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2025, Sommersemester, Seminar: “Einführung in Hegels Wissenschaft der Logik”

2025, Sommersemester, Seminar: “Einführung in Hegels Wissenschaft der Logik”

 

 

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April-Juni 2025

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Online-Seminar

 

Die logischen Strukturen der Wirklichkeit:

Einführung in Hegels Lehre der Dialektik

(Wissenschaft der Logik)

 

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geleitet von 

Dr. Marco de Angelis

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Liste der wichtigsten Punkte,

die erörtert werden sollen

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(Im Grün sind die Punkte markiert,
die schon behandelt worden sind; In Hellblau die Zitate)

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0. Ein Leben mit Hegel

Hegel, ein Trainer (Maestro) der Ernsthaftigkeit, der Tiefe, der bewussten Langsamkeit - ein Leben mit Hegel, ein Schwimmen im Meer der Philosophie, ein Wegbewegen von allem Frivolen, Oberflächlichen, Bedeutungslosen, Beliebigen und ein Vertrautwerden mit dem Wertvollen, dem Tiefgründigen, dem Sinnvollen, dem Logischen.

 

1. Hegels Philosophie als Abschluss der Geschichte der Philosophie, insbesondere der Geschichte der Metaphysik

 

Um Hegels Philosophie und insbesondere seine Wissenschaft der Logik tiefgründig zu begreifen, ist es nötig, seine Auffassung der Geschichte der Philosophie zu verstehen

 

2. Hegels Begriff der Geschichte der Philosophie

 

Die Geschichte der Philosophie ist nach Hegel die Hauptdimension der Darstellung des Absoluten auf der Welt, insbesondere seiner Selbsterkenntnis. Der Fortgang der Philosophiegeschichte ist seiner Auffassung nach das langsame Sich-Selbst-Erkennen des Absoluten im Menschen. Diese Form der Selbsterkenntnis des Absoluten in seiner zeitlichen Entwicklung ist das Rückgrat der Geschichte der Philosophie, insbesondere der Geschichte der Metaphysik. Dabei entdecken die Menschen schrittweise die Kategorien, oder, was dasselbe ist, die Kategorien, also das Absolute, entdecken sich selbst im menschlichen Denken, sie offenbaren sich, sie präsentieren sich in der Welt, sie treten ans Licht zu ihrer Selbsterkenntnis. Wir können uns auch so ausdrücken, dass der Logos, die absolute Vernunft, die die Welt regiert und schöpferisch gestaltet, sich in der menschlichen Geschichte, insbesondere in der Geschichte der Philosophie und der Metaphysik, wiedererkennt.

(Anmerkung: Mündliche Erklärung über den Begriff ’Logos’. Für den entsprechenden Text, insbesondere die Lektion 7,  siehe im Internet hier, in der Bibliothek hier).

 

QUELLE 1

“Die Geschichte,  die wir vor uns haben,  ist die Geschichte  von dem Sich-Selbst-Finden des Gedankens,  und bei dem Gedanken ist es der Fall,  daß er sich nur findet,  indem er sich hervorbringt,  ja,  daß er nur existiert  und wirklich ist,  indem er sich findet.  Diese Hervorbringungen sind die Philosophien.  Und die Reihe dieser Hervorbringungen,  diese Entdeckungen,  auf die der Gedanke ausgeht,  sich selbst zu entdecken,  ist eine Arbeit von dritthalbtausend Jahren.”

G.W.F. Hegel, Werke, ​​​​Bd. 18, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Einleitung, Bestimmung der Geschichte der Philosophie, S. 23-24, Anm. 10, Suhrkampausgabe)

 

3. HEGELS HAUPTLEXIKON (Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, Wissenschaft der Logik und Geschichte der Philosophie)

 

3.1 Das Absolute

 

Hegels System der Philosophie, das in der "Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften" enthalten ist, teilt sich in drei Teile nach der folgenden Einteilung. 

 

QUELLE 2 (aus: "Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften", im Internet hier, in der Bibliothek hier)

§ 18

Wie von einer Philosophie nicht eine vorläufige, allgemeine Vorstellung gegeben werden kann, denn nur das Ganze der Wissenschaft ist die Darstellung der Idee, so kann auch ihre Einteilung nur erst aus dieser begriffen werden; sie ist wie diese, aus der sie zu nehmen ist, etwas Antizipiertes. Die Idee aber erweist sich als das schlechthin mit sich identische Denken und dies zugleich als die Tätigkeit, sich selbst, um für sich zu sein, sich gegenüberzustellen und in diesem Anderen nur bei sich selbst zu sein. So zerfällt die Wissenschaft in die drei Teile:

I. Die Logik, die Wissenschaft der Idee an und für sich,

II. Die Naturphilosophie als die Wissenschaft der Idee in ihrem Anderssein,

III. Die Philosophie des Geistes als der Idee, die aus ihrem Anderssein in sich zurückkehrt.

Oben § 15 ist bemerkt, daß die Unterschiede der besonderen philosophischen Wissenschaften nur Bestimmungen der Idee selbst sind und diese es nur ist, die sich in diesen verschiedenen Elementen darstellt. In der Natur ist es nicht ein Anderes als die Idee, welches erkannt würde, aber sie ist in der Form der Entäußerung, so wie im Geiste ebendieselbe als für sich seiend und an und für sich werdend. Eine solche Bestimmung, in der die Idee erscheint, ist zugleich ein fließendes Moment; daher ist die einzelne Wissenschaft ebensosehr dies, ihren Inhalt als seienden Gegenstand, als auch dies, unmittelbar darin seinen Übergang in seinen höheren Kreis zu erkennen. Die Vorstellung der Einteilung hat daher das Unrichtige, daß sie die besonderen Teile oder Wissenschaften nebeneinander hinstellt, als ob sie nur ruhende und in ihrer Unterscheidung substantielle, wie Arten, wären."

 

Auf den ersten Blick mag es scheinen, als gäbe es in der Welt nur Materie, d.h. die Natur, und Geist, d.h. die vom Menschen geschaffene Welt, z.B. die Geschichte. Hegel und die Metaphysiker im Allgemeinen sagen uns jedoch, dass es auch eine andere Ebene der Existenz gibt, die weder materiell noch geistig ist, es ist weder die Welt der Natur noch die Welt des Menschen, sondern etwas Höheres, etwas Reines, das eine der Mathematik vergleichbare Existenz hat. 
Das sind die logischen Kategorien, z.B. Sein, Nichts, Quantität, Qualität, Ursache, Wirkung, Möglichkeit, Notwendigkeit, usw. Diese Kategorien sind nicht nur subjektiv und menschlich, sondern haben auch einen objektiven Wert, z. B. gibt es Ursachen in der Natur, Quantität und Qualität in der Natur usw., so dass ihre Existenz sowohl natürlich als auch geistig, also absolut ist. 
Der lateinische Begriff „absolutum“, von dem der deutsche Begriff „Absolutes“ und seine Ableitungen herkommen, bedeutet wörtlich „aufgelöst“, „getrennt“.

Das Absolute ist seinem Wesen nach etwas, das nicht mit den Sinnen empirisch wahrgenommen werden kann und nirgendwo als solches zu finden ist, und doch ist es da, es hat eine Existenz. Auch die Mathematik hat eine ‚absolute‘ Existenz, so dass wir niemals Zahlen und mathematische Größen in der Natur oder im Geist finden werden, obwohl sowohl die Natur (wie die Naturwissenschaften belegen) als auch der Geist (z.B. die Musik) auf mathematischen Strukturen beruhen. Es ist bekannt, dass Pythagoras glaubte, die Zahlen seien die Erklärung für alles, das erste Prinzip des Seins. Für Hegel sind die Kategorien das erste Prinzip des Seins und die mathematischen Größen sind ein Teil der Kategorien, insbesondere der Kategorie der Quantität.

 

3.2. Die Kategorien 

 

Sie sind der Stoff, aus dem das Absolute besteht. Wie wir schon gesagt haben, haben sie eine objektive Existenz. Lesen wir Hegel darüber.

 

QUELLE 3a (aus: "Wissenschaft der Logik", im Internet hier, in der Bibliothek hier)

 

"Die reine Wissenschaft setzt somit die Befreiung von dem Gegensatze des Bewußtseins voraus. Sie enthält den Gedanken, insofern er ebensosehr die Sache an sich selbst ist, oder die Sache an sich selbst, insofern sie ebensosehr der reine Gedanke ist. Als Wissenschaft ist die Wahrheit das reine sich entwickelnde Selbstbewußtsein und hat die Gestalt des Selbsts, daß das an und für sich Seiende gewußter Begriff, der Begriff als solcher aber das an und für sich Seiende ist. Dieses objektive Denken ist denn der Inhalt der reinen Wissenschaft. Sie ist daher so wenig formell, sie entbehrt so wenig der Materie zu einer wirklichen und wahren Erkenntnis, daß ihr Inhalt vielmehr allein das absolute Wahre oder, wenn man sich noch des Worts Materie bedienen wollte, die wahrhafte Materie ist – eine Materie aber, der die Form nicht ein Äußerliches ist, da diese Materie vielmehr der reine Gedanke, somit die absolute Form selbst ist. Die Logik ist sonach als das System der reinen Vernunft, als das Reich des reinen Gedankens zu fassen. Dieses Reich ist die Wahrheit, wie sie ohne Hülle an und für sich selbst ist. Man kann sich deswegen ausdrücken, daß dieser Inhalt die Darstellung Gottes ist, wie er in seinem ewigen Wesen vor der Erschaffung der Natur und eines endlichen Geistes ist."

 

Und weiter:

 

"Ob nun das Logische zwar im Anfange des Studiums nicht in dieser bewußten Kraft für den Geist vorhanden ist, so empfängt er durch dasselbe darum nicht weniger die Kraft in sich, die ihn in alle Wahrheit leitet. Das System der Logik ist das Reich der Schatten, die Welt der einfachen Wesenheiten, von aller sinnlichen Konkretion befreit. Das Studium dieser Wissenschaft, der Aufenthalt und die Arbeit in diesem Schattenreich ist die absolute Bildung und Zucht des Bewußtseins. Es treibt darin ein von sinnlichen Anschauungen und Zwecken, von Gefühlen, von der bloß gemeinten Vorstellungswelt fernes Geschäft. Von seiner negativen Seite betrachtet, besteht dies Geschäft in dem Fernhalten der Zufälligkeit des räsonierenden Denkens und der Willkür, diese oder die entgegengesetzten Gründe sich einfallen und gelten zu lassen.
Vornehmlich aber gewinnt der Gedanke dadurch Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Er wird in dem Abstrakten und in dem Fortgehen durch Begriffe ohne sinnliche Substrate einheimisch, wird zur unbewußten Macht, die sonstige Mannigfaltigkeit der Kenntnisse und Wissenschaften in die vernünftige Form aufzunehmen, sie in ihrem Wesentlichen zu erfassen und festzuhalten, das Äußerliche abzustreifen und auf diese Weise aus ihnen das Logische auszuziehen – oder, was dasselbe ist, die vorher durch das Studium erworbene abstrakte Grundlage des Logischen mit dem Gehalte aller Wahrheit zu erfüllen und ihm den Wert eines Allgemeinen zu geben, das nicht mehr als ein Besonderes neben anderem Besonderen steht, sondern über alles dieses übergreift und dessen Wesen, das Absolut-Wahre ist."

 

3.3 Die theologische Bedeutung der "Wissenschaft der Logik" als Umsetzung von Hegels Lebensideal der Gründung einer Volksreligion als Vernunftreligion

(Über Hegels Lebensideal s. hier und die Hausarbeit bzw. das Referat von Frau Sarina Fehst)

(Mündlicher Text: s. Videoaufzeichungen der 4. Sitzung am 13.5.25 hier)

Religionsphilosophische Pyramide der Entwicklung der Geschichte

Quellentext bei Hegel hier
(In: Karl Rosenkranz, Hegels Leben, im Internet hier)
Erklärung der Pyramide hier
Quellen Text über die ‚neue Epoche‘ s.unten am Ende dieser Seite)

 

 

 

 

 

 

 

 

3.4 Hegels Bewusstsein, eine neue Epoche in der Geschichte der Menschheit mit seiner Philosophie eingeleitet zu haben

Das Bewusstsein, die Geschichte der Philosophie nicht zeitlich, sondern logisch abgeschlossen zu haben, durchzieht alle Werke Hegels von Jena an. Die Phänomenologie des Geistes stellt genau diese Ankündigung an die Welt dar: "Meine Damen und Herren, das Absolute hat sich erkannt, die absolute Wahrheit ist errreicht worden" (das ist selbstverständich kein Zitat Hegels, doch dem Sinn nach ja!).
Aber auch in den "Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie" lesen wir eine Stelle vom gleichen Ton:

 

QUELLE

"c) Dies ist nunmehr das Bedürfnis der allgemeinen Zeit und der Philosophie. Es ist eine neue Epoche in der Welt entsprungen. Es scheint, daß es dem Weltgeiste jetzt gelungen ist, alles fremde gegenständliche Wesen sich abzutun und endlich sich als absoluten Geist zu erfassen und, was ihm gegenständlich wird, aus sich zu erzeugen und es, mit Ruhe dagegen, in seiner Gewalt zu behalten. Der Kampf des endlichen Selbstbewußtseins mit dem absoluten Selbstbewußtsein, das jenem außer ihm erschien, hört auf. Das endliche Selbstbewußtsein hat aufgehört, endliches zu sein; und dadurch andererseits das absolute Selbstbewußtsein die Wirklichkeit erhalten, der es vorher entbehrte. Es ist die ganze bisherige Weltgeschichte überhaupt und die Geschichte der Philosophie insbesondere, welche nur diesen Kampf darstellt und da an ihrem Ziele zu sein scheint, wo dies absolute Selbstbewußtsein, dessen Vorstellung sie hat, aufgehört hat, ein Fremdes zu sein, wo also der Geist als Geist wirklich ist. Denn er ist dies nur, indem er sich selbst als absoluten Geist weiß; und dies weiß er in der Wissenschaft. Der Geist produziert sich als Natur, als Staat; jenes ist sein bewußtloses Tun, worin er sich ein Anderes, nicht als Geist ist; in den Taten und im Leben der Geschichte wie auch der Kunst bringt er sich auf bewußte Weise hervor, weiß von mancherlei Arten seiner Wirklichkeit, aber auch nur Arten derselben; aber nur in der Wissenschaft weiß er von sich als absolutem Geist, und dies Wissen allein, der Geist, ist seine wahrhafte Existenz.

Dies ist nun der Standpunkt der jetzigen Zeit, und die Reihe der geistigen Gestaltungen ist für jetzt damit geschlossen. -Hiermit ist diese Geschichte der Philosophie beschlossen."

G.W.F. Hegel, Werke, Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie, Bd. 20, S. 460-461, Suhkampausgabe)

 

In diesem Gedankengang hört man den Hegel von Jena, und es ist in der Tat ein gewisser Beweis aus dem jenenser Manuskript, von dem Michelet, der Herausgeber der Vorlesungen, uns erzählt, dass es dasjenige ist, das Hegel immer noch in Berlin zum Unterricht mitgenommen hat, war, kurz gesagt, sein ganzes Leben lang die Grundlage seines Unterrichts in Philosophiegeschichte geblieben. 

 

3.4 Die Kategorien und das Absolute als Logos, subjektive und objektive also absolute Vernunft

Die gesamte Kategorienstruktur, das Kategoriensystem, d.h. der Hauptinhalt der „Wissenschaft der Logik“, ist das Netzwerk, mit dem wir Menschen die Welt verstehen, aber auch verändern können. Dies ist möglich, weil dieses Netzwerk auch die Struktur der Welt ist. Die Struktur der subjektiven Vernunft des Menschen und die Struktur der objektiven Natur sind also identisch. Die Unterschiede liegen in den Aspekten der Notwendigkeit oder Freiheit und des Unbewussten oder Bewusstseins. Von den Grundsteinen des Universums (dem Mineralreich) bis zu den höchsten Formen menschlicher Kultur (nach Hegel Kunst, Religion und Philosophie) gibt es keine qualitativen, sondern rein quantitative Unterschiede (Friedrich Engels und die materialistische Dialektik über Quantität und Qualität). Steine, Galaxien, Planeten und biologische Formen entwickeln sich nach Notwendigkeit und unbewusst (nicht im Sinne Freuds, sondern einfach ohne Bewusstsein, sie wissen nicht, warum sie sich entwickeln und in welche Richtung), während die Menschen sich frei nach ihrem Bildungsstand (Kultur, Religion, Philosophie) entwickeln, d.h. sie entscheiden bewusst, wie sie ihre zukünftige Zeit mit Inhalten füllen. Beide Formen sind jedoch logisch und vernünftig. Was den Menschen betrifft, so haben wir bereits in dem Zitat aus der Geschichte der Philosophie gelesen, dass ein voll entwickeltes Bewusstsein und damit eine hundertprozentige Freiheit des Denkens nicht von vornherein (Vorgeschichte) möglich ist, sondern nur potentiell vorhanden ist, aber durch Bildung, insbesondere Religion und Philosophie, sozusagen „aktiviert“ werden kann und soll. Wird das Bewusstsein seiner Vernunft nicht richtig aktiviert, bleibt der Mensch in einem teilweise unbewussten Käfig gefangen, handelt nach seinen Leidenschaften, Instinkten und Impulsen, nicht auf rein logische und vernünftige Weise. Diese Problematik ist Gegenstand der Philosophie des Geistes und wir werden sie im Seminar des Wintersemesters genauer untersuchen. 

Was hier betont werden muss, ist, dass die Kategorien, die „Schatten“, wie Hegel es ausdrückt, immer die Grundlage sind, ob im astronomischen und geologischen Bereich oder im biologischen und geistigen Bereich. Es ist das Absolute als Logos, als objektive und subjektive Vernunft, das die Welt regiert. In der Einleitung zur Logik verwendet Hegel das griechische Wort „Nous“, doch scheint mir der Begriff „Logos“ angemessener zu sein, nicht zuletzt, weil er sich in unseren zumindest westlichen Sprachen durchgesetzt hat und weiterlebt. Lassen Sie uns Hegel lesen.

 

QUELLE 3b, Fortsetzung von 3a (aus: "Wissenschaft der Logik", im Internet hier, in der Bibliothek hier)

 

"Anaxagoras wird als derjenige gepriesen, der zuerst den Gedanken ausgesprochen habe, daß der Nus, der Gedanke, das Prinzip der Welt, daß das Wesen der Welt als der Gedanke zu bestimmen ist. Er hat damit den Grund zu einer Intellektualansicht des Universums gelegt, deren reine Gestalt die Logik sein muß. Es ist in ihr nicht um ein Denken über etwas, das für sich außer dem Denken zugrunde läge, zu tun, um Formen, welche bloße Merkmale der Wahrheit abgeben sollten; sondern die notwendigen Formen und eigenen Bestimmungen des Denkens sind der Inhalt und die höchste Wahrheit selbst."

 

Lesen wir aber auch Anaxagoras!

 

QUELLE 4  ("Die Fragmente der Vorsokratiker", Griechisch und Deutsch von Hermann Diels. 1. Band, Berlin 41922, S. 399-410, im Internet hier, in der Bibliothek hier)

 

"Fragment 1: Alle Dinge waren zusammen, unendlich der Menge wie der Kleinheit nach. Denn das Kleine war eben unendlich. Und solange alle Dinge zusammen waren, konnte man wegen ihrer Kleinheit keines darin deutlich unterscheiden. Denn Dunst und Äther, beides unendliche Stoffe, hielten alles [andere] nieder. Denn dies sind die nach Menge und Größe hervorragendsten Stoffe, die in der Gesamtmasse enthalten sind."

 

"Fragment 12. Das Übrige hat Anteil an jedem, der Geist (Nous) aber ist unendlich und selbstherrlich und mit keinem Dinge vermischt, sondern allein, selbständig, für sich. Denn wenn er nicht für sich, sondern mit irgend etwas anderem vermischt wäre, so hätte er an allen Dingen teil, vorausgesetzt nämlich, er wäre mit irgend etwas vermischt. Denn in jedem ist ein Teil von jedem enthalten, wie ich im Vorigen gesagt habe; und dann würden ihn die beigemischten Stoffe hindern, so daß er nicht ebenso gut die Herrschaft über jegliches Ding ausüben könnte wie allein für sich. Denn er ist das dünnste aller Dinge und das reinste und er besitzt jegliche Einsicht über jegliches Ding und die größte Kraft. Und über alles was nur eine Seele hat, Großes wie Kleines, hat der Geist die Herrschaft. So hat er auch die Herrschaft über die gesamte Wirbelbewegung, so daß er dieser Bewegung den Anstoß gibt. Und zuerst fing dieser Wirbel von einem gewissen kleinen Punkte an, er greift aber weiter und wird noch weiter greifen. Und alles was sich da mischte und absonderte und voneinander schied, kannte der Geist. Und alles ordnete der Geist an, wie es in Zukunft werden sollte und wie es [vordem] war [was jetzt nicht (mehr) vorhanden ist] und wie es [gegenwärtig] ist. So auch diesen Wirbel, den jetzt die Gestirne, die Sonne, der Mond und die Duft- und Ätherstoffe, die sich abscheiden, vollführen. Ihre Abscheidung aber ist gerade eine Folge jenes Wirbels. Und zwar scheidet sich vom Dünnen das Dichte, vom Kalten das Warme, vom Dunkeln das Helle und vom Feuchten das Trockne. Dabei sind viele Teile von vielen Stoffen vorhanden. Vollständig aber scheidet sich nichts vom andern ab oder auseinander, abgesehen vom Geiste. Jeder Geist aber ist von gleicher Art, der größere wie der kleinere. Sonst aber ist nichts dem anderen gleichartig, sondern wovon am meisten in einem Dinge vorhanden ist, dies bildet und bildete als das deutlichst Erkennbare das einheitliche Einzelding."

(Anmerkung: sehr hilfreich über Anaxagoras z.B. im Internet hier)

 

Lesen wir aber auch Heraklit zum Logos!

 

QUELLE 5 ("Die Fragmente der Vorsokratiker", Griechisch und Deutsch von Hermann Diels. 1. Band, Berlin 41922, S. 77-102, im Internet hier, in der Bibliothek hier)

 

"Fragment 1. Für dies Wort [Weltgesetz] (Logos) aber, ob es gleich ewig ist, gewinnen die Menschen kein Verständnis, weder ehe sie es vernommen noch sobald sie es vernommen. Alles geschieht nach diesem Wort, und doch geberden sie sich wie Unerprobte, so oft sie es probieren mit solchen Worten und Werken, wie ich sie künde, ein jegliches nach seiner Natur zerlegend und deutend, wie sich’s damit verhält. Die anderen Menschen wissen freilich nicht, was sie im Wachen tun, wie sie ja auch vergessen, was sie im Schlafe [tun].


"Fragment 2. Drum ist’s Pflicht dem Gemeinsamen zu folgen. Aber obschon das Wort [Weltgesetz]
(Logos) allen gemein ist, leben die meisten doch so, als ob sie eine eigene Einsicht hätten."

 

Lesen wir jetzt was Hegel über Heraklit schreibt:

"Bei ihm ist also zuerst die philosophische Idee in ihrer spekulativen Form anzutreffen: das Räsonnement des Parmenides und Zenon ist abstrakter Verstand; Heraklit wurde so auch überall als tiefdenkender Philosoph gehalten, ja auch verschrien. Hier sehen wir Land; es ist kein Satz des Heraklit, den ich nicht in meine Logik aufgenommen."

 

Darüber ist sehr aufschlußreich, was Herr Professor Hoffmann in seinem Aufsatz über den internationalen Hegelianismus in Bezug auf den italienischen Hegelianismus schreibt:

"Der erste Gesichtspunkt ist folgender: Der italienische Hegelismus setzt eine substanzielle und innere Affinität zwischen dem italienischen und dem hegelianischen Denken voraus, so dass das Hegelsche Denken nicht grundsätzlich als „Fremdkörper“ gegenüber der eigenen Tradition erscheint, sondern so etwas wie eine „ursprüngliche Affinität“ vorhanden ist, die es ohne große Schwierigkeiten ermöglicht, das hegelianische Denken in den italienischen Denk- und Lebenskontext zu integrieren."

(Thomas S. Hoffmann, Le specificità della fortuna di Hegel in Italia nel contesto dell’hegelismo internazionale dell’Ottocento, in: La fortuna di Hegel in Italia nell’Ottocento, a cura di Marco Diamanti, Napoli 2020, S. 96, in der Bibliothek hier; dt. Übersetzung: Die Besonderheiten von Hegels Rezeption in Italien im Kontext des internationalen Hegelismus des 19. Jahrhunderts, in: Hegels Rezeption in Italien im 19. Jahrhundert, hrsg. von Marco Diamanti, Neapel 2020)

Prof. Hoffmann bezieht sich dabei auf die Theorie des Kreislaufs des europäischen Denkens, die vom italienischen hegelianischen Philosophen Betrando Spaventa stammt. Nach dieser Theorie hat sich die Philosophie nach ihrer Geburt in Griechenland bzw. Großgriechenland (Magna Graecia, Süd Italien) auf Grund der Verfolgung durch die katholische Kirche (Ermordung von Giordano Bruno durch Verbrennung im Jahr 1600) in den relativ freien europäischen Norden wegbewegt, wo sie dann insbesondere in Deutschland in den Philosophien von Schelling und Hegel aufgenommen wurde. Es soll uns also gar nicht wundern, dass wir in Hegel das urspüngliche Denken der Vorsokratiker wiederfinden, da er seine Philosophie als die Wiederherstellung und Weiterentwicklung dieser "Urphilosophie" und "Urweisheit" der Menschheit verstand. 

So Hoffmann über Spaventa:

"Italien zwinkert den Deutschen keineswegs zu, sondern beansprucht nur das, (hier folgen die Worte von Spaventa) „was uns gehört und nun in anderer Form zum Eigentum des universellen Geistes geworden ist und die wesentliche Bedingung unserer Zivilisation und aller Völker darstellt“. Auf diese Weise entwickelt Spaventa seine eigene „Theorie der Zirkularisierung bzw. Kreislaufs“, nach der sich die eine philosophische Wahrheit historisch an verschiedenen Orten entwickelt, aber das gemeinsame Erbe des menschlichen Geistes bleibt. In diesem Sinne waren, in Spaventas Worten, „Spinoza, Kant, Fichte, Schelling und Hegel... die wahren Schüler Brunos, Vaninis, Campanellas, Vicos und anderer berühmter Persönlichkeiten“. Und es ist nichts Verwerfliches daran, wenn Italien auf diese Weise seinen rechtmäßigen Platz im Pantheon der Geister der Welt zurückerobert, wenn Italien sich wieder mit jener Form der Wissenschaft verbindet, der es gegenwärtig gelingt, die organische Einheit des gesamten Wissens darzustellen, denn diese drückt nur aus, was bereits das Erbe des italienischen Geistes war."
(Ebd. S. 99)

 

Die Worte von Prof. Hoffmann scheinen mir als Italiener, der diese Situation persönlich erlebt hat, sehr treffend. Dazu würde ich nur sagen, dass Griechenland auch dazu gehört, es ist philosophisch und allgemein kulturell betrachtet unsere Mutter, der Deutschen sowie der Italiener.

Es handelt sich um eine Betrachtung der Geschichte der Philosophie, insbesondere der Logik-Metaphysik, wie Professor Hoffmann sie nennt, der „Logosphilosophie“. Die Logosphilosophie entstand in Griechenland-Großgriechenland (Süditalien) als ein intellektuelles Interpretation des Hauptprinzips der Welt (arché) als Logos. Die Römer entwickelten die Philosophie weiter und verbreiteten sie auf verschiedene Weise auf dem europäischen Kontinent und darüber hinaus. Nach dem Untergang der römischen Herrschaft entwickelte sich die Philosophie in ganz Europa weiter, erlebte aber in Italien mit der Renaissance und dem Humanismus eine neue Blütezeit, als sie sich von der Dominanz der christlichen Theologie und des Mittelalters lösen wollte. Giordano Bruno war der bekannteste Vertreter dieser neuen Glanzzeit der Philosophie. Die neue Ära kam jedoch nicht in Schwung, weil die katholische Kirche Bruno anklagte und ihn am 18. Februar1600 bei lebendigem Leib verbrannte. Von da an konnte sich die Philosophie nur noch in Nordeuropa entwickeln, wo der Protestantismus bessere Bedingungen für das freie Denken bot. Schelling und vor allem Hegel verstanden jedoch, dass die echte theologisch-philosophische Wahrheit in den Philosophien des Ursprungs der Philosophie in Südeuropa zu finden ist und dass diese ursprüngliche Wahrheit der Philosophie die eigentliche ’Religion der Vernunft’ ist, wonach sie, Kant folgend, strebten. In der Tat ist auch der Protestantismus eine „endliche Form“ der Religion. Nur die „Logos-Philosophie“, wie Hegel sie in seinem System darstellt, ist die „unendliche Form“ der Wahrheit. Diese Philosophie ist also die neue Religion der Menschheit, eine Vernunftreligion freilich, die die gesamte Entwicklung der Philosophie enthält und aufhebt. Die Philosophie als „Religion der Vernunft“ sollte eine neue Epoche eröffnen, wie Hegel es wörtlich formulierte. Diese neue Epoche hat sich jedoch aus verschiedenen Gründen noch nicht durchsetzen können. Sie ist die Zukunft der Menschheit, der wahre „Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit“ (Kant), in dem sich die Menschheit leider immer noch befindet.

 

 

 

MÖGLICHE INHALTE DER KOMMENDEN SITZUNGEN (noch in Bearbeitung, es sind nur Notizen)

 

Darstellung bzw. Manifestation: die Welt (als System) ist die Darstellung bzw. die Manifestation des Absoluten.

Selbsterkenntnis: Das Absolute erkennt sich selbst im Menschen; der Mensch als ’Ort’ der Selbsterkenntnis des Absoluten.

Metaphysik: Ist die Haupttätigkeit dieser Selbsterkenntnis.

 

Idee: Ist eine detaillierte, bestimmte Definition bzw. Bezeichnung des Absoluten. 

Schöpferkraft, Kreativität: Sie ist das Leben der Kategorien, die nicht statisch und formell sind, wie leere Formen der Erkenntnis (Aristoteles, Kant, heutige analytische Philosophie und formelle bzw. transzendentale Logik), sondern dynamisch und substantiell, den Hauptinhalt der Erkenntnis und die absolute Wahrheit an sich (Hegel und dialektisce Logik). 

 

(Anmerkung: evtl. Lektüre des Textes über formale, transzendentale und dialektische Logik).

 

4. Parallelität zwischen logischer Entwicklung der Kategorien in der Logik-Metaphysik und historischer Entwicklung in der Geschichte der Philosophie

 

Hegels meisterhafte Idee in dieser Hinsicht ist, dass jeder echter Philosoph dadurch gekennzeichnt ist, dass er eine Kategorie entdeckt hat (z. B. Parmenides die Kategorie ’Sein’, Heraklit ’Werden’, Spinoza ’Substanz’ usw.). Laut ihm gibt es in der Geschichte der Philosophie eine Parallelität zwischen der Aufeinanderfolge der logisch-metaphysischen Kategorien, die den Inhalt der Wissenschaft der Logik sowie die Struktur des Denkens bilden, und der Aufeinanderfolge philosophischer Systeme. Auf diese Weise wird durch zweitausendfünfhundert Jahre philosophischer Arbeit das Absolute, das in nicht selbstbewusster Form in den ersten Menschen schon vorhanden ist, selbstbewusst, es erkennt sich selbst, kurz gesagt, wird nach Hegels Bezeichnungen zum „absolutenWissen’, ’absoluten Geist’. 

 

QUELLE 

"Nach dieser Idee behaupte ich nun, daß die Aufeinanderfolge der Systeme der Philosophie in der Geschichte dieselbe ist als die Aufeinanderfolge in der logischen Ableitung der Begriffsbestimmungen der Idee. Ich behaupte, daß, wenn man die Grundbegriffe der in der Geschichte der Philosophie erschienenen Systeme rein dessen entkleidet, was ihre äußerliche Gestaltung, ihre Anwendung auf das Besondere und dergleichen betrifft, so erhält man die verschiedenen Stufen der Bestimmung der Idee selbst in ihrem logischen Begriffe. Umgekehrt, den logischen Fortgang für sich genommen, so hat man darin nach seinen Hauptmomenten den Fortgang der geschichtlichen Erscheinungen; – aber man muß freilich diese reinen Begriffe in dem zu erkennen wissen, was die geschichtliche Gestalt enthält." 

G.W.F. Hegel, Werke, ​​Bd. 18,  Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Einleitung, Bestimmung der Geschichte der Philosophie, S. 49, Suhrkampausgabe

 

5. Hegels Zweifel über die perfekte Korrespondenz zwischen logischer und historischer Entwicklung der Kategorien

An der gleichen Stelle lesen wir aber auch, dass Hegel darüber Zweifel hatte, ob es wirklich eine perfekte (1 zu 1) Korrespondenz zwischen logischer und historischer Entwicklung der Kategorien gibt bzw. gegeben hat. Er zeigt sich bewusst, dass diese Frage offen bleibt, er hat wahrscheinlich nicht die Zeit und die Möglichkeit gehabt, sie zu vertiefen. 

 

QUELLE 

„Ferner unterscheidet sich allerdings auch nach einer Seite die Folge als Zeitfolge der Geschichte von der Folge in der Ordnung der Begriffe. Wo diese Seite liegt, dies näher zu zeigen, würde uns aber von unserem Zwecke zu weit abführen.“

G.W.F. Hegel, Werke, ​​Bd. 18,  Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Einleitung, Bestimmung der Geschichte der Philosophie, S. 49, Suhrkampausgabe

 

6. Anfang und Ende der Logik-Metaphysik und der Geschichte der Philosophie

 

Dagegen zeigt er klare Ideen über den Anfang und das Ende der Geschichte der Philosophie im Klaren zu haben. In der Wissenschaft der Logik haben die Kategorien einen Anfang, eine erste Kategorie (das Sein, das Hegel mit der Philosophie von Parmenides identifiziert), und ein Ende, das offensichtlich die letzte Kategorie ist, repräsentiert durch die absolute Idee, d.h. die absolute Vernunft, den Logos, der sich selbst verstanden hat. Es handelt sich um die letzte Kategorie, die nach dem dialektischen Prinzip der Aufhebung alle vorhergehenden Kategorien in sich enthält.

(Anmerkung: Mündliche Erklärung über den. Begriff ’Aufhebung’ und über die Kategorien; für den entsprechenden Text siehe hier, insbesondere die Lektion 7, Paragraph: "Allgemeine Prinzipien der absoluten Vernunft: die Aufhebung").

Was das ’Ende’ der Geschichte der Philosophie betrifft, ist Hegel der Meinung, dass die Geschichte der Philosophie ihr „Ende“ in dem Philosophen hat, dem es gelungen ist, die letzte Kategorie, d.h. die absolute Idee, auszudrücken und damit die absolute Vernunft, den Logos, zu verstehen. Dieser Philosoph ist natürlich Hegel selbst, sonst wäre er sich dessen nicht bewusst gewesen, wenn er den Kreis nicht geschlossen hätte.

 

QUELLE 

„An diesem Punkt ist also der universelle Geist angekommen, und jede Stufe hat ihre spezifische Form im wahren System der Philosophie: nichts geht verloren, alle Prinzipien werden bewahrt; die ultimative Philosophie und in der Tat die Gesamtheit der Formen. Diese konkrete Idee ist der Abschluss des Würgens des Geistes, in dem zweieinhalb Jahrtausende sehr ernsthaft daran gearbeitet haben, sich selbst objektiv zu werden, sich selbst zu erkennen.“

G.W.F. Hegel, Werke, Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie, Bd. 20, S. 455, Suhrkampausgabe)

 

7. Unterscheidung zwischen Ende und Ziel der Geschichte der Philosophie

Hegels Philosophie stellt also die Vollendung der Philosophie dar; diese Wissenschaft hat in ihr, insbesondere in ihrer Logik-Metaphysik, ihr Ziel erreicht, indem das Absolute in seiner eigenen Form, als Vernunft, erkannt wird. Weiter kann man nicht gehen! Das Absolute, das die Vernunft ist, wird als solches, als Vernunft, erkannt. Während in der Kunst und in der Religion, den beiden anderen Formen der Darstellung des Absoluten in der Welt, eine Kluft zwischen der endlichen menschlichen Subjektivität (der Intuition des Künstlers, der Vorstellung des Gläubigen) und der objektiven rationalen Form des Absoluten besteht, wird dieser Unterschied, diese Diskrepanz in der Logik-Metaphysik vollständig aufgehoben. 

Hegel konnte jedoch nicht so naiv sein zu glauben, dass mit seiner eigenen Philosophie die menschliche Wahrheitssuche im wahrsten Sinne des Wortes endete! Dazu ist es in der Tat notwendig, sehr genau zwischen „Ende“ und „Ziel“ der Philosophie begrifflich zu unterscheiden. Die italienische Sprache bietet interessanterweise zwei identische Worte, die jedoch unterschiedlichen Genres angehören und eine scheinbar ähnliche Bedeutung haben, aber doch ganz unterschiedlich sind: "la fine" (Femininum, das Ende) und "il fine" (Maskulin, das Ziel); im Latein, von dem die italienische Sprache herkommt, haben wir das Wort ’finis’, das beides bedeutet; auf Deutsch gibt es zwei unterschiedliche Worte, was wahrscheilich besser ist, obwohl es doch nicht ganz verkehrt ist, dasselbe Wort zu verwenden, wie auf Latein und teilweise auf Italienisch, da Ende und Ziel doch auch zusammengehören. Es ist sehr interessant zu merken, wie Logik und Sprache oft miteinander verbunden sind. 

Das „Ende“ von etwas betrifft seine Existenz in der Zeit, d.h. den Übergang von seinem Sein zu seinem Nichtsein, genau nach Hegels Definition dieser beiden Kategorien von Sein-Nichtsein in den ersten Abschnitten der Wissenschaft der Logik. Das „Ziel“ von etwas ist vielmehr sein Zweck, ebenfalls eine Kategorie der Logik, die Hegel im Abschnitt über das Wesen erörtert. Das Ziel ist die Vollendung des Prozesses, die Verwirklichung des Begriffs eines Seienden zu seiner eigenen Erfüllung, zu seiner eigenen Verwirklichung.

Wenden wir nun diese doppelte Kategorie des Endziels auf die Geschichte der Philosophie an, so können wir sagen, dass das Ziel des Prozesses der Geschichte der Metaphysik das absolute Selbstbewusstsein ist, d.h. das Bewusstsein, zu dem der ‚letzte‘ Metaphysiker gelangt, dass der Logos sich endlich erkannt hat und das Grundprinzip der Welt verstanden wurde. 
Wenn man diese Stufe des Selbstbewusstseins des Absoluten erreicht hat, kann man kein höheres Wissen als dieses anstreben; dieses volle Bewusstsein wird in Hegels Logik-Metaphysik erreicht, da in ihr die Kategorien objektiv und wissenschaftlich erkannt werden, wie wir in diesem Seminar zeigen werden. 
In diesem Sinne ist das Ziel der Geschichte der Metaphysik erreicht worden. Wir können sagen, dass die Metaphysik die erste Wissenschaft ist, die ihr Ziel erreicht hat, nämlich das Verständnis des ersten Prinzips der Welt, das die Griechen ’archè’ nannten. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Geschichte der Philosophie zu Ende ist, d.h. dass ihr Endpunkt erreicht ist! Die Geschichte der Philosophie ging und geht natürlich weiter, mit einer Vielzahl von Aufgaben. 
Nach Hegesl Tod war es zunächst einmal notwendig, seine Philosophie gut zu verstehen, um von Anfang an eine solide Hegel-Forschung zu haben, auch weil Hegel plötzlich starb, ohne ein philosophisches Testament hinterlassen zu können. Daher die interne Spaltung unter seinen Schülern und alles, was daraus folgte.
Zweitens wurden wichtige, wenn auch teilweise fehlerhafte Versuche unternommen, den dialektischen Staatsbegriff zu realisieren (Marx-Kommunismus, Gentile-Faschismus). Gerade weil die Hegel-Forschung Hegels Philosophie noch nicht hinreichend verstanden hatte, nicht zuletzt, weil viele seiner Schriften, vor allem die seiner Jugend, erst viel später veröffentlicht wurden und erst in den letzten Jahrzehnten in eine wissenschaftlich gültige zeitliche Ordnung gebracht werden konnten, sind diese historischen Versuche, einen philosophisch-dialektischen Staat zu begründen, entweder gescheitert oder Diktatur geworden (was gegen der Geist des Idealismus geht, der die Freiheit für alle ist). 
Heute ist die Situation jedoch anders. Die Hegel-Forschung hat vor allem nach 1945 große Fortschritte gemacht, und die wissenschaftliche Ausgabe von Hegels Werken (Gesammelte Werke, Link hier) ermöglicht uns, eine objektiv angemessene Kenntnis seines authentischen Denkens zu erreichen.
Es ist also heute möglich, die authentische Bedeutung der Hegelschen Philosophie als ultimative „Metaphysik“ objektiv adäquat zu erkennen und auf der Grundlage dieser Erkenntnis des ersten Prinzips der Welt eine dieser Erkenntnis angemessene philosophische Weltgesellschaft zu schaffen. 
Die Geschichte der Metaphysik ist also in ihren Grundzügen abgeschlossen, die Geschichte der Philosophie dagegen geht verstärkt weiter, denn sie muss nun von der Theorie zur Praxis, zur Verwirklichung des philosophischen und „dialektischen“ Staates übergehen. Die ersten zwei Versuche sind gescheitert, die Welt braucht aber jetzt einen dritten. 

 

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