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1995C10: Zur Begründung einer  Theorie der ’Globalinterpretation’  als des einzig gültigen

1995C10: Zur Begründung einer  Theorie der ’Globalinterpretation’  als des einzig gültigen

 

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1995

Zur Begründung einer 
Theorie der ’Globalinterpretation’ 
als des einzig gültigen Weges 
zur Aktualisierung
einer Philosophie der Vergangenheit

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Saggio, capitolo 10 di Weisheitslehre

Originale cartaceo qui

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Originale digitale qui sotto

(Andare nella sezione in lingua tedesca qui e
usare il traduttore google a sinistra per l’italiano)

 

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Die bisher geführten Überlegungen dürften deutlich gezeigt haben, dass es bei der Aktualisierung einer Philosophie der Vergangenheit in erster Linie darum geht, den philosophisch gültigen Kern von der bloß historisch erklärbaren Schale zu trennen. Ohne diese vorausgehende Unternehmung lässt sich kein vergangenes System in die Gegenwart erfolgreich umsetzen.
Bei einer solchen Reinigungs- und Vervollständigungsoperation handelt es sich aber offensichtlich um eine Interpretation der Philosophie der Vergangenheit. In der Tat beruht die Trennung zwischen Kern und Schale bzw. Geist und Buchstabe, also zwischen Begriffen, die die unverzichtbaren Hauptprinzipien dieser Philosophie bilden, und anderen Begriffen, die dagegen allein aus psychologischen, historischen usw. Gründen von dem Philosophen zu den Hauptprinzipien hinzugefügt wurden, auf einem hermeneutischen Vorgang, also auf einer Interpretation.
Die Frage, die diesbezüglich entsteht, ist die der Festlegung der Kriterien einer objektiven Interpretation, d.h. einer solchen, die imstande ist, die wirklichen Hauptprinzipien einer Philosophie der Vergangenheit aus dem Ganzen herauszuarbeiten. Es geht also darum, zu vermeiden, dass die Suche nach den Hauptprinzipien nach subjektiven Kriterien, also nach dem ’Geschmack’ des Interpreten erfolgt. Eine solche subjektive Interpretationsweise wäre in der Tat eine sehr schwache Grundlage für die Anwendung der Philosophie der Vergangenheit auf das gegenwärtige ethisch-politische Leben.
Es muss also eine Methode gefunden werden, die es ermöglicht, auf eine objektive Weise die Hauptprinzipien einer Philosophie dem Ganzen zu entnehmen und sie auf diesem Weg von der äußeren Schale zu trennen.
Im diesem Beitrag werde ich versuchen, die Grundlinien einer solchen Methode festzulegen.
Aufgrund der in den Beiträgen 7-9 durchgeführten Überlegungen über den Werdegang von Hegels Geist und über den tiefen, verborgenen Sinn seines Systems als Weisheitslehre sowie der Ergebnisse des ersten Teils von Einfluss soll geschlossen werden, dass die entwicklungsgeschichtliche Rekonstruktion der Entstehung einer Philosophie eine unentbehrliche Rolle spielt, wenn es darum geht, deren Sinn, deren echte Bedeutung zu verstehen.
In der Tat ist zwischen einem immanenten Verständnis einer Philosophie und deren genetischer bzw. entwicklungsgeschichtlicher Interpretation streng zu unterscheiden.
Bei dem immanenten Verständnis geht es um eine Überprüfung des logischen Aufbaus einer Philosophie, d.h. um die doppelte Frage, ob die Begründung der Prämissen überprüfbar bzw. dogmatisch ist und ob die Ableitung der verschiedenen logischen Schlüsse aus den angenommenen Prämissen auf eine logisch stringente Art erfolgt. Ein solches Verständnis ist ausschließlich systemimmanent, d.h. es betrachtet weder die Vergangenheit des Systems, d.h. dessen Entstehung in der sogenannten ’Jugendzeit’ des Philosophen, noch dessen Zukunft, d.h. dessen Geltung in der gegenwärtigen und künftigen Zeit.
Bei der entwicklungsgeschichtlichen Interpretation geht es dagegen um die Rekonstruktion der Entstehung des Systems, also von dessen allmählichem Werdegang in der Jugendzeit des Philosophen. Diesbezüglich ist aber zu präzisieren, dass unter der Entwicklungsgeschichte eines Systems nicht die bloße historische Erzählung von biographischen Fakten, sondern die allmähliche Entstehung und Entwicklung der wichtigsten Begriffe des Systems verstanden werden soll. In diesem Sinn sind der erste Teil von
Einfluss sowie z.B. die Studie von Haering (1929) ein gutes Beispiel für echte Entwicklungsgeschichte. Der zweite Teil von Einfluss und die Studie von Jamme (1983) sind dagegen ein Beispiel für eine Einflussforschung, die zwar auch interessant und für das historische Verständnis eines Systems wichtig ist, jedoch, wenn sie isoliert betrieben wird, also wenn sie in keine übergeordnete, begriffliche Entwicklungsgeschichtliche mündet, für die echte Bedeutung dieser Philosophie nicht aufschlussreich sein kann.
Es geht bei einer echten Entwicklungsgeschichte also nicht um die bloße Erzählung von äußeren Ereignissen im Leben des Philosophen, sondern um die Entwicklung seines inneren philosophischen Lebens, das wir durch die Rekonstruktion der Verkettung der Hauptbegriffe, die sich durch seine Jugendschriften bis zur Entstehung des Systems hindurch erkennen lassen, nachzeichnen können.
Unter dieser ’entwicklungsimmanenten’ Perspektive sind die äußeren Einflüsse und Ereignisse nur dann von Wichtigkeit, wenn sie einen nachweisbaren Niederschlag im inneren Leben des Philosophen, also in der allmählichen Herausbildung seiner Philosophie finden. Wenn dies aber stattfindet, wenn sich also ein äußerer Einfluss auf das philosophische Leben niederschlägt, finden wir ihn nicht als bloß historisches Ereignis, sondern als Gedanken, als Begriff, als erkannte Wahrheit. Allein in dieser Form, die eindeutig zur echten inneren Entwicklungsgeschichte gehört, hat das historische Ereignis nicht nur eine historische, sondern auch eine systematische und deshalb philosophische Geltung.
Eine echte entwicklungsgeschichtliche Interpretation zielt nicht auf die Überprüfung der logischen Stringenz in der Begründung der Prämissen bzw. in der Ableitung der Schlüsse, sondern auf das Verständnis des Grundes, weshalb der Philosoph das System überhaupt gegründet hat, d.h. was er damit bezwecken wollte bzw. welches Ziel er dabei verfolgte. Bei dem entwicklungsgeschichtlichen Verständnis handelt es sich also um eine Interpretation die, sozusagen, über der systemimmanenten steht. Dies bedeutet, dass dadurch das Verständnis dafür angestrebt wird, welche Bedeutung das untersuchte System überhaupt hat bzw. welche Rolle dieses System den Absichten seines Gründers nach in der Geschichte der Menschheit spielen soll.
Ein solches Verständnis sieht von der Frage ab, ob diese Bedeutung in dem untersuchten System von dessen Gründer richtig umgesetzt wurde. Im Prinzip könnte man sich vorstellen, dass von einem philosophischen System die ganz allgemeine Bedeutung akzeptiert wird, ohne dass aber deren Ausführung durch den Philosophen mit akzeptiert wird. Es könnte also z.B. der Fall auftreten, dass ein neues philosophisches System aufgebaut wird, das die Bedeutung von dem untersuchten, alten System übernimmt, deren Ausführung aber vollständig erneuert (1).
Sinn bzw. Bedeutung eines philosophischen Systems und die logische, immanente Gedankenstruktur, in der dieser Sinn seinen Ausdruck findet, sind also zwei vernetzte, aber verschiedene Aspekte einer philosophischen Auffassung. Sicherlich existiert eine Verbindung zwischen beiden, die darin besteht, dass die immanente Gedankenstruktur den Sinn des Systems umzusetzen versucht und deshalb von ihr abhängig ist. Der Sinn einer Philosophie ist in sich aber unabhängig von der zeitlich-räumlich begrenzten Ausführung durch den Gründer des Systems und kann deshalb unter anderen zeitlich-räumlichen Bedingungen in ein anderes philosophisches System, das dem neuesten Stand der wissenschaftlichen und philosophischen Kenntnisse angepasst ist, umgesetzt werden.
Aus den eben aufgeführten Überlegungen geht hervor, dass ein bloßes systemimmanentes Verständnis eines philosophischen Systems nicht in der Lage ist, dieses in seinem vollen Umfang, in seiner Ganzheit zu verstehen. Eine solche Art, eine Philosophie zu interpretieren, kann sicherlich zu gültigen Ergebnissen bezüglich der immanenten logischen Stringenz des Systems führen, es bleibt ihr aber der Sinn dieses Systems verschlossen, d.h. der Grund, weshalb der Philosoph dieses System überhaupt erarbeitet hat sowie der Grund, weshalb wir es heute eventuell noch brauchen könnten.
Die ausschließlich systemimmanente Interpretation ist, sozusagen, ’blind’ (2), d.h. sie bewegt sich nur im Inneren einer Philosophie, ohne aber zu verstehen, woher sie kommt und wohin sie führen will und kann.
Eine solche Interpretation ist also wurzel- und perspektivlos.
Einem derartigen Verständnis ist aber nicht die bloße entwicklungsgeschichtliche Interpretation überlegen, da auch diese, isoliert betrachtet, einseitig ist. Eine solche Interpretation kann in der Tat sehr aufschlussreich bezüglich des Sinnes bzw. der Bedeutung einer Philosophie sein, kann aber nichts dazu sagen, ob der Philosoph imstande gewesen ist, diesen Sinn in seinem System auf eine logisch stringente Weise umzusetzen. Aus diesem Grund ist die bloße entwicklungsgeschichtliche Interpretation im Vergleich zu der systemimmanenten ’leer’, da ihr das Verständnis des eigentlichen Inhaltes der untersuchten Philosophie, also der Gedankenstruktur des reifen Systems, fehlt.
Sowohl der bloß systemimmanenten als auch der bloß entwicklungsgeschichtlichen Interpretation ist also eine Interpretation überlegen, die sich durch einen ersten propädeutischen, entwicklungsgeschichtlichen Schritt einen Zugang zum Sinn des Systems verschafft und durch einen zweiten, systemimmanenten Schritt das System unter dem Gesichtspunkt von dessen Sinn interpretiert, d.h. der Frage nachgeht, ob es dem Gründer des Systems gelungen sei, den Sinn seiner Philosophie auf eine logisch stringente Weise umzusetzen.
Wenn wir uns nun zu der Frage der Festlegung der Kriterien einer objektiven Interpretation eines philosophischen Systems der Vergangenheit, die den Ausgang dieses Beitrags bildete, zurückwenden, können wir folgende Antwort geben: Allein eine globale Interpretation ist imstande, die echte, ursprüngliche Bedeutung einer Philosophie zu erkennen und deshalb unter dieser Perspektive die Begriffe, in denen sich diese Bedeutung niederschlägt, von den anderen Begriffen zu trennen, die im Gegensatz dazu mit dieser ursprünglichen echten Bedeutung in keinem logischen Verhältnis stehen.
Bei der ersten Gruppe von Begriffen handelt es sich deshalb um ’Hauptprinzipien’ des Systems. Dies bedeutet, dass das untersuchte System seine Bedeutung, seinen Sinn verliert, wenn wir diese Begriffe aus dem System ausmerzen. Diese Hauptprinzipien befinden sich also in einer notwendigen Beziehung zum System und zu dessen Bedeutung, die sich in ihnen vollzieht. Sie bilden das Wesen des Systems und sind von ihm nicht abzutrennen, ohne das System zu denaturieren (sie sind der Kern bzw. der Geist des Systems).
Bei der zweiten Gruppe von Begriffen kann es sich wohl auch um Prinzipien des Systems, aber um keine ’Hauptprinzipien’ handeln. Dies bedeutet, dass kein logisch notwendiges Verhältnis zwischen diesen Prinzipien und der ursprünglichen echten Bedeutung des Systems festzustellen ist. Diese Prinzipien sind von dem Philosophen irgendwann im Laufe seiner Entwicklung und aus irgendwelchem historischen Grund zu dem ursprünglichen harten Kern hinzugefügt worden, gehören aber nicht zu diesem harten Kern.
Durch die Unterscheidung zwischen ’Hauptprinzipien’, die den Kern bzw. den Geist einer Philosophie ausmachen, und einfachen Prinzipien, die deren Schale bzw. Buchstaben dagegen bilden, wird eine feste Grundlage gebildet, auf der die Aktualisierung einer Philosophie der Vergangenheit vollzogen werden kann.
In der Tat ist die eigentliche Aufgabe der Interpretation einer schon existierenden Philosophie weder die bloße Untersuchung der entwicklungsgeschichtlichen, vergangenheitsorientierten Frage, welchen Sinn der Philosoph seinem System zugeschrieben hat, noch der systemimmanenten, gegenwartsorientierten Frage, ob es ihm gelungen ist, diesen Sinn auf eine logisch stringente Art umzusetzen, sondern der anderen, zukunftsorientierten Frage, ob eine solche Philosophie bei der Lösung der aktuellen, philosophischen Fragen behilflich sein und in welcher Form sie diese Aufgabe am besten erfüllen kann.
Eine solche, zukunftsorientierte Interpretation ist als der Versuch der Aktualisierung einer Philosophie der Vergangenheit anzusehen. Sie setzt selbstverständlich voraus, dass man die echte Bedeutung dieser Philosophie durch die entwicklungsgeschichtliche Rekonstruktion schon verstanden hat und dass auch schon systemimmanent überprüft worden ist, wie es mit der logischen Stringenz des immanenten Aufbaus des Systems aussieht.
Die eigentliche Aktualisierung des Systems besteht dann darin, die Lücken zu beseitigen, die bei der Annahme der Prämissen sowie bei der Ableitung der Schlüsse aus diesen Prämissen eventuell aufgefunden worden sind (3). Damit wird die logische Stringenz des Systems verbessert und dadurch dessen Anwendung auf die philosophisch bedeutenden Fragen der Gegenwart auf eine festere Basis gestellt. In der Tat kann allein auf diese Weise das philosophische System, von dem wir meinen, dass es noch heute zur Lösung der aktuellen philosophischen Fragen brauchbar sei, zu diesem Zweck tauglich gemacht werden.
Die Aktualisierung einer Philosophie der Vergangenheit schließt deshalb als dritter Schritt den Prozess von deren Interpretation ab. Sie ergänzt den entwicklungsgeschichtlichen bzw. systemimmanenten Schritt, indem sie zu den vergangenheits- bzw. gegenwartsorientierten Dimensionen eine zukunftsorientierte Dimension hinzufügt.
Eine solche vollständige Interpretation nenne ich ’Globalinterpretation’. Sie ist die einzige feste Grundlage für die Aktualisierung einer Philosophie der Vergangenheit und deswegen für deren Anwendung auf das ethisch-politische Leben der Gegenwart.
Sie besteht insgesamt aus drei aufeinanderfolgenden Schritten:
Erster Schritt: Durch die entwicklungsgeschichtliche Rekonstruktion der Entstehung der Philosophie wird untersucht, welche Bedeutung sie hat, d.h. welchen Zweck der Philosoph mit ihr erreichen wollte.
Zweiter Schritt: Durch die Überprüfung der immanenten Gedankenstruktur wird überprüft, ob die Hauptprinzipien des Systems, die diese Bedeutung beinhalten, in sich begründet sind und ob die von ihnen abgeleiteten Schlüsse lückenlos und stringent aufeinander folgen. Dabei soll außerdem besonders darauf geachtet werden, zwischen Begriffen, dei den Kern des Systems ausmachen, und Begriffen, die dagegen nur dessen Schale bilden, streng zu unterscheiden.
Dritter Schritt: Durch eine Umschreibung (4) bzw. Wiederschreibung des Systems werden die eventuell beanstandeten Lücken geschlossen sowie die fehlerhaften bzw. nur historisch erklärbaren Schlüsse beseitigt und durch richtige Schlüsse ersetzt (Reinigungsoperation). Das auf diese Weise erneuerte System wird außerdem mit den neuesten, sicheren Ergebnissen der Einzelwissenschaften verglichen, um seine Standfestigkeit ihnen gegenüber zu überprüfen (Vervollständigungsoperation).
Am Ende dieses Prozesses müsste das System wiederbelebt und tauglich für den Einsatz in der Gegenwart gemacht worden sein. Dies bedeutet, dass dessen immanente Gedankenfolge nun imstande sein müsste, die Bedeutung des Systems auf eine begründete, logisch stringente und sich im Einklang mit dem neuesten Stand der Natur- und Geisteswissenschaften befindende Weise umzusetzen.
Allein eine solche Interpretation ist als ’Globalinterpretation’ zu betrachten und zu bezeichnen. Alle anderen Interpretationsformen, die lediglich aus einem oder zwei von den aufgeführten Schritten bestehen, sind nur teilweise gültig und können nicht beanspruchen, den Rang einer ’globalen’ Interpretation zu haben. Sie sind einseitig und können deshalb Anspruch nur auf eine Teilgültigkeit erheben.
Die entwicklungsgeschichtliche Interpretation kann nur in Bezug auf die Entstehung der Philosophie, also auf die Vergangenheit, aber nicht in Bezug auf die systemimmanente Stringenz sowie auch nicht auf die künftige Anwendung des Systems Gültigkeit beanspruchen; die systemimmanente Interpretation kann nichts über die Bedeutung des Systems überhaupt sagen und auch in Bezug auf die Zukunft ist sie sprachlos, sofern sie diese nicht mit beinhaltet; die aktualisierende Interpretation ist ohne Verwurzelung in der Entstehung des Systems und in dessen systemimmanente Überprüfung, also ohne geschichtlichen und systematischen Hintergrund, willkürliche Meinung des Interpreten. Diese Meinung kann eigentlich auch richtig sein, ihre Begründungs- und Überzeugungskraft ist aber sehr schwach, da sie ohne den ersten und den zweiten Interpretationsschritt über keine festen Wurzeln verfügt.
Die globale Interpretation wird durch zwei weitere Schritte vervollständigt, die eigentlich aber keine richtigen Forschungsschritte, sondern eher zwei Ergänzungen sind.
Die erste Ergänzung besteht darin, dass man eine Intuition hat, dass das System der Vergangenheit eine Geltung auch in der Gegenwart für die Lösung der aktuellen philosophischen Probleme haben könnte, bevor man mit dem Interpretationsprozess überhaupt beginnt. Wenn man diese Intuition nicht hätte, würde es sich gar nicht lohnen, eine so umfangreiche, zeit- und kraftaufwendige Unternehmung durchzuführen. Selbstverständlich kommt diese Intuition chronologisch vor der Durchführung der globalen Interpretation einer Philosophie der Vergangenheit und bildet die unentbehrliche Voraussetzung dafür.
Nachdem die Ausgangsintuition durch die Durchführung der globalen Interpretation bestätigt worden ist (5), müssen die praktischen Schritte durchgeführt werden, die zur Umsetzung der Philosophie in die Wirklichkeit führen. In der Tat ist es völlig unsinnig, eine globale Interpretation durchzuführen, ohne die auf diese Weise wiederbelebte und wieder tauglich gemachte Philosophie in das sowohl eigene als auch soziale Leben umzusetzen. Die ethische und politische Umsetzung der aktualisierten Philosophie der Vergangenheit in die Gegenwart ist also die zweite Ergänzung zu der globalen Interpretation. Als Bereitschaft dazu kommt sie chronologisch vor der globalen Interpretation und bildet deshalb eine wünschenswerte psychologische Voraussetzung dafür, während sie als praktische Umsetzung danach kommt.

Anmerkungen
1) Derart ist z.B. Hösles Vorhaben der Umsetzung von Hegels Programm, abgesehen von dessen Ausführung durch Hegel selbst. Diesbezüglich ist aber zu präzisieren, dass Hösle zu der Festlegung des Inhaltes dieses Programms ohne eine vorausgehende Erforschung von Hegels Denkentwicklung kommt. Es entsteht dabei deshalb die berechtigte Frage, ob der Gedankeninhalt, den Hösle als ’Hegels Programm’ bezeichnet, dem historischen Programm Hegels tatsächlich entspricht! Diese wichtige Frage kann hier leider nicht erörtert werden, soll aber innerhalb der philosophischen Richtung, die eine Aktualisierung von Hegels Philosophie anstrebt, irgendwann behandelt und gelöst werden. Welchen Sinn hat es in der Tat, eine Umsetzung von Hegels Programm anzustreben bzw. durchzuführen, wenn man nicht vorher entwicklungsgeschichtlich genau definiert, worin ein solches Programm eigentlich bestand?
2) Es sei mir an dieser Stelle erlaubt, auf Kants berühmte Unterscheidung nochmals zurückzugreifen, um die hier behandelte Unterscheidung zu verdeutlichen (s. Einfluss, S. 58).
3) Außerdem soll bei diesem dritten Schritt das System der Vergangenheit gereinigt und vervollständigt werden, wie es im Beitrag 9 dargestellt wurde.
4) Schild, 1992, S. 130: "Es muss deshalb jedenfalls gefragt werden, ob nicht auch die ’Enzyklopädie’ selbst in ihrem Aufbau umgeschrieben werden müsste" (in den vorhergehenden Seiten hatte Schild einige Gründe für eine Umschreibung der Rechtsphilosophie angegeben).
5) Es ist selbstverständlich genauso möglich, dass die Ausgangsintuition im Laufe der Durchführung der Globalinterpretation falsifiziert wird. In diesem Fall ist die Unternehmung aufzugeben. Dies bedeutet aber nicht, dass sie unnütz war. Andere Forscher werden von dem gescheiterten Versuch profitieren, indem sie diesen falschen Weg nicht gehen und ihre Kräfte in andere, vielversprechendere Wege investieren werden.

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