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Willkommen in der kosmopolitischen Welt der Zukunft!

Willkommen in der kosmopolitischen Welt der Zukunft!

Zweck einer Philosophie für die Zukunft (PfF)

Ziel dieser Plattform ist es, die Friday-for-Future-Bewegung sowie alle zukünftigen Bewegungen, die bereits aktiv sind oder geboren werden, wissenschaftlich und philosophisch dabei zu unterstützen, der aktuellen Umweltkrise zu begegnen und ein menschenwürdiges Leben für jeden Menschen auf dem Planeten Erde zu fördern unabhängig von seinem Geburtsort.

Da diese Krise nicht nur auf technologische und physische Probleme zurückzuführen ist, sondern ihren Ursprung in einer Weltsicht, also der Sicht auf Mensch und Gesellschaft hat, die den quantitativen und materialistischen Aspekt des Lebens über seinen qualitativen und spirituellen Aspekt stellt, reicht ein rein wissenschaftlicher Ansatz im Sinne der Naturwissenschaften nicht aus, um eine Lösung zu finden. Es bedarf einer echten philosophischen Veränderung der Prinzipien, die das Leben des Menschen auf dem Planeten Erde bestimmen.

Um den treffenden glücklichen Ausdruck zu verwenden, den Thomas Kuhn vor einiger Zeit in seinem heute grundlegenden Text Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen geprägt hat, brauchen wir einen ’Paradigmenwechsel’.

Das Paradigma, das Grundprinzip, das unsere Gesellschaft heute auf globaler Ebene inspiriert, ist das des Wachstums (wirtschaftlich, technologisch, demografisch usw.). Dieses Paradigma, das sich seit mindestens 250 bis 300 Jahren exponentiell ausbreitet, hat es zweifellos ermöglicht, in einigen Regionen der Welt hohen Wohlstand zu erzielen, allerdings zu einem sehr hohen Preis. 

Beide Weltkriege allein mit ihrem Ausmaß an Tod und Zerstörung sind sicherlich auf den imperialistischen Willen der Industriegesellschaften zurückzuführen. Für Wachstum und Expansion wurde Krieg geführt, nur um festzustellen, wer dominieren und damit expandieren und weiterwachsen sollte.

 

Die Weltkriege wurden nicht nur von schlechten Diktatoren verursacht, sondern von gierigen Nationalstaaten, die um die Weltherrschaft kämpften, um ihr Wachstum und ihre Expansion zu sichern.  Es ging darum, zu bestimmen, wer in der Welt das Sagen hat und heute wissen wir auch, wer gewonnen hat und wer das Sagen hat. 

Nur die Möglichkeit der Atombombe und damit die Unsicherheit des Sieges verhinderten bisher einen Dritten Weltkrieg, der als latente Möglichkeit immer bedrohlich vorhanden ist. Die Nationalstaaten sind weitgehend militarisiert und bereit für den Fall eines Krieges, auch wenn zum Glück im Moment die Zusammenarbeit, wenn auch oft unsicher, im Vordergrund der Bemühungen steht. Es herrscht noch immer das rücksichtslose Gesetz der Unterdrückung des Konkurrenten in einem Wettlauf um das Wachstum und die Expansion vor. 

Aber nicht nur die sehr hohen menschlichen Verluste der Weltkriege sowie die Angst, dass sich dies wiederholen könnte, werfen einen dunklen Schatten auf das Paradigma des Wachstums um jeden Preis. Die Umweltkrise scheint nun eine mindestens ebenso ernste Bedrohung zu sein. Zum ersten Mal in der Geschichte sieht der Mensch die gleichen Kräfte und Ressourcen, die sein Leben auf dem Planeten sichern, sich gegen ihn wenden.

Schließlich zeigen die lokalen Krisenszenarien in verschiedenen Regionen auf unwiderlegbare Weise, dass das Paradigma, das Dogma des Wachstums, sehr hohe Kosten hatte und noch heute hat. Sei es die Ausbeutung in der Kinder- und  Erwachsenenarbeit ohne Achtung der in der Erklärung von 1948 verankerten Grundrechte oder die Tode  durch Hunger und Krankheit in vielen Regionen der Erde, während andere Regionen stattdessen in abfallreichem Luxus leben. Dieser Luxus wiederum verursacht Umweltzerstörungen, die oft genau die Menschen belasten, die keinen Nutzen aus einem solchen Wachstum ziehen.

Die Forderung nach Klimagerechtigkeit wird heute zu Recht in den Protesten erhoben, um der Umweltkrise zu begegnen.  Die Probleme lassen sich jedoch nicht bloß mit trotzdem notwendigen Mitteln, wie zum Beispiel der Green Economy lösen, sondern nur durch die Abkehr vom Grundprinzip des unkontrollierten und unbegrenzten Wachstums. Dies ist die Quelle aller Probleme, die die Menschheit in den letzten zwei oder drei Jahrhunderten erlebt hat.  Zu denken, das Problem zu lösen, ohne das Prinzip zu ändern, das die Ursache ist, ist eine bloße Illusion und kann nur dazu dienen, das Gewissen zu beruhigen.  

Die Lösung der Probleme des menschlichen Lebens auf der Erde ist in der Tat kein rein wirtschaftliches oder technologisches Problem, das durch eine Än-derung der Produktionsweise gelöst werden kann, sondern ein philosophisches Problem. Dies nicht zu verstehen und voranzuschreiten, als ob nichts geschehen wäre, als ob der historische Moment des ’Paradigmenwechsels’ nicht gekommen wäre, bedeutet nur, mehr wertvolle Zeit zu verschwenden. Dies könnte sich dann als tödlich für eine effektive Lösung der Umweltprobleme erweisen.

Dem britischen Historiker und Politiker Arnold Joseph Toynbee war dies bereits bewusst, und schon 1976 schrieb er in einem seiner wichtigsten Werke, "The Tale of Man":

"In den letzten zwei Jahrhunderten hat der Mensch seine materielle Macht so weit erhöht, dass sie zu einer Bedrohung für das Überleben der Biosphäre geworden ist, aber er hat seine geistigen Möglichkeiten nicht gleichzeitig entwickelt, sondern im Gegenteil, die Lücke zwischen diesen und seiner materiellen Macht hat sich entsprechend erweitert. Diese Diskrepanz ist ein Grund zur Beunruhigung, denn nur eine Entwicklung des geistigen Potentials des Menschen ist heute die einzig denkbare Veränderung in der Konstitution der Biosphäre, die die Biosphäre selbst und den Menschen damit vor der Zerstörung durch eine Gier schützen kann, die heute mit der Kraft ausgestattet ist, die notwendig ist, um ihre eigenen Ziele zu besiegen.“

(aus: Menschheit und Mutter Erde. Die Geschichte der großen Zivilisationen,  S. 487)

Toynbee wies auch auf das Ziel hin, dass die "Entwicklung des geistigen Potenzials des Menschen" anstreben sollte:

"Die derzeitige globale Reihe von lokalen souveränen Staaten ist nicht in der Lage, den Frieden zu bewahren, noch ist sie in der Lage, die Biosphäre vor der Verschmutzung durch den Menschen zu bewahren oder ihre nicht rekonstituierbaren natürlichen Ressourcen zu erhalten. Auf politischer Ebene kann die universelle Anarchie in einer ökumenischen Welt, die bereits aus technologischer und wirtschaftlicher Sicht in Einheit verwandelt wurde, nicht mehr bestehen. Was sich in den letzten 5.000 Jahren als unverzichtbar erwiesen hat und in den letzten 100 Jahren auf technologischer Ebene, aber noch nicht auf politischer Ebene, als machbar erwiesen hat, ist die Schaffung eines universellen politischen Gremiums, das sich aus Zellen der Größe neolithischer Dorfgemeinschaften zusammensetzt - eine Dimension, in der sich die Mitglieder persönlich kennenlernen können, und gleichzeitig kann jeder von ihnen auch Bürger eines Weltstaates sein.“ (ebd. S. 501).

Nur mit einem neuen philosophischen Ansatz, einer neuen Sicht auf Mensch und Gesellschaft und damit mit einem neuen Paradigma können wir der Umweltkrise entgegenwirken, die keine Krise der Natur ist, sondern eine Krise des Menschen und der Weise wie er sich auf die Natur bezieht.

Es geht nicht darum, auf das Wachstum zu verzichten und sich für ein "glückliches Entwachstum (Degrowth)" zu entscheiden, auch wenn dies sicherlich gute Gründe hat, wie Serge Latouche vorgeschlagen hat. Es geht vielmehr darum, dass die Menschheit das Wachstum aus qualitativer Sicht und nicht mehr nur aus quantitativer Sicht, aus philosophisch-sozialer Sicht und nicht mehr nur aus ökonomisch-individueller Sicht betrachtet. Im Wesentlichen müssen wir uns selbst in Frage stellen und nicht nur die Grenzen, sondern auch und vor allem die Bedeutung von Wachstum hinterfragen.

Was nützt ein überproportionales Wachstum, das nur ein Teil der Menschheit genießt, während der andere Teil unter vermeidbar schlechten Bedingungen von Armut, Mangel und Tod lebt?

Was nützt das Wachstum, wenn die reichen Länder durch ihre Gier nach Luxus und Verschwendung die Natur jener Länder ruinieren, die sich stattdessen mit einem sparsamen Leben im Einklang mit der Natur zufrieden geben würden? Was nützt das Wachstum, wenn dann die natürlichen Bedingungen beeinträchtigt werden und die Lebensqualität und -quantität des Menschen überall, auch in den reichen Ländern selbst, abnimmt?

Ohne eine tiefgreifende philosophische Reflexion, die sich mit diesen Fragen beschäftigt und logische, rationale und valide Antworten für die gesamte Menschheit, nicht nur für die Verantwortlichen, findet, kann es keine reale, ernsthafte, menschliche und vernünftige Zukunft geben.

Der Mensch muss sein Schicksal selbst in die Hand nehmen, wie Toynbee es gut beschrieben hat, und zwar auf globale und nicht auf nationale Ebene. Also muss die ganze Menschheit dies tun, denn nationale Antworten greifen zu kurz und sind nicht ausreichend. Wir sind zu einer global vernetzten Menschheit in einem Land geworden, das heute tatsächlich "das globale Dorf" (McLuhan) ist, eine Einheit der Tatsache, wenn auch noch nicht des Gesetzes. Dies ist die Dimension des Lebens der Menschheit auf dem Planeten Erde im dritten Jahrtausend und nach dieser Dimension müssen wir denken und handeln.

Diese Plattform will der Ort eines solchen Denkens und einer philosophischen Reflexion über das Wachstum und damit über die Zukunft und das Schicksal der Menschheit werden. WissenschaftlerInnen, PhilosophInnen, PolitikerInnen usw., die in ihren Forschungen und beruflichen Tätigkeiten Sensibilität und Verständnis für dieses Thema gezeigt haben, werden zur Teilnahme eingeladen. Sicherlich kann niemand allein das komplette Rezept haben, aber aus vielen Einzel- und Teilrezepten kann diese Vision, dieses neue Paradigma hervorgehen, das den zukünftigen Kurs der Menschheit beleuchtet. Die Plattform soll diesen ForscherInnen einen Raum geben, wo sie die Möglichkeit haben, ihre Ideen einem breiteren Publikum vorzustellen. Ein solches Publikum soll aus den AktivistInnen von Bewegungen wie Fridays-for-Future bestehen, die weltweit für Umwelt, Gerechtigkeit, Frieden usw. tätig sind, aber oft nicht auf eine adäquate Art über das nötige philosophische und naturwissenschaftliche Wissen verfügen.

Die Plattform soll folglich als Schnittstelle zwischen WissenschaftlerInnen und AktivistInnen dienen. Sie ist interaktiv, d.h. die AktivistInnen können in Kontakt mit den ForscherInnen treten, Fragen stellen usw. – ähnlich wie auf anderen Social-Media-Kanälen, nur dass es sich hier um ein philosophisches, wissenschaftliches Medium handelt. Die Wissenschaft soll im Gespräch mit den AktivistInnen kommen. Sie brauchen sich gegenseitig. Die Wissenschaft will (und muss, das ist ihre Pflicht)  Einfluss auf die Entwicklung der Welt nehmen, die AktivistInnen wollen bei der Entwicklung der Welt auch mitwirken, wissen aber nicht immer genau wie, da es ihnen oft an Wissen fehlt.

Die Plattform soll also die Kommunikation und die Vermittlung zwischen beiden Seiten ermöglichen, zwischen WissenschaftlerInnen und AktivistInnen: Die Wissenschaft (das Vernünftige, der Kopf) erreicht die Aktivisten (das Wirkliche, die Hand), nach Hegels Grundidee, dass das, was wirklich ist, ist das Vernünftige, und das, was vernünftig ist, ist wirklich.

„Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig.“

(G.W.F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Frankfurt am Main 1972, S. 11, Erstausgabe Berlin 1821).

Heute ist dies noch nicht gegeben, da die PolitikerInnen und leitende AkteurInnen in der Wirtschaft nicht das Vernünftige, sondern ihr eigenes Machtinteresse vertreten. Das muss sich in Zukunft schnell ändern, wenn wir eine andere Umweltpolitik sowie Gerechtigkeits- und Friedenspolitik haben wollen: Eine philosophische Plattform kann dazu sehr unterstützend, vielleicht sogar entscheidend sein!

Dieser neue Zukunftskurs muss von denen stark gewollt und mutig verfolgt werden, die heute und morgen das Bedürfnis verspüren, freitags auf die Straße zu gehen. Dies ist ganz wichtig, um der ganzen Welt und vor allem denjenigen, die das politische Geschehen weltweit leiten, zu zeigen, dass es ein klares Gewissen und den festen Willen gibt, nicht zuzulassen, dass das unbestrittene Dogma des Wachstums noch mehr Opfer sowie andere Naturkatastrophen verursacht, bis es kein Zurück mehr gibt. Das sollen die vernünftig, also philosophisch denkenden Menschen nicht erlauben!

Die Zukunft gehört der ganzen Menschheit und nicht nur denen, die nach den letzten Kriegen die Führung übernommen haben. Eine "Philosophie für die Zukunft", die wir hier gemeinsam - Intellektuelle und AktivistInnen - erarbeiten werden, soll uns bei dieser sicherlich schwierigen, aber sehr dringenden und vor allem unumgänglichen historischen Aufgabe unterstützen.

(Marco de Angelis, 1. Januar 2020)

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