ebd.).

Eine weitere Erkenntnis des Gesprächs ist, dass sich Wahrheit bzw. Wahrheitsansprüche und Toleranz innerhalb und zwischen Religionsgemeinschaften sowohl unterstützen als auch widersprechen können: Ates schildert, dass sie häufig erlebt, dass konservative Muslime ihre Gemeinde nicht akzeptieren, die Mitglieder als Ungläubige bezeichnen und sagen, dass das Islamverständnis der liberalen Moschee nicht dem wahren Islam entspricht (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 39-50, 71-74). Anhand der Kritik der konservativen Muslime und der muslimischen Verbände legt Ates dar, dass das Verhältnis von Wahrheit und Toleranz problematisch sein kann (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 15-17, 71-74). Allerdings verdeutlicht Ates durch Beispiele aus ihrer Gemeinde, dass Vielfalt und Toleranz zwischen Menschen mit unterschiedlichen Auffassungen von Religion gelebt werden können (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 32-34, 93-94).

Markschies geht darauf ein, dass das Verhältnis von Wahrheit und Toleranz positiv sein und Toleranz z. B. aus christlichen Werten abgeleitet werden kann: „Tolerant ist, wer etwas anderes gelten lässt, um der Wahrheit seiner eigenen Prinzipien willen – beispielsweise um der Freiheit willen, die Christus uns gebracht hat (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 67-70).“ Des Weiteren argumentiert er, dass Judentum, Christentum und Islam Elemente enthalten, die die Wahrheitsansprüche der einen Religion beschränken und so Toleranz gegenüber anderen Religionen ermöglichen (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 78-85).

In dem Gespräch werden sich Ates und Markschies gewiss, dass sich ihre Positionen unterscheiden, als sie über die Unterstützung des liberalen Islams durch die Kirchen sprechen: Ates kritisiert, dass sich die Kirchen gegenüber den muslimischen Verbänden oft ängstlich verhalten und deren Narrativ übernehmen, dass das Kopftuch ein religiöses Zeichen sei, obwohl es Sitte und Moral symbolisiert (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 189-196). Markschies geht auf Ates Kritik ein und signalisiert Nachholbedarf auf Seiten der Kirchen (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 198-204, 210). Allerdings verteidigt er das Verhalten der Kirchen, indem er sagt, dass die muslimischen Verbände häufig die einzigen greifbaren Gesprächspartner seien, und dass die Kritik gegenüber dem von der türkischen Regierung abhängigen Moscheeverband DITIB gewachsen sei (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 198-201, 210-213).

Eine Lösung für das Problem finden Ates und Markschies in dem Gespräch nicht. Weil das Interview mit einer anderen Frage fortgeführt wird, diskutieren die beiden Akteure das Thema nicht weiter, sodass es nicht zu einer Einigung kommt. Diese Nicht-Übereinstimmung zwischen Ates und Markschies kann man als bleibendes Element des Nichtverstehens einordnen. Dieses Nichtverstehen gehört für Kimmerle zur Offenheit in Interkulturellen Dialogen dazu (vgl. Kimmerle 2004: 184).  

Im vorherigen und in diesem Kapitel wurde dargelegt, dass im Gespräch zwischen Seyran Ates und Christoph Markschies die Gleichzeitigkeit von Gleichheit und Verschiedenheit der Gesprächspartner*innen, die Offenheit hinsichtlich der zu erwartenden Ergebnisse, die nicht diskursiv-sprachlichen Mittel der Verständigung und der spezifische Erkenntnisgewinn in Interkulturellen Dialogen vorhanden sind. Deshalb kann man feststellen, dass es sich bei dem Gespräch um einen Interkulturellen Dialog handelt.
     
6    Schlussbetrachtungen
In dem untersuchten Interview kamen mit Seyran Ates und Christoph Markschies zwei Menschen ins Gespräch, die sich zu verschiedenen Religionsgemeinschaften bekennen. Ein Ergebnis der Analyse ist, dass Ates und Markschies gemeinsame Themen wie die Toleranz in und zwischen Religionsgemeinschaften sowie die Grenzen der Toleranz gegenüber religiösen und gesellschaftlichen Bräuchen verbinden (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 66-94, 97-135). Hinsichtlich der Themen des Interviews vertreten die beiden häufig ähnliche Positionen oder stimmen darin überein. In dem Gespräch wird deutlich, dass Ates und Markschies hinter der Demokratie und Werten wie der Verteidigung von Menschenrechten, der Gleichheit der Geschlechter und der Toleranz gegenüber Andersdenkenden stehen (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 29-34, 66-85, 97-119). Daraus kann man ableiten, dass die beiden mehrere kulturelle Gemeinsamkeiten teilen.

Die Analyse hat gezeigt, dass es sich bei dem Gespräch zwischen Markschies und Ates um einen Interkulturellen Dialog handelt. Die beiden Akteure besprechen während des Interviews Probleme wie die Verbesserung der Einbeziehung und Organisation der Muslime in Deutschland und bieten Lösungen dafür an (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 219-237). Ates schlägt zum Beispiel vor, die Anzahl der Muslime in Deutschland mit Umfragen zu erfassen und daraus einen demokratischen, islamischen Rat zu entwickeln (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 32-34, 219-224). Dieser soll dazu dienen, die Muslime in ihrer gesamten Pluralität einzubeziehen (vgl. ebd.). Am Thema der Unterstützung des liberalen Islams durch die Kirchen in Deutschland wurde allerdings deutlich, dass es in Interkulturellen Dialogen bleibende Elemente des Nichtverstehens gibt und nicht für alle Probleme Lösungen gefunden werden (vgl. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 2018: Z. 189-217).

Auf der Basis der Analyse kann man deshalb den Schluss ziehen, dass Interkulturelle Dialoge zu einem spezifischen Erkenntnisgewinn der Gesprächspartner*innen führen und auf diese Weise zur Lösung von Problemen beitragen können. Allerdings zeigen die Meinungsunterschiede zwischen Ates und Markschies, dass das Problemlösen durch Interkulturelle Dialoge Grenzen haben kann.

Mit Blick auf die Herausforderungen unserer Welt können Interkulturelle Dialoge eine Möglichkeit sein, um Gespräche über die Begrenzung des Klimawandels und die Gründung eines Weltstaats anzustoßen und zu verstärken, sowie Lösungen für diese Herausforderungen zu suchen und zu finden.     

Vor diesem Hintergrund erscheint die Frage interessant, ob und wie stark Interkulturelle Dialoge über das Leben in einem Weltstaat dazu beitragen können, dass sich die Menschen als eine Weltgemeinschaft verstehen, sich die Gründung eines Weltstaates wünschen und diese vorantreiben. Hier könnten Potential und Bedarf zum Ausprobieren und Erforschen der Möglichkeiten Interkultureller Dialoge bestehen.
 
Anhang
Verzeichnis der Anhänge
Anhang 1: Interview mit Seyran Ates und Christoph Markschies    A1

 
Anhang 1: Interview mit Seyran Ates und Christoph Markschies
Die liberale Imamin Seyran Ates im Gespräch mit dem Kirchenhistoriker Christoph Markschies
"Die Wahrheit! Wenn ich das schon höre!"

Einen eifersüchtigen Gott gibt es in jeder Religion. Gut, dass die Imamin Seyran Ateş und der Theologe Christoph Markschies keine Rechthaber sind

Leserpost (5) / Text: Claudia Keller, Eduard Kopp / 28.8.18 /
chrismon September 2018, chrismon plus September 2018 / Zur Rubrik: Begegnung

chrismon: Frau Ateş, seit wann hatten Sie das Gefühl, dass Ihre liberale Moscheegemeinde ein Erfolg wird?
Seyran Ateş: Seit 2009, als die Idee geboren wurde.
Wie, schon acht Jahre vor der Gründung der Gemeinde?
Ateş: Ja, damals war ich in der Deutschen Islamkonferenz. Der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble fragte immer wieder: Wo sind eigentlich die liberalen Muslime, warum tun sie nichts? Als linke Aktivistin und Frauenrechtlerin habe ich immer etwas gemacht. Und deshalb gründete ich eine liberale Gemeinde, bin Geschäftsführerin der gemeinnützigen GmbH und von der Gemeinde als Imamin akzeptiert – trotz heftiger Kritik der muslimischen Verbände.
Ist das heute eine gute Zeit für das friedliche Zusammenleben der Religionen, Herr Markschies?
Christoph Markschies: In dieser Moschee: ja! Wenn wir uns klarmachen, dass hier eine evangelische Kirchengemeinde einer bedrängten Moschee Gastrecht gewährt, dann ist das eine gute Zeit. Blicken wir allerdings auf Auseinandersetzungen hierzulande und in anderen Ländern, müssen wir sagen, dass es neben erfreulichen Entwicklungen auch religiös aufgeladene Bürgerkriege, religiös begründete Unterdrückung, Flucht und Vertreibung gibt.
Sie kämpfen für Toleranz. Wo ist die Grenze für Sie ¬persönlich erreicht?
Ateş: Ich habe ein unendlich großes, weites Herz, ein mildes, barmherziges Herz. Aber meinen politischen Verstand gebe ich deshalb nicht auf. Ich kämpfe für die Religionsfreiheit, für die Frauenrechte und die Freiheitsrechte, wie sie im Grundgesetz stehen. Bei uns sind Frauen Vorbeterinnen, und Frauen werden von Männern beim Gebet nicht getrennt. Das versetzt konservative Muslime in Rage.
"Die konservativen Muslime sehen nicht einmal die Pluralität in ihrer eigenen Religionsgemeinschaft"
Sie bekommen Morddrohungen – offensichtlich von ¬Islamisten –, sind von Personenschützern umgeben.
Ateş: Aktuell kann man eine solche liberale Moschee nur in der sogenannten westlichen Welt offen praktizieren, wo die Regierungen bereit sind, die Sicherheit dafür zu gewährleisten. Ich bin unendlich dankbar dafür, dass Deutschland mich schützt, damit ich diese Arbeit machen kann. Das hat Salman Rushdie nicht erlebt, und sämtliche Aktivisten in den islamischen Ländern landen eher im Gefängnis oder im Exil. Die große Mehrheit der konservativen Muslime trägt mit ihrer Kritik dazu bei, dass dieser Personenschutz notwendig ist. Sie nehmen die Religionsfreiheit für sich in Anspruch und müssen erklären, warum sie diese für unsere liberale Gemeinde nicht akzeptieren und uns als Ungläubige bezeichnen. Sie sehen innerhalb ihrer eigenen Religionsgemeinschaft nicht die Pluralität.
Gibt es in Judentum, Christentum und Islam so etwas wie einen Geburtsfehler – dass die Toleranz dort nicht ausreichend beheimatet ist? Auch die Menschenrechte wurden oft gegen die Kirchen erkämpft!
Markschies: Das sehe ich anders: Die neuzeitlichen Freiheitsrechte wurden in Europa mal mit den Kirchen, mal gegen sie erkämpft: Die französische Menschenrechts¬erklärung war zwar schroff gegen die katholische Kirche ge¬richtet, enthält aber viele christliche Elemente. Die drei genannten Religionen haben in ihren Traditionen Gewaltpotenziale, aber auch Friedenspotenziale. Die Einhegung der Gewaltpotenziale in der Neuzeit ist leider nicht unumkehrbar, hoffentlich ist sie es wenigstens in unseren europäischen Gesellschaften. Ich würde deshalb nicht von einem Geburtsfehler der drei Religionen sprechen, sondern von Anwendungsfehlern im Umgang mit ihren Traditionen.
Vertragen sich Wahrheit und Toleranz?
Markschies: Aber sicher. Sonst wäre es ja keine Toleranz, sondern nur so was wie: "Mach doch, was du willst!" ¬Tolerant ist, wer etwas anderes gelten lässt, um der Wahrheit seiner eigenen Prinzipien willen – beispielsweise um der Freiheit willen, die Christus uns gebracht hat.
"Uns wird immer entgegengeschleudert: Euer Islam ist nicht der wahre Islam"
Ateş: Die Wahrheit! Dieses Wort höre ich fast täglich. Uns als liberalen Muslimen wird immer wieder entgegen¬geschleudert: Euer Islam ist nicht der wahre Islam. Der ¬Prophet will es anders, Gott will es anders. Diese Kritik wird oft ergänzt durch das Bekenntnis "Es gibt keinen Gott außer Gott!" Das verstehen viele als Aufruf zur Intoleranz. Richtig ist: Es gibt in allen drei Religionen den eifersüchtigen Gott.
Markschies: Das Gute ist: Jede dieser Religionen hat in ¬ihrer Theologie auch Elemente, die eigene Wahrheitsansprüche begrenzen. In der Bibel wird deutlich zwischen der Wahrheit Gottes und dem, was Menschen davon wissen können, differenziert. Jesus von Nazareth weist selbst ernannte Rechthaber entschieden zurück. In multireligiösen Gesellschaften müssen Menschen mit unterschiedlichen Wahrheiten miteinander leben können, und für eine entsprechende Haltung bietet die Bibel Ansatzpunkte.
Ateş: Es muss möglich sein, im Glauben auf der Suche zu sein. Manche Muslime halten aber viele Fragen für entschieden: Eine Frau darf keine Imamin sein. Es wird fünf-, nicht dreimal am Tag gebetet. Zur Begründung kommt dann schon mal der Hinweis: Das haben mir ¬meine -Tante, mein Onkel, mein Vater, mein Imam so beigebracht. ¬Woher wollen die Kritiker wissen, dass eine Frau keine Imamin sein darf? Schon zu Mohammeds Zeit waren Frauen Vorbeterinnen in der Gemeinde. In unserer Gemeinde sagen wir niemals: Was wir machen, ist richtig, was die anderen machen, ist falsch.
Sie streiten seit vielen Jahren gegen das Kopftuch. ¬ Sind Sie da nicht auch intolerant?
Ateş: Wenn ich für Frauenrechte kämpfe, bin ich gern auch intolerant, wenn jemand meine Position denn als ¬intolerant bezeichnen will.
Markschies: Was wäre das für eine Toleranz, die keine Grenzen hätte? Wenn mit Berufung auf "Toleranz" die Freiheitsrechte anderer Menschen außer Kraft gesetzt werden, dann ist das keine Toleranz. Toleranz bedeutet, aus guten Gründen andere Auffassungen und Verhaltensweisen gelten zu lassen – und dafür einzutreten, dass sie gelten können. Wer Extremisten gegenüber tolerant ist, ruiniert seine Gesellschaft.
Noch einmal – das Kopftuch!
Ateş: Ich habe nie gesagt, ich sei gegen das Kopftuch. Ich kämpfe dagegen, dass bestimmte Amtsträger ein Kopftuch tragen, Lehrerinnen, Richterinnen, Polizistinnen. Ich kämpfe außerdem vehement – und da bin ich so was von intolerant – gegen das Kopftuch auf den Köpfen von ¬Kindern. Das ist für mich Kindesmissbrauch.
Eine liberale Gesellschaft muss also nicht alles zulassen?
Ateş: Freiheit bedeutet immer auch Beschränkung. Es gibt Frauen, die ihre Töchter zwangsverheiraten, Mütter, die ihre Töchter bei der Genitalverstümmelung festhalten. Imame im türkischen Fernsehen treten für die Beschneidung von Frauen ein. Mich ärgert: Wenn wir über das Kopftuch ¬reden, geht es sofort nur um das Thema Religionsfreiheit. Wichtig ist doch auch, wofür es politisch und sozial steht.
"Selbst koptische Christinnen in Ägypten werden dazu gedrängt, ein Kopftuch zu tragen"
Markschies: Das Kopftuch symbolisiert nicht nur eine persönliche Einstellung. 1923 hat Huda Scha’arawi, die erste Vorsitzende der Ägyptischen Frauenvereinigung, ihren Schleier abgenommen und ihn demonstrativ in ein Hafenbecken von Alexandria geworfen. Ein spektakulärer Akt der Befreiung. Heute werden Frauen in Ägypten, ¬übrigens auch koptische Christinnen, dagegen wieder zunehmend gedrängt, ein Kopftuch zu tragen.
Ateş: Wir dürfen die Kopftuchdebatte nicht verkürzen auf Deutschland oder Europa. Im Iran wurde gerade eine Frau zu 20 Jahren Haft verurteilt, weil sie das Kopftuch abgenommen hat. Merkwürdig finde ich, dass Feministinnen, die hierzulande für die Frauenrechte kämpfen, das Kopftuchtragen im Iran als Zeichen religiöser Freiheit vertei¬digen. Warum nur? Tun sie es, weil sie tolerant sein wollen, oder aus Angst vor Rassismusvorwürfen?
Gibt es Intoleranz im Namen des Guten?
Markschies: Eine wehrhafte Demokratie ist nicht into¬lerant. Demokratie muss beispielsweise gegen Terroristen vorgehen, die die Demokratie zerstören wollen. Aber die Prohibition, das Alkoholverbot in den USA ab 1920, war Intoleranz im Namen des Guten. Erwachsene müssen ¬lernen, über ihren Alkoholkonsum selbst zu entscheiden.
Verwechseln wir oft Religion und Bräuche?
Markschies: Ja. In Dorfkirchen des frühen 20. Jahr¬hunderts saßen Frauen und Männer hierzulande noch getrennt. Verheiratete und Unverheiratete mussten sich unterschiedlich kleiden. Das hat wenig mit Religion zu tun, sondern mehr mit gesellschaftlichen Gepflogenheiten. Wenn heute die Menschen nebeneinandersitzen, ist das aus christlicher Sicht natürlich zu begrüßen. Es macht die Gleichheit der Menschen vor Gott deutlich. Aber die Unterscheidung von Religion und Brauchtum bleibt weiter eine Herausforderung für Judentum, Christentum und Islam.
"Wenn ein sechsjähriges Grundschulkind kollabiert, weil es fastet, muss man das kritisieren"
Ateş: Mir fällt auf, dass viele Muslime gar nicht nach dem Sinn und Zweck von Regeln fragen, sondern diese formal zu erfüllen versuchen. So ist es auch beim Fasten. Wenn ein sechsjähriges Grundschulkind fasten muss und ¬deshalb kollabiert, oder wenn dieses Kind ein Kopftuch tragen soll, dann muss man das doch deutlich kritisieren.
Also ist es keine gute Zeit für religiöse Toleranz?
Ateş: Schauen Sie sich an, was in Afghanistan, Pakistan, Marokko oder Ägypten geschieht, zunehmend auch in der Türkei. Vor zehn Jahren kamen uns offene, modern gekleidete Frauen entgegen, und jetzt sind viele unter der Burka. Es gibt ein Rollback, selbst in Indonesien, das -immer als Beispiel für ein liberales islamisches Land gegolten hat. Dort gibt es jetzt sogar eine islamische Sittenpolizei. Bei Paraden auf Istanbuler Straßen treten große Gruppen von Frauen mit Kopftuch und Männern in osmanischer Kleidung auf und Kinder mit Kopftuch. Das war noch vor zehn Jahren unvorstellbar. Als ich ein Kind war, hätte man gesagt: Was sind das denn für rückständige Dorftrottel?
Markschies: Rollback ist kein Problem nur von islamischen Gesellschaften. In Amerika, aber zum Beispiel auch in Ungarn, Polen oder bei uns in Deutschland kann man nach den großen politischen wie kulturellen Emanzi¬pationsbewegungen des zwanzigsten Jahrhunderts unterschiedliche Formen von Rollbacks beobachten. Leider auch im westlichen Christentum: Denken Sie an alle diejenigen, die in der katholischen Kirche die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils zurückdrehen wollen und denen die Annäherung an das Judentum und an die ¬Kirchen der Reformation ein Dorn im Auge ist.
Oder die konservativen Protestanten, die sich selbst als bibeltreu, als evangelikal bezeichnen!
Markschies: Man muss inzwischen sehr genau differenzieren: Es gibt politisch eher rechts wie eher links eingestellte Evangelikale und sehr unterschiedliche Spielarten ihrer Orientierung an der Bibel. Auch im Islam, im ¬Judentum und der katholischen Kirche ist es so, dass die Be¬wegungen, die zurück zu Werten der Vergangenheit wollen, sehr Unterschiedliches wollen.
Sollten sich die Kirchen mehr für einen liberalen ¬Islam einsetzen und den konservativen Islamverbänden ¬häufiger widersprechen?
Ateş: Die Kirchen verhalten sich oft sehr ängstlich den Verbänden gegenüber. Kirchenvertreter werfen auch oft Kreuz, Kippa und Kopftuch in einen Topf. Das irritiert mich sehr. Im Islam gibt es keine Symbolik, schon gar nicht ein einziges Symbol für die gesamte islamische Gemeinschaft. Während Kreuz wie Kippa für eine Glaubensaussage stehen, symbolisiert das Kopftuch Sitte und Moral. Die Kirchen übernehmen einfach das Narrativ der musli¬mischen Verbände, es gehe hier um eine Glaubensfrage.
"Also: zuhören, erklären und lernen!"
Markschies: Dahinter steht keine böse Absicht. Die Verbände sind eben vielfach erst mal die einzigen greifbaren Gesprächspartner, auch wenn sie nur einen schwer definierbaren Teil der Muslime in Deutschland vertreten. Sie können sich Dialogpartner ja nicht einfach selbst konstruieren. Dass Kopftuch, Kreuz und Kippa als religiöse Symbole in einen Topf geworfen werden, hat oft mit fehlenden Kenntnissen zu tun. Also: Zuhören, erklären und lernen!
Ateş: Aber jeder Kirchenmann weiß doch, dass es unterschiedliche Strömungen im Islam gibt, zum Beispiel ¬Sunniten und Schiiten. Wenn die Verbände dann erzählen, dass es keine Reform im Islam geben kann, müssten doch auch Politik und Kirchen sehen, dass das nicht stimmt.
Markschies: Da gibt es bestimmt Nachholbedarf. Aber die Sensibilität ist gewachsen, und die Kritik an dem von der türkischen Regierung abhängigen Moscheeverband Ditib ist inzwischen weit verbreitet. Die evangelische ¬Kirche ist ja selbst schon so plural, dass sie Pluralität auch im ¬Islam wahrnehmen kann. Das gilt auch für das Judentum. Da ¬unterhalten wir uns auch mit Orthodoxen wie mit ¬Liberalen und bringen jeweils zum Ausdruck, was uns verbindet und was uns unterscheidet.
Soll der Staat festlegen, wie sich der Islam organisiert?
Ateş: Zuerst einmal müsste man herausfinden, wie viele Muslime es überhaupt in Deutschland gibt. Bisher haben Statistiker die Zahl einfach anhand der Namen im Telefonbuch geschätzt. Umfragen wären viel besser. Wenn man die Zahl hätte, könnte man daraus einen demokratischen islamischen Rat entwickeln und die Muslime, die tatsächlich da sind, in ihrer ganzen Pluralität einbeziehen.
Einen demokratischen Rat? Bisher kennt man in Deutschland nur hierarchische Strukturen der Kirchen. Lassen die sich übertragen?
"Im Islam gibt es keine oberste Lehrautorität"
Ateş: Der Islam hat keine so festen Strukturen wie die ¬Kirchen. Es gibt keine oberste Lehrautorität, keine festen Imame. Imam zu sein, ist nur eine Rolle. Der Glaube ist ¬etwas nur zwischen mir und meinem Gott. Es gibt sehr viel Individualismus im Islam. Deshalb muss man über ein neues Konzept nachdenken für den Umgang mit dem Islam.
Markschies: Eine zwangsweise Angleichung an Strukturen christlicher Kirchen ist gar keine gute Idee. Es hat ja auch lange gedauert, bis sich das heutige Staat-Kirche-¬Verhältnis in Deutschland so herausgebildet hat, wie es heute unser Land prägt.
Was ist Ihre persönliche Strategie im Umgang mit ¬Meinungen, die Ihnen gegen den Strich gehen?
Ateş: Ich wurde in den 80er Jahren in Deutschland politisiert. Das heißt, ich habe die Stärke und Wirkkraft von Bürger- und Bürgerinnenbewegungen erlebt und zivilen Ungehorsam lieben gelernt.
Markschies: Ich habe in den vergangenen Jahren gelernt: Nicht alles muss diskutiert werden. Zum Beispiel ist die Tatsache, dass in der evangelischen Kirche Frauen am Altar stehen, ein Konsens, den wir in der evangelischen Kirche bitte nicht mehr infrage stellen. Mir ist auch wichtiger geworden, zu verstehen, warum Menschen eine bestimmte Position vertreten. Dabei wird mir immer klarer, wie viel Unsicherheit und Angst herrschen. Das lässt sich nicht allein mit Argumenten bekämpfen.
Wenn wir uns in zehn Jahren wiedertreffen, was hat sich dann in der religiösen Landschaft verändert?
Markschies: Ich hoffe, dass dann auch in Saudi-¬Arabien ¬historisch-kritische Koranausgaben gelesen werden ¬dürfen. Ich vertraue auf die aufklärerische Kraft der ¬Wissenschaft und denke, dass wir viel mehr übereinander wissen werden. Schließlich wird die religiöse Landschaft Europas noch viel bunter sein, und es werden sich wahrscheinlich auch ganz neue Koalitionen ergeben.
Ateş: Bis dahin wird es sicher in Wien, Paris, London und in vielen anderen europäischen Städten solche Gemeinden geben wie meine hier und theologische Hochschul¬institute für einen liberalen Islam.

CHRISTOPH MARKSCHIES
Christoph Markschies, 1962 in Berlin geboren, lehrt Antikes Christentum an der Humboldt-Universität zu Berlin. Von 2006 bis 2010 war er der Präsident dieser Universität. Er leitet das Institut Kirche und Judentum und ist Vorsitzender der Kammer für Theologie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die theologische Erklärungen vorbereitet.

SEYRAN ATES
Seyran Ateş, 1963 in Istanbul ¬geboren, lebt seit 1969 in Deutschland. Mit 21 Jahren wurde sie ¬angeschossen und ¬lebensgefährlich ¬verletzt, als sie einer jungen Türkin half. Später wurde sie Rechts¬anwältin und kämpfte für die Rechte von Frauen. 2017 ¬gründete sie in den Räumen einer evangelischen ¬Gemeinde in Berlin-¬Moabit ihre ¬liberale Ibn-Rushd-¬Goethe-Moschee. Hier ist sie auch ¬Imamin. Damit setzt sie sich heftiger ¬Kritik von funda¬mentalistischen -Muslimen aus.

 
Literaturverzeichnis
Sammelbände:
De Angelis, Marco (2016): Philosophie für alle (1.0). Manifest für die philosophische Identität des europäischen Volkes, o. O.

Kimmerle, Heinz (2004): Dialoge als Form der Interkulturellen Philosophie. In: Därmann, Iris; Hobuß, Steffi; Lölke, Ulrich (Hrsg.) (2004): Konversionen. Fremderfahrungen in ethnologischer und interkultureller Perspektive, Amsterdam, New York, S. 171-190.

Reckwitz, Andreas (2011): Die Kontingenzperspektive der ‚Kultur‘. Kulturbegriffe, Kulturtheorien und das kulturwissenschaftliche Forschungsprogramm. In: Jaeger, Friedrich; Liebsch, Burkhard (2011): Handbuch der Kulturwissenschaften. Grundlagen und Schlüsselbegriffe, Band 1, Stuttgart, S. 1-20.

Internetquellen:
Evangelische Kirchgemeinde Tiergarten (o. A.): Impressum. Online unter: https://www.ev-gemeinde-tiergarten.de/page/28/impressum (Stand: 06.03.2020).

Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (2018): „Die Wahrheit! Wenn ich das schon höre!“. Die liberale Imamain Seyran Ates im Gespräch mit dem Kirchenhistoriker Christoph Markschies. Online unter: https://chrismon.evangelisch.de/artikel/2018/40336/die-liberale-imamin-seyran-ates-im-gespraech-mit-dem-kirchenhistoriker-christoph-markschies (Stand: 06.03.2020).

 

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