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Was bedeutet Familie?

Was bedeutet Familie?

Carla Denzinger
 

Was bedeutet Familie?
Eine philosophische Untersuchung des Familienbegriffs

 

*

I

  1. Einleitung.
  2. Das Verständnis Hegels von Familie
  3. Quellenverzeichnis

  1. Einleitung

Im Zuge des Seminars „Was ist „Anerkennung“? Historische und philosophische Perspektiven“ beschäftigten sich die Teilnehmer*innen sowohl mit den Grundzügen von Philosophie und ihrem Weltverständnis als auch mit möglichen Ausgangspunkten und Prämissen für die Anerkennung von und zwischen Menschen. Als Seminarinhalt wurde zudem der Monismus als philosophische Position vorgestellt und eingehend diskutiert.

In Bezug auf das aktuelle politische Geschehen kam im Seminar deshalb eine intensive Diskussion auf, welche Auswirkungen der Wandel des familiären Konzeptes auf die Zukunft haben könnte. Innerhalb der Seminararbeit soll aus diesem Grund das Konstrukt „Familie“ aus philosophischer Sicht genauer untersucht werden.

Das Themengebiet Familie stellt sich insofern als höchst relevant dar, als dass es sich im persönlichen Lebensbereich, aber auch gesellschaftlichen und politischen Leben konstituiert. Somit sind das Verständnis und die Vorstellungen von Familie von großer Wichtigkeit, da sie sich darüber hinaus auch auf andere Lebensbereiche auswirken und diese beeinflussen. Das Familienkonstrukt befindet sich im ständigen Wandel. So bestand eine Familie in der Antike sowohl aus den Eltern und ihren Kindern als auch aus der Dienerschaft und Angestellten. Im weiteren Verlauf entstanden Ehen und Familie besonders aus Gründen der wirtschaftlichen Absicherung. Im bürgerlichen 19. Jahrhundert war die Familie von Rollenverteilung und Kategorien geprägt. Heutzutage beinhaltet der Begriff „Familie“ neben dem traditionellen Verständnis auch beispielsweise Patchworkfamilien oder kinderlose Haushalte.

Die Hausarbeit beschäftigt sich aus diesem Grund mit der Frage, was das Konstrukt Familie bedeutet, wie es sich zusammensetzt und wie es möglicherweise definiert werden könnte. Dazu soll zunächst das Verständnis Hegels untersucht werden. Wichtig hierbei ist, dass es sich nur um eine oberflächliche und knappe Ausarbeitung handelt, da weitere Ausführungen die Möglichkeiten einer Seminararbeit übersteigen würden. Zu einem späteren Zeitpunkt wird außerdem eine moderne Form der Familie vorgestellt, die sich innerhalb der Seminararbeit lediglich auf die Regenbogenfamilie fokussiert. Diese soll oberflächlich vorgestellt und portraitiert werden, um einen möglichen Einblick in ihren Alltag, ihr Leben innerhalb der Familie, ihr Beziehungsgeflecht und die äußeren Umstände zu erhalten. Im nächsten Schritt sollen aus den jeweiligen Betrachtungsweisen sowohl Risiken als auch Chancen herausgearbeitet und eigene Gedanken festgehalten werden.

Die Hausarbeit basiert dabei zum einen auf einer Literatur- und Internetrecherche, zum anderen aber auch auf den Seminarinhalten und meiner subjektiven Auffassung.

Außerdem sollte beachtet werden, dass es sich bei dem Themenbereich Philosophie und Familie um ein sehr großes, weitreichendes Gebiet handelt, das den Rahmen einer Hausarbeit um weites übersteigt und somit nur ansatzweise untersucht werden kann.

  1. Das Verständnis Hegels von Familie[1]

Im Nachfolgenden soll vorgestellt werden, wie sich nach Hegel der Begriff Familie konstruiert und definiert. In seinen Ausführungen beschreibt er direkt zu Beginn, dass sich die Familie in drei Seiten oder Aspekten vollendet und darstellt. Diese äußern sich als „Ehe“, „Eigentum und die Fürsorge von diesem“ und als „Erziehung der Kinder und der Auflösung der Familie“ und werden in den Kapiteln als Unterpunkte genauer erläutert. Zudem führt Hegel als letzten Punkt „der Übergang der Familie in die bürgerliche Gesellschaft“ auf. Im Hinblick auf die Fragestellung liegen der Fokus und der Schwerpunkt der Untersuchung jedoch auf den ersten drei Hauptpunkten.

Zunächst erläutert Hegel die Substanz und den Kernpunkt einer Familie. Dieser konstituiert sich zum einen in der Liebe, zum anderen in dem Wunsch nach Familie. Die Liebe äußert sich darin, das eigene Sein und Bewusstsein einerseits aufzugeben, sich aber andererseits erst in dem Anderen oder einer anderen Person wiederzufinden und in dem Gemeinsamen die Freiheit zu finden. Dies ist von großer Bedeutung, da nur so das Verständnis von Anerkennung und der Weg zu dieser möglich ist.

Die Essenz der Familie erschließt sich erst in der Gesinnung, dem Wunsch und dem Vorhaben nicht mehr als eigenständige, alleinige, einzelne Person zu leben, sondern eine Einheit aus Familienmitgliedern zu bilden. Die Grundhaltung und der Wille nicht mehr allein für sich zu sein, machen das Fundament der Einheit einer Familie aus (siehe §158).

Der Beginn einer Ehe stellt sich sowohl in einem subjektiven als auch in einem objektiven Ausgangspunkt dar. Der subjektive Teil beschreibt die Neigung, die möglicherweise auch als Verliebtheit oder Hingabe bzw. Gefallen zwischen zwei Personen verstanden werden kann. Außerdem beinhaltet der subjektive Part auch eine von den Eltern arrangierte Ehe. Als zusätzliches Argument wird erläutert, dass auch aus einer geplanten Ehe eine Liebe entstehen kann. Hegel wertet diese Handlung als sittlicheren Weg, da eine Neigung oder Verliebtheit eher der Zufälligkeit geschuldet ist und somit möglichweise schneller schwinden könnte. Der objektive Ausgangspunkt hingehen drückt sich in der freiwilligen und bewussten Einwilligung zu einer zukünftigen Einheit und damit zur Verflechtung zu einer zusammengehörenden, ganzheitlichen Person aus. Sobald die Ehe freiwillig eingegangen wurde, folgen die Menschen laut Hegel ihrer Bestimmung, ihr Leben mit einer anderen Person zu teilen und sich zu einem Gemeinsamen zu vereinigen (siehe §161).

Dabei rückt die Frage in den Vordergrund, ob die Individualität und Selbstbestimmtheit der einzelnen Personen durch eine Ehe dem Partner untergeordnet wird oder aufgegeben werden muss. Die Ehe aber wird so verstanden, dass sich beide Personen nicht jemanden, sondern einem Dritten, nämlich der Einheit aus ihnen beiden, der Familie, unterordnen und das Wohl der Familie als höheren Zweck dient und deshalb nicht als Beeinträchtigung verstanden wird.

Der Charakter und das Wesen der Ehe bestehen nach Hegel aus mehreren Bereichen. Zum einen gilt sie als viel mehr als nur ein „Geschlechterverhältnis“ oder naturbedingte Affäre. So beschreibt er das Sittliche der Ehe als eine geistige und tiefe Verbundenheit, als das Bewusstsein der Partner über ihre Einheit, Gemeinsamkeit, Liebe und Vertrauen. Gleichzeitig bedeutet dies aber auch, dass bei der Ehe nicht die Liebe oder die Neigung vordergründig stehen, sondern mit dem Bewusstsein gleichgestellt sind, da der Mensch ein geistiges und kein instinktives Wesen ist und aus diesem Grund dem Bewusstsein eine bestimmte Wichtigkeit eingeräumt werden muss. Des Weiteren muss betont werden, dass es sich bei der Ehe um keinen Vertrag handelt. Ein Vertrag charakterisiert sich durch die Selbstständigkeit zweier Personen und der Zweck der Ehe ist es diese Selbstständigkeit aufzuheben und eine Einheit zu bilden (siehe §164).

Ein weiterer Bestandteil der Ehe ist die formelle Schließung, sodass sie einen offiziellen Charakter erhält. Dadurch sollen die Ernsthaftigkeit und Authentizität der Ehe gewährleistet und eine willkürliche, einer Laune heraus folgende Eheschließung vermieden werden (siehe §164).

In seinen Ausführungen hebt Hegel außerdem den Unterschied der Geschlechter hervor, denen er zudem spezifische Eigenschaften zuschreibt, die allerdings dem heutigen Verständnis von Geschlechterrollen weniger entsprechen. Der Familie liegt ein innerliches Gesetz zugrunde, das das Miteinander strukturiert und regelt. Diesem Gesetz wird die Weiblichkeit zugeordnet. Nach Hegel fühlt sich die Frau dazu bestimmt diesem inneren Gesetz zu folgen. Das Beziehungsgeflecht der Familie ist somit mit der Person der Weiblichkeit verknüpft. Dem Mann wird das geschriebene, öffentliche Gesetz zugeordnet und gilt nach Hegel als öffentliche und staatliche Person. Hegel unterscheidet dabei zwischen dem Mann, dessen Leben im Staat, der Wissenschaft, der Arbeit und der Außenwelt stattfindet und der Frau, die ihre substantielle Bestimmung in der Familie hat (siehe §166). Dennoch gilt der Mann als Familienoberhaupt, das für die Bedürfnisse der Familie Sorge tragen muss, sie nach außen vertritt und das Familienvermögen verwaltet (siehe §171).

Als weiteres Merkmal der Ehe nennt Hegel die Monogamie. Diese wird als logische Konsequenz der Liebe und der Ehe aufgefasst. Hegel erläutert, dass in einem Eheverhältnis nur die jeweilige, andere Person die volle und ungeteilte Hingabe erfahren darf (siehe §167).

Außerdem darf eine Ehe nur aus getrennten Familien und ursprünglich verschiedenen Persönlichkeiten geschlossen werden, weshalb laut Hegel die Ehe unter Blutsverwandten verboten ist.

In §168 fasst Hegel die Merkmale einer Ehe zusammen: Wenn eine Ehe nur aus natürlichem Geschlechtstrieb geschlossen, als Vertrag betrachtet, als Polygamie oder unter Blutsverwandten geschlossen wurde, gilt sie für ihn als unvernünftig oder als erzwungen.

In einem weiteren Kapitel widmet sich Hegel der Definition von Familie anhand ihres Vermögens. So legt er fest, dass eine einzelne Person Eigentum besitzt, eine Familie hingegen Vermögen, das für alle Familienmitglieder zugänglich ist und an nachfolgende Generationen weitergeben wird. Eine Familie hat das Bedürfnis nach einem, in der Familie bleibenden und sicheren Vermögen, für das sie Sorge trägt (siehe §170). Außerdem erläutert Hegel, dass das Familienvermögen das gemeinsame Eigentum ist und dass jedes Familienmitglied ein Recht auf das Gemeinsame hat (siehe §171).

Durch eine Eheschließung entsteht eine neue Familie, welche zwar auf einer der jeweiligen Person zugeordneten Blutsverwandtschaft beruht, aber als selbstständig gilt und auf der sittlichen Liebe (zuvor erläutert) basiert. Das Eigentum und Vermögen einer Familie betrifft deshalb auch vordergründig das Eheverhältnis und nicht den Familienstamm (siehe §172).

Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Erziehung der Kinder und der Auflösung der Familie.

Die Kinder sind nach Hegel einerseits das Produkt der Einheit einer Ehe, die sich zuvor schon in der Ehe manifestierte, aber auch noch als separate Teilbereiche in den Subjekten der jeweilige Ehepartner bestand. Andererseits sind Kinder aber auch eigene, für sich selbst seiende Existenzen (siehe §173). Sie haben das Recht darauf auf der Basis des Familienvermögens ernährt und auch erzogen zu werden. Das Recht der Eltern auf Dienste ihrer Kinder beschränkt sich lediglich auf zwei Bereiche. Zum einen auf das Gemeinsame der Familiensorge, also dass sich die Kinder mit Familienbelangen beschäftigen und ebenfalls für diese Sorge tragen. Zum anderen auf das Recht der Erziehung und Bestrafung, dabei gilt die Bestrafung nicht der Gerechtigkeit, sondern der Erziehung, die angelehnt an subjektive, moralische Werte oder an Abschreckung erfolgt (siehe §174).

Hegel legt außerdem fest, dass Kinder freie, eigenständige Personen sind, auf die keine Person Anspruch erheben darf, auch nicht die Eltern.

Sie sollen so erzogen werden, dass sie in einem liebevollen Verhältnis aufwachsen, aber sich auch zur Selbstständigkeit entwickeln und sich somit zu einer freien Persönlichkeit entfalten können und später eine eigene Familie gründen (siehe §175).

Für die Auflösung einer Ehe sieht Hegel drei mögliche Szenarien, die dabei jedoch unterschiedlich bewertet werden. Das erste beschreibt die Entfremdung der Familienmitglieder voneinander, welche dann in einer Scheidung gipfelt, was als unsittliche Lösung erläutert wird. Außerdem soll in diesem Fall von einer Autorität geprüft werden, ob es sich bei der feindlichen Gesinnung um eine temporäre Stimmung und Atmosphäre handelt oder ob sie von langer Dauer ist. Erst im letzteren Fall darf eine Scheidung vollzogen werden (siehe §176).

Der zweite Fall der Auflösung einer Familie wird von Hegel als sittlich beschrieben und begründet sich darin, dass ein Kind zur freien Person erzogen wurde und nun die Volljährigkeit erreicht hat. Wie bereits zuvor erklärt, erfolgt aus der Selbständigkeit die Entstehung einer neuen Familie (siehe §177). Die natürliche Auflösung gilt als die dritte Form und geschieht durch den Tod des Elternpaares oder eines Elternteils, insbesondere durch den des Vaters in seiner Rolle als Familienoberhaupt. In Folge dessen tritt die Regelung des Testaments und der Erbschaft des Familienvermögens auf, das sich nun in den Besitz von Einzelpersonen aufteilt. Die Gesinnung der Familieneinheit löst sich zunehmend auf (siehe §178,179).

Im Weiteren geht Hegel zunehmend auf die Auswirkungen und die Folgen ein, die ein Tod eines Familienmitgliedes auf die restliche Familie hat. Außerdem erläutert er die Beziehung einer Familie oder der Familien im Plural zu dem Staat. Diese Ausführungen wurden im Kontext der Fragestellung der Hausarbeit nun jedoch als weniger relevant eingestuft, weshalb sich die Definition und das Verständnis von Familie auf die zuvor genannten und beschriebenen Darlegungen beschränken.

  1. Quellenverzeichnis

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (o.J.): Grundlinien der Philosophie des Rechts, Dritter Teil. Die Sittlichkeit, Erster Abschnitt. Die Familie. S. 307 – 339, Werke. Band 7, Frankfurt a. M. 1979

http://www.zeno.org/Philosophie/M/Hegel,+Georg+Wilhelm+Friedrich/Grundlinien+der+Philosophie+des+Rechts/Dritter+Teil.+Die+Sittlichkeit/Erster+Abschnitt.+Die+Familie,

Stand: 24.08.2017.

Webseite: Hegel System (Hrsg.) (o.J.):

http://www.hegel-system.de/de/v3231.htm, Stand: 24.08.2017.


[1] Die Ausführungen im Folgenden beruhen, sofern nicht anders vermerkt, auf der Quelle:  

Vgl. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Grundlinien der Philosophie des Rechts, Dritter Teil. Die        

  Sittlichkeit, Erster Abschnitt. Die Familie. S. 307 – 339.

  Sowie auf der Quelle:

  Vgl. Hegel System (Hrsg.) (o.J.)

Speyer, 13.9.2017  

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