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A10.  Grundzüge der neuen philosophischen Zivilisation

A10. Grundzüge der neuen philosophischen Zivilisation

 

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Lektion 10

Grundzüge der neuen philosophischen Zivilisation

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Das Hauptmerkmal der idealistisch-philosophischen Zivilisation ist, dass ihr zufolge die Welt- und Lebensauffassung des Menschen in der Welt rationaler Art ist. Sie besteht also in einer Philosophie, und zwar, um genau zu sein, in der Philosophie des Idealismus, wie er im Vorherigen dargestellt wurde. Diese Philosophie ist in völligem Einklang mit den empirischen Naturwissenschaften und bündelt den gesamten Komplex des menschlichen Wissens in einem philosophischen System. Dieses philosophische System begründet dann auch eine ethisch-politische Orientierung, bzw. gibt vor, welches individuelle (moralische) und soziale (politische) Verhalten weise ist, weil es geeignet ist, den Menschen auf bestmögliche Art leben zu lassen.

Solch ein philosophisches System muss den Jugendlichen und allgemein dem Volke gelehrt werden. Nur so kann eine gemeinsame Weltauffassung und eine gemeinsame Ethik entstehen. Außerdem sollte unter „Volk“ keine bestimmte nationale und geographisch festgelegte Gemeinschaft verstanden werden, sondern die Gemeinschaft aller Menschen, unabhängig von Rasse, Religion, usw. Denn alle tragen das Absolute in sich, das Logos. Daher können alle, wenn sie entsprechend erzogen werden, zum absoluten Geiste gelangen, bzw. zum Bewusstsein über das In-sich-tragen des Absoluten und darüber, dass sie etwas Höheres sind als die eigene empirische Subjektivität.

In diesem Sinne kann die Gemeinschaft, an die sich die Philosophie als Wissenschaft der Weisheit wendet, keine andere sein als die weltweite Gemeinschaft der Weltbürger. Die kosmopolitische Perspektive ist also die genaue Perspektive dieser Weltauffassung. Obwohl der dualistische Blickwinkel seiner generellen Auffassung Grenzen aufweist, stellt die kantische Schrift Zum ewigen Frieden (1795) den zentralen Bezugstext dieser Auffassung dar, so wie es auch sein Begriff der ‚unsichtbaren Weltkirche‘ ist, welches er in dem Text Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft von 1793 formuliert hat. Innerhalb der hegelianischen Philosophie übernimmt hingegen der Begriff des Weltgeistes diese Funktion.

Die Verbreitung der Philosophie des Idealismus als offizielle Philosophie setzt eine Autorität voraus, die sie fördert, also eine Form von „Weltstaat“. So etwas kann beispielsweise auch eine Konföderation wie die UNO sein, aber man braucht auf lokaler Ebene mehr Macht als die heutige UNO hat. Aber das sind technische Fragen, die die Realisierungsmodalitäten des philosophischen Prinzips auf dem Planeten Erde betreffen und nicht dessen rationale Gültigkeit in sich für jegliche Form bewussten und rationalen Lebens auf jedem möglichen Planeten des Universums. Von diesem Blickwinkel aus hat die Ansicht Giordano Brunos der „unendlichen Welten“ der modernen Philosophie die Pforten geöffnet, die eben zum idealistisch-dialektischen philosophischen System direkt hinführt.

Der Weltstaat, dessen ethisch-politischer Inhalt in den folgenden Kapiteln erörtert wird, setzt wiederum eine Weltsprache voraus, in der die bewussten Vernunftwesen, die Menschen also, sich verständigen können. Diese Sprache kann keine Nationalsprache sein, die zur Weltsprache erhoben wird, da diese eine für den Großteil der Menschheit zweite, fremde Sprache wäre. Es sollte eine Sprache sein, die die Kinder von Anfang an als Muttersprache lernen. Sie kann ruhig auch neben einer Nationalsprache existieren, die in diesem Falle zu einem lokalen Dialekt würde. Der Weltstaat muss eine solche Sprache als Weltsprache zusammen mit der hier präsentierten idealistischen Philosophie als Weltphilosophie fördern.

Dies sind, strukturell gesehen, die Grundzüge der neuen Zivilisation des Idealismus: Eine Gesamtheit rational aufgestellter und weltweit verbreiteter Werte sowie eine gemeinsame, als Muttersprache gelernte Weltsprache. Das einzige Mittel, mit dem eine solche Neuausrichtung menschlichen Lebens auf der Erde erreicht werden kann, kann nur eine weltweite philosophische und linguistische Erziehung der Menschheit sein. Diese muss durch weltweite schulische Strukturen erfolgen (gemeinsame Lehrprogramme zumindest im Bereich von Philosophie und Sprache), die sich mit der jeweiligen lokalen Schulpolitik vereinbaren lassen (z.B. kann man auf lokaler Ebene ruhig weiterhin die nationale Literaturgeschichte sowie den nationalen Dialekt -Italienisch, Deutsch, Französisch, Chinesisch, Englisch - usw. lernen), aber die Fächer aller Schulen werden auf übergeordneter Ebene bestimmt und neben den Naturwissenschaften und den ohnehin schon universellen Lehrfächern (Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Musik, Kunst, Sport usw.) überall die dialektisch-idealistische Philosophie und die Weltsprache beinhalten.

Diese sollen also die tragenden Säulen der Zivilisation des Idealismus bzw. der philosophischen Zivilisation sein. Im Folgenden werden wir uns damit beschäftigen, welches das Grundprinzip ihrer Ethik ist, bevor wir dann zur detaillierten Diskussion der Werte übergehen, in denen dieses Prinzip zum Ausdruck kommt.
 

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