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Philosophische Ansätze zur Beendigung der Weltarmut

Philosophische Ansätze zur Beendigung der Weltarmut

Philosophische Ansätze zur Beendigung der Weltarmut

von

Theresa Demmel

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Inhaltsverzeichnis
1.  Einleitung 
2.  Weltarmut 
2.1.  Definition und Zahlen 
2.2.  Verantwortung für die Weltarmut 
3.  Ansätze für die Beendigung der Weltarmut 
3.1.  Thomas Pogge: Kosmopolitismus und Souveränität 
3.2.  Marco de Angelis   
3.2.1.  Das Absolute 
3.2.2.  Monismus und Dualismus 
3.2.3.  Die Philosophisch – idealistische Zivilisation 
3.3.  Vergleich der beiden Ansätze 
3.4.  Umsetzung  
4.  Fazit 
5.  Reflexion 
6.  Quellenverzeichnis 

 

  1. Einleitung

Das Thema Armut begleitet die Weltbevölkerung schon seit ihrer Existenz und ist somit kein neues Thema.

Seit Jahrzehnten wird an Lösungsstrategien gearbeitet, welche der Armut ein endgültiges Ende setzen könnten.

Doch obwohl viele unterschiedliche Maßnahmen ergriffen wurden, stehen wir heutzutage immer noch vor dem großen Problem der Weltarmut.

Die Vereinten Nationen haben sich 2016 bei der Ausarbeitung der Sustainable Development Goals, welche für nachhaltige Entwicklung im sozialen, ökologischen und ökonomischen Bereich sorgen sollen, das Ziel gesetzt, extreme Armut bis 2030 zu beenden und die Anzahl der Menschen, die nach nationaler Definition in Armut leben, zu halbieren.[1] Darunter fallen Unterziele wie die Errichtung von Sozialschutzsystemen und -maßnahmen und die Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der Armen. Die Verwirklichung der Ziele soll durch die verstärkte Entwicklungszusammenarbeit erreicht werden. Die Länder des globalen Südens sollen durch beschleunigte Investitionen der wohlhabenderen Länder die Unterstützung erhalten, um in ihrem Land Programme und politische Veränderungen zur Beendigung der Armut umzusetzen.[2] Laut Prognosen der Vereinten Nationen werden die gesetzten Ziele wahrscheinlich nicht erreicht. Bei einer gleichbleibenden Abnahme der Anzahl der in Armut lebenden Menschen werden in 2030 immer noch 6 Prozent in extremer Armut leben, in Afrika südlich der Sahara würde die Rate sogar im zweistelligen Bereich bleiben.[3]

Das zeigt, warum die Entwicklungszusammenarbeit allein nicht ausreicht, um ein der größten Probleme der Welt zu beheben. Es müssen andere Veränderungen diskutiert werden, die nachhaltiger und effektiver die Armut beenden.

Zwei mögliche philosophische Ansätze, die jeden Menschen in die Verantwortung und damit in die Bekämpfung der Weltarmut einbeziehen, werden in der Hausarbeit vorgestellt.

  1. Weltarmut
    1. Definition und Zahlen 

Wer in Armut lebt, lebt unter menschenunwürdigen Bedingungen und kann laut Definition des Entwicklungsausschusses der OECD, seine Grundbedürfnisse an Nahrungsmitteln, Gesundheitsversorgung, Bildung, Ausübung von Rechten, Mitsprache und Sicherheit nicht oder nur teilweise befriedigen.[4] Somit sind die Menschenrechte, der sich in Armut befindenden Menschen, extrem eingeschränkt.

Die Armutsgrenze ist nach der Definition der Weltbank für jedes Land unterschiedlich, da man die Grenze nur in Abhängigkeit zum Bruttonationaleinkommen betrachten sollte, da dies stark variiert. Diese variable Grenze wird weltweit von 3,4 Milliarden unterschritten.[5] Das sind mehr als das Vierfache der Einwohner Europas und fast 50 Prozent der Weltbevölkerung.

Extreme Armut hingegen trifft laut Weltbank dagegen auf Menschen zu, die weniger als 1,90 Dollar täglich zur Verfügung haben.[6] Diese Grenze unterschritten 2015 736 Millionen Menschen, rund zehn Prozent der Weltbevölkerung.[7]

Ob diese Grenze ein realistischer Maßstab dafür ist, um zu bestimmen, welcher Anteil der Weltbevölkerung durch Armut existenzgefährdet ist, ist stark umstritten.

Einige Forscher haben herausgefunden, dass es erst ab 7,40 Dollar Kaufkraft pro Tag dem Menschen möglich ist, ohne Mangelernährung und mit einer normalen Lebenserwartung zu leben.[8] Zu dieser Grenze wurden zwar keine Daten erhoben, aber die Zahlen sind beträchtlich höher einzuschätzen. Denn selbst der Anteil der Menschen, die rund 5,50 Dollar oder weniger zur Verfügung haben, machten mit 46 Prozent in 2015 knapp die Hälfte der Weltbevölkerung aus.

Das sind nicht die einzigen erschreckenden Zahlen, denn aus Armut resultieren viele weitere Missstände. Derzeit sind 2 Milliarden Menschen auf der Welt mangelernährt und 822 Millionen Menschen leiden an Hunger.[9] Auch hat der Großteil der in Armut lebenden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Selbst eine Grundversorgung mit Wasser haben 785 Millionen Menschen nicht. [10]

Immer noch ist es 57 Millionen Kindern im Grundschulalter verwehrt, die Schule zu besuchen, da sie, um das eigene und das Überleben ihrer Familie zu sichern, arbeiten müssen. Dies betrifft in den Ländern des globalen Südens jedes vierte Mädchen und spiegelt sich auch in der Alphabetisierungsrate wider. Rund 103 Millionen Menschen können weder lesen noch schreiben, davon sind 60 Prozent weiblich.[11]

Auch wenn wir, die Bürger der westlichen Länder, wissen, dass jeder Zehnte extrem arm ist und somit weniger als 1,9 Dollar Kaufkraft pro Tag zur Verfügung hat, um seine Existenz zu sichern, reagieren wir emotional unbeteiligt und distanziert. In unserem Umfeld kennen wir Niemanden, der vor solchen Herausforderungen steht. Laut Weltbank ist in Deutschland niemand von extremer Armut betroffen.[12]

Extreme Armut ist größtenteils in den Ländern des globalen Südens vorzufinden. 80 Prozent der in extremer Armut lebenden Menschen leben in Südasien und Afrika südlich der Sahara.[13]

Armut ist wie auch Reichtum ungleich verteilt. Der Bericht zur weltweiten Ungleichheit aus dem Jahr 2018 zeigt, dass die reichsten 1 Prozent der Bevölkerung 20% des Gesamteinkommens beziehen. Dieser Wert betrug 1980 noch 16, ist zunächst bis auf 22 Prozent in 2000 gestiegen und nun etwas abgeschwächt.

Die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung bekommt hingegen nur 9 Prozent des Gesamteinkommens.[14] Prognosen der Vereinten Nationen sagen voraus, dass die Ungleichheit weiter zunehmen wird. Bei gleichbleibenden Bedingungen, wird 2050 dem reichsten 1 Prozent der Weltbevölkerung nicht mehr nur ein Drittel (Stand 2016) des weltweiten Vermögens gehören, sondern 39 Prozent. [15]

Aber warum leben immer noch so viele Menschen in Armut, während viele in einem unvorstellbaren Überfluss leben?

    1.  Verantwortung für die Weltarmut

Da die Ursachenforschung nicht vordergründig in dieser Hausarbeit behandelt werden soll und diese auch zu vielschichtig ist, um alle Aspekte kurz zu berücksichtigen, wird sich nur darauf beschränkt zu erläutern, warum es in unserer Verantwortung liegt, der Armut entgegenzutreten und ihr ein Ende zu setzen.

Die wirtschaftlich stärkeren Länder genießen auf politischer Ebene eine viel mächtigere Position als die wirtschaftsschwachen Länder. Globale Entscheidungen werden getroffen, ohne dabei die Interessen der Länder des globalen Südens zu berücksichtigen.[16] Sie sichern sich Vorteile durch ihre global gesehene dominante Stellung auf Kosten der schwächeren Länder. Das erklärt, warum die reichsten 1 Prozent unserer Weltbevölkerung, doppelt so stark von dem weltweiten Wirtschaftswachstum profitiert haben, als die gesamte ärmere Hälfte der Welt.[17]

Somit sind wir zum größten Teil mitverantwortlich, dass 3,4 Milliarden Menschen in Armut leben und damit steht es in unserer Macht das zu ändern. Einige Kritiker mögen entgegnen, dass die bestehende Armut in den Ländern des globalen Südens durch lokale Faktoren wie beispielswiese eine autoritäre Herrschaftsform oder eine korrupte Regierung, bedingt sind. Natürlich stehen die Herrscher dieser Länder auch in der Verantwortung, aber das Problem, dass die Regierenden weiterhin ihre eigenen Interessen und nicht die ihrer Bevölkerung in internationalen Handlungen durchsetzen, liegt wieder bei uns, da wir ihre Meinung akzeptieren und mit ihnen für uns profitable Geschäfte eingehen.[18]

Es ist also nötig, uns unserer Verantwortung gegenüber den Armen bewusst zu werden und Veränderungen in unserer Weltordnung und unseren Handlungsweisen vorzunehmen, um die Zahl der Armen und die Ungleichheit auf der Welt zu verringern und zu beenden.

  1. Ansätze für die Beendigung der Weltarmut
    1. Thomas Pogge: Kosmopolitismus und Souveränität

Thomas Pogge stellt einen kosmopolitischen Ansatz vor, der es ermöglichen würde, der Weltarmut entgegenzuwirken, indem Menschenrechtsverletzungen drastisch reduziert werden würden, wenn sogar gar nicht mehr möglich wären.

Kosmopolitische Konzepte unterliegen, seiner Definition zu Folge, dem Individualismus, dem Universalismus und der Allgemeinheit. Individualismus bedeutet, dass im Mittelpunkt der Theorien das Individuum steht und nicht eine Gruppierung, wie zum Beispiel eine Nation oder eine Religionsgruppe. In der universellen Theorie wird allen Menschen gleichberechtigt „moralische Wichtigkeit“[19] zugesprochen. Das Konzept der Allgemeinheit vermittelt, dass die Ansätze weltweit gültig sein müssen, und Personen nicht weniger moralischer Bedeutung besitzen, weil sie einer anderen Nation oder Religion zugehörig sind.

Die verschiedenen Theorien des Kosmopolitismus kann man in einen rechtlichen und einen moralischen Kosmopolitismus unterteilen. Der rechtliche umfasst das Konzept eines Weltstaats, indem alle Menschen einheitlichen Gesetzen und Pflichten unterliegen, wohingegen der moralische auf zwischenmenschlicher Ebene ansetzt und die Menschheit dazu verpflichtet, jedem Individuum „den Status unhintergehbarer moralischer Wichtigkeit zuzuerkennen“[20].

Thomas Pogge gliedert den moralischen Kosmopolitismus noch einmal auf. Institutionelle Konzepte beschäftigen sich mit den bestehenden Institutionen und deren Prinzipien sozialer Gerechtigkeit, welche die „Standards zur Beurteilung der grundlegenden Regeln und Praktiken menschlicher Interaktion“[21] sind. Demnach sind auch die bestehenden Institutionen hauptverantwortlich dafür, die Menschenrechte zu verwirklichen.

Interaktionale Konzepte dagegen basieren auf ethischen Prinzipien, die sich direkt auf die Handlungsweisen Einzelner und gesellschaftlicher Gruppen beziehen. Daraus folgt, dass jedes Individuum eine direkte Verantwortung für Gerechtigkeit trägt.

Konkret bedeutet dies, dass direkte Verstöße gegen die Menschenrechte unterlassen werden müssen.

Im Allgemeinen verstoßen wir, die Bürger der westlichen Welt, nicht direkt gegen die Menschenrechte, aber wir sind trotzdem mitschuldig an bestehenden Ungerechtigkeiten. Denn wir bilden die Basis bestehender Institutionen und haben damit die Möglichkeit uns gegen ihr Fortbestehen zu wehren oder uns für eine Änderung dieser einzusetzen, wenn diese nicht menschenwürdig handeln.

Wir unterliegen also bei der institutionellen Ansicht einer negativen Pflicht[22]und tragen daher eine indirekte Verantwortung für Ungerechtigkeiten.

Pogge spricht von zwei Rechtfertigungen, welche versuchen diese gemeinschaftliche Verantwortung zu umgehen. Eine geht davon aus, dass Institutionen akzeptabel sind, solange sie keine Verluste (Deprivationen) direkt verursachen. Dieses Argument kann aber insofern abgeschwächt werden, dass keine Institutionen so geformt werden und keine Gesetze so geschaffen werden, ohne die vorhersehbaren Auswirkungen zu bedenken.

Die zweite Rechtfertigung beinhaltet, dass das Maß der Verwirklichung von Menschenrechten auf lokale Faktoren zurückzuführen ist, da verschiedene Länder sehr unterschiedliche Entwicklungen aufweisen. Zwar ist es schwierig, die Auswirkungen von unser Weltordnung auf die Ungerechtigkeiten zu beweisen, da wir auch keinen Vergleich zu anderen ziehen können, allerdings  „ist es sehr wahrscheinlich, dass es zur gegenwärtigen Weltordnung praktikable und realisierbare Alternativen gibt, die weniger Deprivationen erzeugen würden.“[23]

Um die Ideen einer Weltordnung zu bewerten, kann die Verteilungsgerechtigkeit im institutionellen Sinne als Maßstab dienen. Verteilungsgerechtigkeit soll so verstanden werden, dass es sich nicht um eine Umverteilung oder eine gerechte Neuverteilung von Gütern handelt, sondern dass eine Wirtschaftsordnung geschaffen wird, die „Eigentum, Kooperation und Austausch bestimmen, und so die Produktion und Verteilung von Gütern bedingen“[24] und damit Einfluss darauf nehmen könnte, dass jeder Weltbürger seine Grundbedürfnisse befriedigen kann.

Pogge entwirft ein institutionelles Konzept, welches zu mehr Gerechtigkeit führen kann.
Unsere derzeitige Weltordnung besteht aus vielen autonomen Territorialstaaten[25], in denen die Souveränität komplett dem Staat zugeschrieben wird.

In seinem Konzept soll die Souveränität sich nicht mehr auf einer Ebene allein befinden, sondern vertikal verteilt werden unter „lokalen Gemeinschaften, Städten, Kreise, Bundesländer, Staaten, Regionen und die Welt als Ganzes“.[26]Keine von diesen würde den anderen überlegen sein, sodass keine Einheit mehr die Position jetziger Staaten übernehmen und damit die Macht dieser erhalten würde. Dadurch, dass alle Einheiten gleichberechtigt sind, würde ein Selbstregulierungsmechanismus entstehen. Keine Einheit würde die Menschenrechte verletzen, ohne dass andere institutionelle Einheiten dem entgegenwirken würden.

Dieser Reformierung schreibt Pogge vier Vorteile zu. Erstens könnte die vertikale Teilung der Souveränität zu mehr Sicherheit und Frieden führen[27].  Derzeit würden viele Staaten einem Abrüstungsvertrag nicht zustimmen, da sie so ihre Macht gegenüber anderen Ländern präsentieren können und bei einem Konflikt auch mit Hilfe ihrer Massenvernichtungswaffen ausüben können. In der von Pogge vorgeschlagenen neuen Weltordnung wäre es gar nicht so abwegig, sich eine friedvolle, waffenlose Welt in den nächsten Jahren vorzustellen. Denn wenn die ersten Auswirkungen der neuen Weltordnung sichtbar wären, wie zum Beispiel die Reduzierung der wirtschaftlichen Ungleichheit, würden die Nationen wahrscheinlich einer Abrüstung zustimmen, da sie sich in einer neuen Sicherheit befänden.

Außerdem würde die Unterdrückung reduziert werden.[28] Da momentan die Staaten in ihren mächtigen Positionen bei einem Verstoß gegen die Menschenrechte häufig nichts anderes zu befürchten haben als Ermahnungen oder gegebenenfalls Sanktionen der Vereinten Nationen, die häufig erfolglos bleiben, herrscht immer noch starke Ungleichheit in der Welt. Doch „durch institutionelle Mechanismen und öffentliche Kritik“ würden sich die Einheiten „wechselseitig kontrollieren und ausgleichen“ [29].

Auch würde mehr globale Wirtschaftsgerechtigkeit entstehen. Das Konzept schlägt vor, für die Verwendung von Rohstoffen, eine globale Abgabe einzuführen, die den Ländern des globalen Südens einen gerechten Gewinn zusprechen und darüber hinaus auch zu einem nachhaltigen Ressourcenverbrauch führen würden.[30]

Das letzte von ihm angesprochene Vorteil der neuen Weltordnung, wäre eine Verbesserung hinsichtlich der Ökologie und Demokratie. Unsere Handlungen haben alle einen Einfluss auf unsere Umwelt. Vor allem wertschätzen die Industrieländer die endlichen Ressourcen unserer Welt nicht genügend und gehen unbedacht mit unserer Umwelt um. Dies nimmt nicht nur Einfluss auf die Verursacher, sondern auf alle Weltbürger. Somit leiden auch diejenigen, die an der Zerstörung der Umwelt nicht unmittelbar beteiligt sind oder einen geringeren negativen Einfluss auf den Klimawandel haben, ohne die Entscheidungen, die dazu geführt haben, mitbeeinflussen zu können.  Würde sich die Souveränität auf mehreren Ebenen verteilen, läge die Entscheidungsgewalt nicht mehr nur bei den nationalen Regierungen allein, sondern jeder Bürger hätte die gleiche Möglichkeit bei der Entscheidungsfindung zu partizipieren. Das wäre dann politisch betrachtet, eine uneingeschränkte Demokratie.

Um dieses Konzept umzusetzen, sind „moderate Zentralisierungs- und Dezentralisierungsschritte erforderlich, die die politischen Einheiten oberhalb und unterhalb der staatlichen Ebene stärken“[31].

Es gibt zwei Kriterien, welche die verschiedenen Einheiten erfüllen sollten, um als politische Einheit geographisch anerkannt zu werden.

Diese lauten wie folgt:

„(1) Die Bewohner eines zusammenhängenden Gebiets dürfen mit einfacher oder qualifizierten Mehrheit entscheiden, sich einer bestehenden politischen Einheit anzuschließen, deren Territorium an ihre eigenes angrenzt, und dessen Bevölkerung (qualifiziert) mehrheitlich bereit ist, sie als Mitglieder aufzunehmen. Diese Freiheit ist an zwei Bedingungen gebunden: Das Territorium der vergrößerten politischen Einheit muss eine sinnvolle Gestalt haben; und jede verkleinerte politische Einheit muss entweder in einem zusammenhängenden und sinnvoll gestalteten Territorium überlebensfähig bleiben oder sich freiwillig einer anderen politischen Einheit (oder mehreren) anschließen.

(2) Die Bewohner zusammenhängender, sinnvoll gestalteter Gebiete dürfen, wenn sie zahlreich genug sind, mit einfacher oder qualifizierter Mehrheit entscheiden, eine neue politische Einheit zu bilden. Diese Freiheit ist in drei Hinsichten eingeschränkt: Erstens kann es Untergruppen geben, deren Mitglieder im Sinne von (1) berechtigt sind, die Mitgliedschaft in der betreffenden Einheit abzulehnen, um einer anderen politischen Einheit beizutreten. Zweitens kann es Untergruppen geben, deren Mitglieder im Sinne von (2) berechtigt sind, die Mitgliedschaften in der betreffenden Einheit abzulehnen, um eine eigene politische Einheit zu bilden. Und drittens muss jede neu verkleinerte politische Einheit entweder in einem zusammenhängenden und sinnvoll gestalteten Territorium überlebensfähig bleiben oder sich – im Sinne der ersten Bedingung von (1) – freiwillig einer anderen politischen Einheit (oder mehreren) anschließen.“[32]

Die Neugründung der politischen Einheiten würde die Macht auf verschiedenen Ebenen verteilen. Die Möglichkeit der Partizipation einzelner Bürger in politischen Entscheidungen würde zunehmen und so würde nicht wie bisher häufig der Fall, nur die Interessen der Staatsführer und einflussreichen Personen der Länder vertreten werden, sondern die der gesamten Personengruppe. Dadurch, dass sich die Einheiten gegenseitig kontrollieren und kritisieren können, wäre es sehr erschwert und folgenreich für die jeweiligen Institutionen Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Damit würde die Armut und Ungleichheit auf der Welt stark abnehmen.

Diese Spaltung der Souveränität auf vertikaler Ebene ist, Pogge zufolge einer kompletten Zentralisierung im Sinne eines Weltstaats vorzuziehen.[33] Denn ansonsten würde sich die Souveränität wieder nur auf einer Ebene befinden und damit bestünde erneut die Gefahr der Unterdrückung der Bevölkerung oder Teile dieser, wenn falsche Personen an die entscheidungsberechtigten Positionen des Weltstaats gelangen.

Auch könnte es dazu kommen, dass kulturelle Aspekte an Beachtung verlieren und somit die kulturellen Identitäten verschiedener Regionen verloren gehen. Wenn die geographischen Regionen auch von kleineren politischen Einheiten vertreten werden, können sie weiterhin für das Fortbestehen ihrer Kultur sorgen.[34]

Zuletzt ist es zu hinterfragen, inwiefern die Umsetzung eines kompletten Weltstaats als realistisch zu betrachten ist, denn diese ist mit der Auflösung aller Länder verbunden, welche wiederum nur durch eine Revolution oder eine weltweite Katastrophe zu erreichen wäre. Das Konzept der geteilten Souveränität wäre hingegen durch kleinere Dezentralisierungs- sowie Zentralisierungsschritte einfacher umzusetzen.[35]

    1. Marco de Angelis

De Angelis erarbeitet in seinem Buch: „Philosophie für alle, Manifest für die philosophische Identität des europäisches Volkes“, die Grundzüge für eine philosophisch-idealistische Zivilisation[36]. Dieses Konzept ist keins, welches zur Armutsbekämpfung entworfen wurde. Vorrangig möchte de Angelis ein philosophisches System schaffen, welches Menschen durch die später erläuterten Werte eine Orientierung bietet, Lebensprinzipien und -ideale schafft und so zu einem erfüllten Leben beiträgt.[37] Ich denke aber, und deshalb ist auch sein Ansatz Teil dieser Hausarbeit, dass eine Interpretation aus Sicht der Weltarmut zulässig ist und werde begründen, warum diese Werte bedeutungsvoll für eine Gesellschaft sind, die Weltarmut beenden und zukünftig nicht mehr möglich machen möchte.

Vorerst werden aber zum weiteren Verständnis, zentrale Begriffe des philosophischen Ansatzes erläutert.

      1. Das Absolute

Das Absolute äußert sich als absolute Vernunft, welche durch unsere gesamte logische Aktivität begründet wird. Der Logos ist die Voraussetzung für unser Denken und unser Handeln, denn er ermöglicht uns die Welt, die aus verschiedenen Kategorien besteht und sich zusammensetzt, zu verstehen. Da uns das Denken innerhalb der Kategorien zur Erkenntnis führt und diese Erkenntnis logisch überzeugend und praktisch erfolgreich ist, kann davon ausgegangen werden, dass diese Grundstruktur ebenfalls die des Absoluten ist.[38]

      1. Monismus und Dualismus

Der Monismus unterliegt dem Homogenitätsprinzip und vereint Subjekt und Objekt, die als Mensch und als Materie betrachtet werden. In der monistischen Weltanschauung geht man davon aus, dass Natur und Geist eine untrennbare Einheit darstellen. Der Mensch als bewusste Vernunft entstand aus der Natur, der unbewussten Vernunft. Die monistische Weltanschauung ist die einzig logisch begründbare, da der Mensch die Rationalität, aus welcher die Natur entstanden ist, besitzt, um diese zu verstehen.

Der Dualismus hingegen grenzt den immateriellen Geist von der materiellen Natur ab und stellt sie einander gegenüber. Die „externe Welt“ wird somit nur als Erkenntnisgegenstand betrachtet und kann nicht rein aus der Vernunft verstanden werden, da sie nicht, wie im Monismus, aus dieser entstanden ist und somit Mensch und Natur nicht durch die Vernunft vereint sind.

Diese Begriffe können auch auf die idealistische Zivilisation von de Angelis angewendet werden. Denn die momentan herrschende dualistische Weltordnung führt nicht nur zur Abspaltung der Menschheit von der Natur, sondern lässt die Menschen sich voneinander entfremden.  

      1. Die Philosophisch – idealistische Zivilisation

Das im Entwurf für eine philosophisch – idealistische Zivilisation angestrebte Weltbürgertum würde rationaler Art sein, sprich es würde dank der Vernunft, des Absoluten bestehen.[39] Denn wir verfügen alle über das Absolute, dass heißt wir sind alle Vernunftwesen schöpferischen Daseins und tragen die Wahrheit in uns. Dies eint die gesamte Bevölkerung und steht über den Unterschieden wie beispielsweise der sozialen und ethnischen Herkunft. Wenn uns das bewusst ist und wir unsere Mitmenschen ebenfalls als absolute Wesen respektieren und nicht etwa als Objekte wie in der dualistischen Weltanschauung, könnte das Absolute gelebt werden und jeder Mensch sich als Teil des Absoluten selbst entfalten.

Dieses Grundprinzip hat bereits Kant in seinem 1785 erschienen Buch „Grundlegung zu Metaphysik der Sitten“ als den zweiten kategorischen Imperativ formuliert. Dieser beinhaltet, dass man immer so handeln soll, dass man andere Menschen und die gesamte Menschheit immer als Zweck und nicht als Mittel betrachtet. Es wurde also schon damals als ein Prinzip ausgelegt, dass ein Miteinander auf der Welt herrschen soll und Andere nicht ausgebeutet und ausgenutzt werden sollen.[40]

Diese Anerkennung des Gegenübers wird von Hegel als das „allgemeine Selbstbewußtsein“[41] bezeichnet. Alle Menschen haben den gleichen Kern, denn sie tragen alle das Absolute in sich und befinden sich somit auf einer Ebene. Deswegen wird diese Art der Anerkennung auch von de Angelis als „horizontale Anerkennung“[42] benannt. Die „vertikale Anerkennung“[43] bezeichnet hingegen die Anerkennung zwischen dem individuellen und dem universellen Menschen. Die absolute Vernunft, über die jeder Mensch verfügt, gehört dem Absoluten an und damit ist jeder Mensch Teil etwas größerem Ganzen. Da sie den Sinn unseres Daseins begründet, kann sie als die theoretische Anerkennung bezeichnet werden. Diese Form der Anerkennung bildet die Grundlage für die vertikale, die ethische Anerkennung, und leitet uns in unseren zwischenmenschlichen Handlungen. Wenn die ethische Anerkennung erfüllt und unser Gegenüber von uns als Subjekt anerkannt ist, unterliegt er nicht nur den Bedürfnissen und Instinkten seiner physischen Existenz, sondern entfaltet auch seine Existenz als schöpferisches Vernunftwesen. 

Die von de Angelis entworfene idealistische Zivilisation ist nur möglich, wenn drei

Werte erfüllt sind.

Der erste ethische Wert ist das Bestehen eines Weltstaates, dass heißt es sollen keine Staaten und geographischen Grenzen mehr bestehen.[44]

Nach de Angelis ist „Der philosophische Staat vor allem ein auf der schöpferischen Rationalität als Eigenschaft und essenzieller Gabe jedes Menschen basierender Staat“[45]. Die schöpferische Rationalität garantiert die unendliche Würde jedes Weltbürgers, da er, indem er das Wesen des Absoluten darstellt, das „Seiende“ ist.

Die Würde greift wieder das Prinzip der ethischen Anerkennung auf. Wir verhalten uns würdig, wenn wir unser Gegenüber als unseresgleichen wahrnehmen und behandeln. Unser Gegenüber ist nämlich wie wir selbst Subjekt und nicht Objekt und daher ausschließlich nur als Ziel, nicht als Mittel zu behandeln.

Ein weiterer wichtiger Wert eines möglichen Weltstaats ist die substanzielle Freiheit, die gegeben sein muss, da ein rationales und schöpferisches Wesen sich frei entfalten können muss. „Der Staat muss daher alle Bedingungen schaffen, damit das Individuum sich verwirklicht und als Absolutes, als schöpferische Vernunft leben kann.“[46] Die substantielle Freiheit unterscheidet sich im Vergleich zur Willkür dahingehend, dass die Richtung der Entscheidung vorgegeben ist. Sie erlaubt uns also nicht egoistische Entscheidungen zu treffen, sondern das Ausleben der Kreativität und Verwirklichung, welches jedem Individuum zusteht und ist somit als eine gemeinschaftliche Freiheit zu betrachten.

Aus der Kreativität als Teil jedes Menschen ist zu schlussfolgern, dass eine Demokratie die einzig mögliche Regierungsform für einen Weltstaat ist. Da alle Menschen Teil des Absoluten sind, muss jeder Weltbürger also an den Entscheidungen, die getroffen werden müssen, partizipieren dürfen und so mit an der Gestaltung des Ganzen mitwirken können.

Der zweite von de Angelis definierte ethische Wert der idealistischen Zivilisation ist die Liebe und die Familie.[47] Die Liebe beruht auf gegenseitiger Anerkennung und ist die Grundlage für die Gründung einer Familie, welche den ethischen Sinn des Lebens bildet. Der sich aus dem individuellen Sinn, der Selbstverwirklichung durch die körperliche und geistige Erziehung der Nachkommen wie auch aus dem gemeinschaftlichen, absoluten Sinn, der Reproduktion der Menschheit und damit des Absoluten, zusammensetzt.

Der letzte ethische Wert ist die Arbeit und die bürgerliche Gesellschaft.[48] Ziel der Arbeit ist wieder die gegenseitige Anerkennung, indem man zu der Bedürfnisbefriedigung des Anderen und somit auch zu dem gesellschaftlichen Gemeinwohl beiträgt.

Um diese Ansätze auf der ganzen Welt verbreiten zu können und so eine gemeinsame Welt- und Lebensauffassung aller Weltbürger zu schaffen, müssten diese Werte, die das Grundgerüst unserer Weltauffassung bilden, bereits an die junge Generation in der Schule vermittelt werden. De Angelis sieht vor, ein gemeinsames globales Lehrprogramm einzuführen, welches die Fächer und die Form der Vermittlung bestimmt und vereinheitlicht.[49] Dazu gehört auch eine Weltsprache, die als Muttersprache gelehrt wird, um eine gemeinsame Basis zu schaffen und die problemlose Verständigung zu garantieren. Nationalsprachen können trotzdem neben der Weltsprache bestehen, sind aber zweitrangig und für die Entstehung einer Weltphilosophie nebensächlich.

Die Einführung eines ethischen Weltstaates würde somit allen Weltbürgern eine Handlungsorientierung auf moralischer, also zwischenmenschlicher, sowie aber auch auf politischer Ebene bieten und durch die Erfüllung des Sinn des Lebens, der „Reproduktion und Entwicklung des Absoluten“[50], die Menschen mit Zufriedenheit und Vollkommenheit erfüllen.

Würde es zu der Umsetzung von de Angelis idealistischen Zivilisation[51] kommen, würden alle Menschen sich gegenseitig als Subjekte betrachten, also sich selber auch in den anderen Menschen sehen, so würde es keine Ausbeutung und daher auch keine Armut in unserer Welt geben.

Dadurch, dass wir uns auf der Welt nicht mehr bewusst sind, dass wir alle Vernunftwesen sind, die zu einem Absoluten gehören und damit unweigerlich miteinander tief verbunden sind und dem gleichen Sinn des Lebens unterliegen, begegnen wir unserem Gegenüber nicht mehr auf einer Ebene. Es herrscht eine dualistische Weltanschauung, in der wir nicht nur die Umwelt als Objekt von uns zu Unrecht entfremden, sondern auch unsere Mitmenschen. Diese Anschauung führt dazu, dass Menschen ihren eigenen Vorteil in den Vordergrund stellen und andere Menschen als Mittel betrachten. Dies erklärt, warum beispielsweise auf der einen Seite der Welt Kinder jeden Tag stundenlang Kleidung nähen müssen und ihnen dadurch der Zugang zur Bildung verwehrt wird, damit Menschen der westlichen Nationen Kleidungsstücke zu unrealistisch niedrigen Preisen kaufen können. Unser Wirtschaftssystem ist nur auf Wachstum ausgerichtet, auf Wachstum einzelner Nationen. Dieses Streben anderen Nationen überlegen zu sein, zeigt, wie sehr die Staaten und damit die Bevölkerungen dieser in Konkurrenz zueinanderstehen. Es herrscht kein Miteinander, sondern ein Gegeneinander in einem Kampf um mehr Reichtum, Wohlstand und Macht. In einem Kampf wird es immer Verlierer und Gewinner geben. Das erklärt, warum heutzutage immer noch ein Zehntel der Weltbevölkerung in extremer Armut leben müssen, 822 Millionen Menschen hungern und 58 Millionen Kinder nicht einmal die Grundschule besuchen können.

    1. Vergleich der beiden Ansätze

Pogge greift die politische Ebene auf und kritisiert die bestehende Weltordnung dahingehend, dass die Vertreter der westlichen Länder politisch nur in ihrem Interesse handeln und dies häufig zum Nachteil der schwächer gestellten Länder. Das wird oft noch durch weitere Faktoren begünstigt, wie zum Beispiel durch korruptes und eigennütziges Handeln der Staatsvertreter der schwächeren Länder. Aber selbst bei diesem Aspekt tragen die westlichen Länder wieder die Verantwortung dafür, da sie das Verhalten dieser Staatsvertreter akzeptieren und durch entsprechende Verträge manifestieren.

Um das zu lösen, muss eine neue Weltordnung her. Eine Weltordnung, in der die Souveränität vertikal geteilt und damit die Macht gespalten wird, würde diesen Zustand lösen.

De Angelis möchte basierend auf der Theorie des Monismus und der Anerkennung einen Wertewandel der Gesellschaft erreichen. Menschen sollen sich gegenseitig als Subjekte und damit als gleichgestellt betrachten, da sie alle Teil des Absoluten sind. Auch ist es wichtig, dass sie sich gegenseitig unterstützen, indem sie sich immer als Ziel und nicht als Mittel wahrnehmen und so zu der Entfaltung und Kreativität des Anderen beitragen.

Die Hauptursache für die Weltarmut liegt in Pogges Auffassung in dem Verhalten der Institutionen westlicher Nationen. Da wir, als Teil der Bevölkerung, für das Fortbestehen dieser Institutionen verantwortlich sind und uns auch gegen die Aktivitäten, welche zu Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten führen, wehren können, stehen wir, jeder Einzelne,  den Armen mit einer negativen Pflicht gegenüber, ihnen zu helfen und für die Beendigung der Armut auf der Welt zu sorgen.

Dieser Aspekt ist ebenso bei de Angelis wiederzufinden. Indirekt trägt auch in seinem Konzept jeder einzelne Mensch Verantwortung. Denn würde sich die Weltauffassung und die Werte, die in unserer Welt bestehen und somit unser Handeln gegenüber Anderen leiten, ändern, so würde es keine Armut mehr geben.

Die Umsetzung wird in beiden Ansätzen unterschiedlich angegangen.

Pogges Ansatz entwirft eine komplette neue Weltordnung, in der es zur Neugründung und Umgestaltung vieler politischen Einheiten kommen müsste. Die idealistische Zivilisation sieht dagegen vor, dass die für die Idealvorstellung einer Welt unverzichtbaren Werte, durch Erziehung und Schulbildung in die Gesellschaft getragen werden soll.

Auch bestehen zwei unterschiedliche Meinungen in dem Bezug auf die Idee eines Weltstaates. De Angelis ist der Meinung, dass eine idealistische Zivilisation nur durch die Einführung eines Weltstaats möglich wäre und so bildet dies den obersten Wert seines Konzepts. Pogge kritisiert aber einen generellen Weltstaat durch die Schwierigkeit der Umsetzung, die Abnahme der kulturellen Vielfalt und die Gefahr der Unterdrückung.  Sein Vorschlag, verschiedene politische Einheiten zu bilden und somit die Souveränität vertikal zu teilen, wäre allerdings mit de Angelis Argumentation zum Teil vereinbar. Denn diese sieht vor, dass es zwar keine strikten geographische Grenzen geben soll, welche die Menschen aufteilt und so Unterschiede schafft, sondern alle Menschen gleichrangig als Teil des Ganzen betrachtet werden und so die Weltbevölkerung eine Einheit bildet.

    1. Umsetzung

Da beide Entwürfe an unterschiedlichen Problematiken, einmal auf staatlicher und einmal auf zwischenmenschlicher Ebene, ansetzen, denke ich, dass es möglich ist, beide miteinander zu vereinen.

Einerseits ist die Zeit für eine neue Weltordnung gekommen, in welcher keine Armut und keine Ungerechtigkeiten mehr herrschen kann. Selbst die Vereinten Nationen sind der Meinung, dass es ohne „erhebliche Politikveränderungen“[52] bis 2030 nicht zu einer Beendigung der Armut kommen kann. In unserer bestehenden Weltarmut wird Macht und Wohlstand immer das Ziel sein, nicht etwa die Sicherung der Grundbedürfnisse aller Menschen. Sobald Macht einen hohen Stellenwert in unserem System einnimmt, wird es immer Menschen geben, die diese ihren Gunsten missbrauchen und andere dadurch benachteiligt werden. Eine Aufspaltung dieser Macht in viele kleinere Einheiten würde den Machtmissbrauch nicht mehr möglich machen, jede Person und ihre Interessen könnten in Entscheidungen mitberücksichtigt und so könnte der Armut endgültig ein Ende gesetzt werden.  

Andererseits ist es schwierig diese neue Weltordnung einzuführen, solange wir unser Verhalten und unsere Handlungsorientierung nicht verändern.

Wenn weiterhin das Miteinander nicht im Vordergrund steht, sondern nur das eigene Wohl und die eigene Stellung in der Gesellschaft wichtig ist, wird niemand einer Veränderung der Weltordnung zustimmen.

Daher ist sehr wichtig, dass die bestehenden Werte, die auf der Welt oder zumindest in Teilen der Wert vorherrschen, überdacht und verändert werden, so wie es de Angelis vorschlägt. Wenn wir eine monistische Weltanschauung erlangen, respektieren wir uns gegenseitig und nehmen das Absolute in jedem Menschen wahr. Durch diese Erkenntnis behandeln wir jeden Menschen stets als Ziel und tragen zu seiner Entfaltung bei, indem wir ihn mit Anerkennung begegnen. Das macht es uns und den verschiedenen politischen Einheiten unmöglich, Entscheidungen zu treffen, die, auch wenn nur indirekt, negative Folgen für Andere haben könnten. Würden diese Werte Allgemeingut werden, wäre eine Einführung der von Pogge entworfenen Weltordnung als realistisch und umsetzbar zu betrachten.

Die Werte könnten durch ein einheitliches Lehrprogramm und Einführung einer Weltsprache an die junge Generation herangetragen werden und somit nach und nach in die Gesellschaft wachsen. Allerdings denke ich, dass die Einführung eines einheitlichen Lehrprogramms zu Schwierigkeiten führen wird. Die Länder vertreten meistens unterschiedliche Interessen und einige sind sehr auf den Fortbestand ihrer nationalen Traditionen bedacht. Es würde ein sehr langer Weg werden, bis sich alle Länder auf die Erarbeitung eines Lehrprogramms, welches unsere zukünftigen Werte verbreiten soll und weiterhin aber die nationalen Traditionen schützt, einlassen. Denn man muss bedenken, dass es immer noch viele Länder gibt, die von autokratischen Herrschern regiert werden, die an einer Zusammenarbeit mit anderen Ländern nicht interessiert sind.

Ohne diesen Wertewandel wäre es ebenfalls schwierig, Pogges Vorschlag der geteilten Souveränität umzusetzen, da viele Nationen diesen ablehnen würden, um ihre eigene vorteilhafte Stellung in der Welt zu bewahren.

Meiner Meinung nach, ist die Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen gefragt, um die Weltarmut zu lösen. Die Tatsache, dass die Armutsbeseitigung das erste Ziel der 17 Sustainable Development Goals der Agenda 2030 ist, zeigt, dass deutliche Bemühungen seitens der Vereinten Nationen bestehen. Allerdings, wie zu Beginn angemerkt, ist Entwicklungshilfe, die überwiegend in Form finanzieller Unterstützung besteht, nicht so effektiv wie erhofft, da es meistens nur die Auswirkungen eindämmt, nicht aber die Ursachen der Armut behebt.

Um dies anzugehen, stelle ich mir vor, dass die Vereinten Nationen anhand der beiden vorgestellten philosophischen Ansätze reformiert werden. Das würde zu einer Umstrukturierung führen und könnte dazu beitragen, dass die Maßnahmen für die Erreichung der Ziele so optimiert werden, dass es möglich wird, die Weltarmut bis 2030 zu beheben.

  1. Fazit

Immer noch leben 3,4 Milliarden Menschen in Armut und kämpfen täglich mit Herausforderungen, die für uns schwer vorstellbar sind. Alltägliche Gedanken wie: „Was bekommen meine Kinder heute zu essen?“, „Wer holt morgen früh die Kanister Wasser?“, „Wie kriege ich das Geld zusammen, um mit meiner Mutter zum Arzt zu gehen oder ihr Medikamente zu kaufen?“  sind uns völlig unbekannt. 

Die gesetzten Ziele der Vereinten Nationen werden wahrscheinlich nicht erreicht werden. Diese Prognosen sollten wir nicht so einfach hinnehmen, sondern sie sollten uns aufrütteln und uns zum Handeln motivieren. Auch wenn die Ziele und Maßnahmen der Vereinten Nationen zu Veränderungen führen, zwar nur in einer schrittweisen Verringerung der Armut, nicht aber im Kampf gegen die Ungleichheit, müssen wir aktiver werden und fortführende Maßnahmen ergreifen und somit die Gestaltung unserer aller Zukunft in die Hand nehmen.

Denn wir stehen in der Verantwortung. Aus der Vergangenheit sollten wir lernen, dass die jetzige Hilfe der westlichen Länder nicht ausreicht, um Armut in den nächsten Jahren nachhaltig zu beenden und die Ungleichheit auf der Welt einzudämmen. Um eine langanhaltende und damit endgültige Lösung zu finden, sollten wir über andere Lösungswege nachdenken.

In der vorliegenden Hausarbeit wurden zwei verschiedene philosophische Ansätze vorgestellt und verglichen.

Pogges Konzept sieht einen institutionellen Kosmopolitismus vor, welcher die (alleinige) Souveränität des Staates aufhebt und auf vertikaler Ebene zwischen unterschiedlichen politischen Einheiten weltweit teilt. Dies würde Menschenrechtsverletzungen nicht mehr möglich machen und somit die Weltarmut auf lange Sicht beenden.

De Angelis entwirft eine philosophisch – idealistische Zivilisation für die Menschheit, die sich an den von ihm definierten wichtigsten Werten – das Bestehen eines Weltstaates, der Liebe und der Familie, sowie der Arbeit und der bürgerlichen Gesellschaft - orientiert. Die durch die neuen Werte entstehende Lebensauffassung und der daraus resultierende neue Lebenssinn würde dafür sorgen, dass die Menschen eine friedvolle, gemeinschaftliche Welt anstreben.

Ich denke, dass eine Kombination der beiden vorgestellten Konzepte das Potential hätte, unsere Zukunft armutsfrei, gerecht und friedlich zu gestalten.

In einer weiteren Hausarbeit würde ich gerne eine Reformierung der Vereinten Nationen im Sinne Pogges und de Angelis ausarbeiten.

  1. Reflexion

Die Auseinandersetzung mit der komplexen Problematik der Weltarmut und Lösungsstrategien, waren sehr interessant und werden mich sicherlich noch die nächsten Jahre intensiv begleiten.

Das Armutsproblem ist nicht einfach zu lösen, wie anhand verschiedener gegenwärtiger und vergangener Maßnahmen erkannt werden kann. Denn die Ursachen der Armut, die behoben werden müssten, sind total vielfältig, tiefgründig und komplex.

Deshalb ist auch die vorliegende Hausarbeit nur als kleiner Ansatz zu verstehen, welche sich mit zwei philosophischen Ansätzen zu Idealgesellschaften auseinandersetzt und mit meinen eigenen Gedanken und Überlegungen ergänzt wurde. Das Thema Bedarf einer weitergehenden Beschäftigung, welche in einer weiteren Hausarbeit beleuchtet werden sollte.

  1. Quellenverzeichnis

Literaturquellen:

De Angelis, Marco (2016): Philosophie für alle (1.0) Manifest für die philosophische Identität des europäischen Volkes (German Edition), Italien: Libellula Edizioni.

Hahn, H. (2009). Globale Gerechtigkeit: Eine philosophische Einführung. Frankfurt am Main, Deutschland: Campus Verlag.

Pogge, Thomas: Weltarmut und Menschenrechte (Ideen & Argumente) (German Edition), 1. Auflage., Berlin, Deutschland: De Gruyter, 2011.

Online-Quellen:

Bericht zur weltweiten Ungleichheit 2018 (deutsche Fassung), URL: https://wir2018.wid.world/files/download/wir2018-summary-german.pdf, S.7, Zugriff am 15.02.2020.

Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit, Armut, URL: https://www.bmz.de/de/service/glossar/A/armut.html, Zugriff am 19.02.2000.

Entwurf des Ergebnisdokuments des Gipfeltreffens der Vereinten Nationen zur Verabschiedung der Post-2015-Entwicklungsagenda, URL: https://www.un.org/depts/german/gv-69/band3/ar69315.pdf, S. 16, Zugriff am 10.02.2020.

Goal 1: no poverty, URL:  https://www.undp.org/content/undp/en/home/sustainable-development-goals/goal-1-no-poverty.html, Zugriff am 02.02.2020.

Goal 4: Quality education, URL: https://www.undp.org/content/undp/en/home/sustainable-development-goals/goal-4-quality-education.html, Zugriff am 15.02.2020

Goal 10: Reduced inequalities, URL: https://www.undp.org/content/undp/en/home/sustainable-development-goals/goal-10-reduced-inequalities.html, Zugriff am 11.02.2020.

Hunger: Verbreitung, Ursachen & Folgen (15.07.2019), URL: https://www.welthungerhilfe.de/hunger/, Zugriff am 13.03.2020.

Weltbank und UN-Bevölkerungsfonds: 3,4 Milliarden Menschen unter Armutsgrenze (17.10.2018), URL: https://www.welt-sichten.org/artikel/35146/weltbank-und-un-bevoelkerungsfonds-34-milliarden-menschen-unter-armutsgrenze, Zugriff am 17.02.2020.

Weltwasserwoche 2019: 10 Fakten über Wasser (26.08.2019), URL: https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/blog/weltwasserwoche-2019-zehn-fakten-ueber-wasser/172968, Zugriff am 20.02.2020

Ziele für nachhaltige Entwicklung, Bericht 2019, URL:  https://www.un.org/Depts/german/pdf/SDG%20Bericht%20aktuell.pdf, Zugriff am 19.02.2020.


[1] Vgl. Entwurf des Ergebnisdokuments des Gipfeltreffens der Vereinten Nationen zur Verabschiedung der Post-2015-Entwicklungsagenda, URL: https://www.un.org/depts/german/gv-69/band3/ar69315.pdf, S. 16, Zugriff am 10.02.2020.

[2] Vgl. Ebda.

[3] Ziele für nachhaltige Entwicklung, Bericht 2019, URL: https://www.un.org/Depts/german/pdf/SDG%20Bericht%20aktuell.pdf, S. 222, Zugriff am 15.02.2020.

[4] Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit, Armut, URL: https://www.bmz.de/de/service/glossar/A/armut.html, Zugriff am 19.02.2020.

[5] Weltbank und UN-Bevölkerungsfonds: 3,4 Milliarden Menschen unter Armutsgrenze (17.10.2018), URL: https://www.welt-sichten.org/artikel/35146/weltbank-und-un-bevoelkerungsfonds-34-milliarden-menschen-unter-armutsgrenze, Zugriff am 17.02.2020.

[6] Ebd.

[7] Goal 1: no poverty, URL: https://www.undp.org/content/undp/en/home/sustainable-development-goals/goal-1-no-poverty.html, Zugriff am 15.02.2020.

[8] https://www.welt-sichten.org/artikel/37040/armutsgrenzen-von-zahlen-und-menschen, Zugriff an 17.02.2020.

[9] Hunger: Verbreitung, Ursachen & Folgen (15.07.2019), URL: https://www.welthungerhilfe.de/hunger/, Zugriff am 13.03.2020.

[10] Weltwasserwoche 2019: 10 Fakten über Wasser (26.08.2019), URL: https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/blog/weltwasserwoche-2019-zehn-fakten-ueber-wasser/172968, Zugriff am 20.02.2020.

[11] Goal 4: Quality education, URL: https://www.undp.org/content/undp/en/home/sustainable-development-goals/goal-4-quality-education.html, Zugriff am 15.02.2020.

[12] https://www.welt-sichten.org/artikel/37040/armutsgrenzen-von-zahlen-und-menschen, Zugriff am 13.02.2020.

[13] https://www.un.org/Depts/german/pdf/SDG%20Bericht%20aktuell.pdf, S. 4, Zugriff am 15.02.2020.

[14] Bericht zur weltweiten Ungleichheit 2018 (deutsche Fassung), URL: https://wir2018.wid.world/files/download/wir2018-summary-german.pdf, S.9, Zugriff am 15.02.2020.

[15] Goal 10: Reduced inequalities, URL: https://www.undp.org/content/undp/en/home/sustainable-development-goals/goal-10-reduced-inequalities.html, Zugriff am 11.02.2020.

[16] Vgl. Pogge, Thomas: Weltarmut und Menschenrechte (Ideen & Argumente) (German Edition), 1. Auflage., Berlin, Deutschland: De Gruyter, 2011, S. 22-23.

[17]https://wir2018.wid.world/files/download/wir2018-summary-german.pdf, S.7, Zugriff am 15.02.2020

[18] Vgl. Pogge, 2011, S. 33-37.

[19] Pogge, 2011, S. 212.

[20] Ebd.

[21] Ebd., S. 213.

[22] Vgl. Pogge, 2011, S. 216.

[23] Ebd., S. 219.

[24] Pogge, 2011, S. 220.

[25] Ebd., S.222.

[26] Ebd., S.232.

[27] Ebd., S. 228.

[28] Ebd., S.228.

[29] Ebd., S. 228.

[30] Vgl. Pogge, 2011, S. 228-229

[31] Ebd., S. 237

[32] Pogge, 2011, S. 237-238

[33] Ebd., S. 229

[34] Ebd., S. 229

[35] Vgl. Pogge, 2011, S. 229.

[36] Vgl. de Angelis, Marco (2016): Philosophie für alle (1.0) Manifest für die philosophische Identität des europäischen Volkes (German Edition), Italien: Libellula Edizioni, S. 47.

[37] Ebd., S. 65-57.

[38] Ebd., S. 27.

[39] Vgl. de Angelis, 2016, S. 47.

[40] Ebd., S. 49-50.

[41] Ebd.

[42] de Angelis, 2016, S. 53.

[43] Ebd.

[44] Ebd.

[45] Ebd.

[46] Ebd.

[47] Vgl. de Angelis, 2016, S. 57.

[48] Ebd., S. 61.

[49] Ebd., S. 48.

[50] Ebd., S. 65.

[51] Vgl. de Angelis, 2016, S. 47-66.

[52]Ziele für nachhaltige Entwicklung, Bericht 2019, URL:  https://www.un.org/Depts/german/pdf/SDG%20Bericht%20aktuell.pdf, Zugriff am 19.02.2020.

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