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9.Sitzung des Seminars: Einführung in das philosophische System Hegels

9.Sitzung des Seminars: Einführung in das philosophische System Hegels

 

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Text für die 9. Sitzung

(10.2.2025)

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Einführung in das philosophische System Hegels

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(Bereits behandelter Text ist grün markiert, noch zu lesender Text ist schwarz.)

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1.Zusammenfassung des bisher Gesagten und des erreichten Standes der Rekonstruktion der Entwicklung des Hegelschen Denkens bis 1806

Der unterbrochene Schluss des Manuskript System der Sittlichkeit enthält implizit die Hegelsche Staatskonzeption, an der er gerade in diesen Jahren mit enormer Anstrengung arbeitete, um zu verstehen, was die „mögliche Form einer freien Regierung“ ist. Schauen wir uns das entsprechende Dokument wieder an, wo wir bei der letzten Sitzung angekommen waren.

Seiten 360 und 361 aus GW5: System der Sittlichkeit, Schlussteil

Nachdem Hegel Monarchie und Aristokratie als „mögliche Formen einer freien Regierung“ kategorisch ausgeschlossen hat, da beide auf etwas Zufälligem, nämlich auf Vererbung und Eigentum, und nicht auf etwas Notwendigem und Logischem beruhen, wendet er sich der Form der Demokratie zu, die ihm als einzige in der Lage zu sein scheint, ein gewisses Fundament zu haben. Dieses Fundament ist die Einheit, die Verbundenheit des Volkes, wie wir schon aus dem Aufsatz von 1802 Über die verschiedenen wissenschaftlichen Behandlungsarten des Naturrechts kennen.

Er fragt sich, welche Form der Religion diese Einheit zu begründen vermag und findet vorerst keine Antwort, sondern schreibt nur, dass diese Religion den Menschen mit der Welt und mit sich selbst versöhnen soll, allerdings auf Kosten der Transzendenz, die in dieser demokratischen Religion, die, wie Hegel es ausdrückt, „rein sittlich“ sein soll, verloren geht. Das ist die subjektive Religion, die wir seit Tübingen kennen, im Gegensatz zur objektiven Religion.

Dabei ist allerdings zu beachten, dass der Hegelsche Demokratiebegriff sowohl in diesem Text als auch in späteren Texten ein ganz anderer ist als der der britischen liberalen Tradition, der sich dann im Laufe der Geschichte vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg durchgesetzt hat.

Hegel schreibt hier deutlich, dass die Demokratie, wie sie gemeinhin verstanden wird, notwendigerweise zu „Ochlokratie“, d.h. zu sozialer Unordnung führt (genau das Gegenteil von Adam Smith, dem Begründer der kapitalistischen politischen Ökonomie, demzufolge das freie Spiel der Individuen auf dem Markt schließlich zu sozialer Harmonie führt). In Bezug auf England schrieb der Philosoph einige Jahre später:

Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, 1830, §544

(Anmerkung über Demokratie, Monarchie, Aristokratie)

„Die Frage, die am meisten besprochen worden, ist, in welchem Sinne die Teilnahme der Privatpersonen an den Staatsangelegenheiten zu fassen sei. Denn als Privatpersonen sind die Mitglieder von Ständeversammlungen zunächst zu nehmen, sie seien als Individuen für sich oder als Repräsentanten vieler oder des Volkes geltend. Das Aggregat der Privaten pflegt nämlich häufig das Volk genannt zu werden; als solches Aggregat ist es aber vulgus, nicht populus; und in dieser Beziehung ist es der alleinige Zweck des Staates, daß ein Volk nicht als solches Aggregat zur Existenz, zur Gewalt und Handlung komme. Solcher Zustand eines Volks ist der Zustand der Unrechtlichkeit, Unsittlichkeit, der Unvernunft überhaupt; das Volk wäre in demselben nur als eine unförmliche, wüste, blinde Gewalt, wie die des aufgeregten, elementarischen Meeres, welches selbst jedoch sich nicht zerstört, wie das Volk als geistiges Element tun würde. Man hat solchen Zustand oft als den der wahren Freiheit vorstellen hören können. Damit es einen Verstand habe, sich auf die Frage der Teilnahme der Privatpersonen an den allgemeinen Angelegenheiten einzulassen, muß nicht das Unvernünftige, sondern schon ein organisiertes Volk, d.i. in welchem eine Regierungsgewalt vorhanden ist, vorausgesetzt werden. – Das Interesse solcher Teilnahme aber ist weder in den Vorzug besonderer Einsicht überhaupt zu setzen, welchen die Privatpersonen vor den Staatsbeamten besitzen sollen – es ist notwendig das Gegenteil der Fall –, noch in den Vorzug des guten Willens für das allgemeine Beste, – die Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft sind vielmehr solche, welche ihr besonderes Interesse und, wie vornehmlich im Feudalzustande, das ihrer privilegierten Korporation zu ihrer nächsten Bestimmung machen. Wie z.B. von England, dessen Verfassung darum als die freiste angesehen wird, weil die Privatpersonen eine überwiegende Teilnahme an dem Staatsgeschäfte haben, die Erfahrung zeigt, daß dies Land in der bürgerlichen und peinlichen (strafrechtlichen) Gesetzgebung, dem Rechte und der Freiheit des Eigentums, den Veranstaltungen für Kunst und Wissenschaft usf., gegen die anderen gebildeten Staaten Europas am weitesten zurück und die objektive Freiheit, d.i. vernünftiges Recht, vielmehr der formellen Freiheit und dem besonderen Privatinteresse (dies sogar in den der Religion gewidmet sein sollenden Veranstaltungen und Besitztümern) aufgeopfert ist. – Das Interesse eines Anteils der Privaten an den öffentlichen Angelegenheiten ist zum Teil in die konkretere und daher dringendere Empfindung allgemeiner Bedürfnisse zu setzen, wesentlich aber in das Recht, daß der gemeinsame Geist auch zu der Erscheinung eines äußerlich allgemeinen Willens in einer geordneten und ausdrücklichen Wirksamkeit für die öffentliche Angelegentlichkeit gelange, durch diese Befriedigung ebenso eine Belebung für sich selbst empfange, als eine solche auf die Verwaltungsbehörden einfließt, welchen es hierdurch in gegenwärtigem Bewußtsein erhalten ist, daß sie, so sehr sie Pflichten zu fordern, ebenso wesentlich Rechte vor sich haben. Die Bürger sind im Staate die unverhältnismäßig größere Menge, und eine Menge von solchen, die als Personen anerkannt sind. Die vollende Vernunft stellt daher ihre Existenz in ihnen als Vielheit von Freien oder in einer Reflexions-Allgemeinheit dar, welcher in einem Anteil an der Staatsgewalt ihre Wirklichkeit gewährt wird. Es ist aber bereits als Moment der bürgerlichen Gesellschaft bemerklich gemacht (§ 527, 534), daß die Einzelnen sich aus der äußerlichen in die substantielle Allgemeinheit, nämlich als besondere Gattung, – die Stände, erheben; und es ist nicht in der unorganischen Form von Einzelnen als solchen (auf demokratische Weise des Wählens), sondern als organische Momente, als Stände, daß sie in jenen Anteil eintreten; eine Macht oder Tätigkeit im Staate muß nie in formloser, unorganischer Gestalt, d.i. aus dem Prinzip der Vielheit und der Menge erscheinen und handeln.“

(Im Internet hier)

Im Gegensatz zum liberalen, individualistischen Demokratieverständnis entwirft Hegel ein soziales Demokratieverständnis, das frei von Spannungen und Widersprüchen ist und sich ganz auf die Philosophie und die Vernunft stützt, nicht auf die Ökonomie und die privaten persönlichen Interessen.

Dies ist Hegels ursprüngliche politische Vision, wie wir sie zum ersten Mal systematisch in seinen beiden Schriften von 1802 und 1803, dem Aufsatz Über die wissenschaftlichen Behandlungsarten des Naturrechts und dem System der Sittlichkeit, finden können und bis zum letzten System der Enzyklopädie im Jahre 1803 immer gleichbleiben wird.

In diesen beiden Werken legt Hegel das Grundprinzip seiner politischen Theorie dar, das später den Kern seiner Philosophie des Geistes bilden und von großer historischer Bedeutung sein wird, insbesondere bei der von Marx vorgenommenen Revision, die, wie wir wissen, später zur kommunistischen Revolution und damit zur Schaffung einer konkreten historischen Alternative zur liberalen Konzeption der Demokratie führte.

Zusammenfassend, haben wir im Allgemeinen ein individuelles Demokratieverständnis, das auf dem von der britischen Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts (Locke, Berkeley, Hume, Smith) vertretenen Individualismus beruht, und ein soziales Demokratieverständnis, das dagegen vor allem von der europäischen, insbesondere deutschen Kontinentalphilosophie zwischen dem Ende des 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vertreten wurde (Rousseau, Kant, Hegel und dann auch Marx).

Auch wenn sich die individualistische anglo-amerikanische Auffassung der Demokratie im Westen zumindest bis heute durchgesetzt hat, bedeutet dies nicht, dass sie die „wahre“, d.h. logisch und philosophisch besser begründete ist.

Wir wollen die Demokratieauffassung Hegels untersuchen, der immer als Anhänger der Monarchie interpretiert wurde, während die Rekonstruktion seiner politischen Theorie uns genau das Gegenteil zeigt, nämlich dass die Monarchie für ihn nur einen formalen, nicht aber einen substantiellen Wert hat, weil das wahre Zentrum der Macht das Volk, eben der ‚Demos‘, das Volk ist. 

Während bei Marx der ‚Demos‘ das Proletariat ist, ist für Hegel der ‚Demos‘ das ganze Volk, das nicht nur aus dem Proletariat und der Arbeiterklasse, sondern auch aus den anderen Klassen besteht. Die verschiedenen Klassen bilden zusammen die ‚bürgerliche Gesellschaft‘, die das schlagende Herz des Volkes ist, das sein Leben ermöglicht.

Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, 1830, §528

„Der substantielle, natürliche Stand hat an dem fruchtbaren Grund und Boden ein natürliches und festes Vermögen; seine Tätigkeit erhält ihre Richtung und Inhalt durch Naturbestimmungen, und seine Sittlichkeit gründet sich auf Glauben und Vertrauen. Der zweite, der reflektierte Stand ist auf das Vermögen der Gesellschaft, auf das in Vermittlung, Vorstellung und in ein Zusammen der Zufälligkeiten gestellte Element, und das Individuum auf seine subjektive Geschicklichkeit, Talent, Verstand und Fleiß angewiesen. Der dritte, denkende Stand hat die allgemeinen Interessen zu seinem Geschäfte; wie der zweite hat er eine durch die eigene Geschicklichkeit vermittelte und wie der erste eine aber durch das Ganze der Gesellschaft gesicherte Subsistenz.“

Im Internet hier: http://www.zeno.org/Philosophie/M/Hegel,+Georg+Wilhelm+Friedrich/Enzyklop%C3%A4die+der+philosophischen+Wissenschaften+im+Grundrisse/Dritter+Teil%3A+Die+Philosophie+des+Geistes/2.+Abteilung%3A+Der+objektive+Geist/C.+Die+Sittlichkeit/b.+Die+b%C3%BCrgerliche+Gesellschaft/aa.+Das+System+der+Bed%C3%BCrfnisse

Deshalb ist Hegel nicht für den Klassenkampf, sondern für die Zusammenarbeit zwischen den Klassen zur Erreichung des gemeinsamen Ziels, das das Wohl und die Freiheit aller ist. Der Staat soll dies möglich machen.

Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, 1830, §537

„Das Wesen des Staates ist das an und für sich Allgemeine, das Vernünftige des Willens, aber als sich wissend und betätigend schlechthin Subjektivität und als Wirklichkeit ein Individuum. Sein Werk überhaupt besteht in Beziehung auf das Extrem der Einzelheit als der Menge der Individuen in dem Gedoppelten, einmal sie als Personen zu erhalten, somit das Recht zur notwendigen Wirklichkeit zu machen, und dann ihr Wohl, das zunächst jeder für sich besorgt, das aber schlechthin eine allgemeine Seite hat, zu befördern, die Familie zu schützen und die bürgerliche Gesellschaft zu leiten, – das andere Mal aber beides und die ganze Gesinnung und Tätigkeit des Einzelnen, als der für sich ein Zentrum zu sein strebt, in das Leben der allgemeinen Substanz zurückzuführen und in diesem Sinne als freie Macht Jenen ihr untergeordneten Sphären Abbruch zu tun und sie in substantieller Immanenz zu erhalten.“

Im Internet hier: http://www.zeno.org/Philosophie/M/Hegel,+Georg+Wilhelm+Friedrich/Enzyklop%C3%A4die+der+philosophischen+Wissenschaften+im+Grundrisse/Dritter+Teil%3A+Die+Philosophie+des+Geistes/2.+Abteilung%3A+Der+objektive+Geist/C.+Die+Sittlichkeit/c.+Der+Staat/aa.+Inneres+Staatsrecht

Hegels politische Philosophie, aber auch die Ethik, stellt daher eine mögliche Lösung für den Gegensatz Liberalismus-Kommunismus dar, der nicht nur ein theoretischer Gegensatz ist, sondern die leider immer noch bestehende Spaltung der Welt in zwei gegensätzliche ideologische Blöcke.

Es scheint daher lohnenswert, die folgende Forschungsfrage nachzugehen, ob Hegel im Anschluss an Kant die gefährliche Richtung, in die sich die Welt schon damals bewegte, frühzeitig erkannt und eine ethisch-politische Theorie entwickelt hat, die in der Lage ist, diesen Widerspruch zu überwinden (aufzuheben) und damit die Grundlage für eine politische Vision zu schaffen, die auf Kooperation und sozialem Frieden beruht. Heute brauchen wir dringend eine solche Vision, denn die Welt befindet sich in einem Zustand totaler und sehr gefährlicher politischer Spannungen.

Natürlich konnte Hegel nicht ahnen, dass Marx später auf der Grundlage seiner Dialektik eine politische Vision entwerfen würde, die der der liberalen Demokratie stark widerspricht und die Welt in eine absolute Spaltung in zwei gegensätzliche Lager führt. Er hatte jedoch erkannt, dass das Grundprinzip der liberalen Demokratie, nämlich der Individualismus, nicht in der Lage ist, eine Gesellschaft zu gründen, die auf Frieden und Harmonie beruht, denn wenn jeder Einzelne sowie jeder Staat nur auf sich selbst bedacht ist, ist eine soziale Konfrontation früher oder später unvermeidlich. Dies war in der Tat sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene der Fall. Die Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts, vor allem aber die des zwanzigsten Jahrhunderts bis heute, ist nichts anderes als eine Geschichte heftiger sozialer Auseinandersetzungen mit Millionen von Toten.

Versuchen wir nun, diese Begriffe zu verstehen, die für das Verständnis der Hegelschen Philosophie unter diesem Aspekt, der für den Philosophen am wichtigsten war, grundlegend sind.

Um dies zu tun, müssen wir seine Philosophie des Geistes verstehen. Der Staat, also die Politik, ist für Hegel eine Emanation (Kreation, Manifestation) des Geistes. Um den Begriff des Geistes bei Hegel zu verstehen, ist es jedoch notwendig, das gesamte philosophische System zu untersuchen und zu verstehen, von dem der Geist ein Teil ist.

 

2. Grundlegende Struktur des Hegelschen philosophischen Systems
Der Geist ist im Hegelschen System der dritte der dialektischen Triade nach dem Logos (bzw. Idee) und der Natur. Alle drei, Idee, Natur und Geist, sind Definitionen des Absoluten, d.h. des Ganzen, von allem, was existiert. 
Hegel hat uns jedoch in den letzten Abschnitten des Systems einen Schlüssel zum Verständnis dieser Triade gegeben, demzufolge die Reihenfolge auch anders gesehen werden kann. Es handelt sich um die Theorie der Schlüsse, die der Philosoph in den §§ 575, 576 und 577 der "Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften" (1830) darlegt. 


Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, 1830, §§ 575-576-577


„§ 575
(1. Schluss: Idee-Natur-Geist – Ergänzung von mir, absoluter Idealismus bzw. metaphysischer Idealismus)


Es ist dieses Erscheinen, welches zunächst die weitere Entwicklung begründet. Die erste Erscheinung macht der Schluß aus, welcher das Logische zum Grunde als Ausgangspunkt und die Natur zur Mitte hat, die den Geist mit demselben zusammenschließt. Das Logische wird zur Natur und die Natur zum Geiste. Die Natur, die zwischen dem Geiste und seinem Wesen steht, trennt sie zwar nicht zu Extremen endlicher[393] Abstraktion, noch sich von ihnen zu einem Selbständigen, das als Anderes nur Andere zusammenschlösse; denn der Schluß ist in der Idee und die Natur wesentlich nur als Durchgangspunkt und negatives Moment bestimmt und an sich die Idee; aber die Vermittlung des Begriffs hat die äußerliche Form des Übergehens und die Wissenschaft die des Ganges der Notwendigkeit, so daß nur in dem einen Extreme die Freiheit des Begriffs als sein Zusammenschließen mit sich selbst gesetzt ist.


§ 576
(2. Schluss: Natur-Geist-Idee – Ergänzung von mir, objektiver Idealismus bzw. materialistischer Idealismus)


Diese Erscheinung ist im zweiten Schlüsse insoweit aufgehoben, als dieser bereits der Standpunkt des Geistes selbst ist, welcher das Vermittelnde des Prozesses ist, die Natur voraussetzt und sie mit dem Logischen zusammenschließt. Es ist der Schluß der geistigen Reflexion in der Idee; die Wissenschaft erscheint als ein subjektives Erkennen, dessen Zwecks die Freiheit und es selbst der Weg ist, sich dieselbe hervorzubringen.


§ 577
(3. Schluss: Geist-Idee-Natur – Ergänzung von mir, subjektiver Idealismus bzw. psychologischer Idealismus)


Der dritte Schluß ist die Idee der Philosophie, welche die sich wissende Vernunft, das Absolut-Allgemeine zu ihrer Mitte hat, die sich in Geist und Natur entzweit, jenen zur Voraussetzung als den Prozeß der subjektiven Tätigkeit der Idee und diese zum allgemeinen Extreme macht, als den Prozeß der an sich, objektiv, seienden Idee. Das Sich-Urteilen der Idee in die beiden Erscheinungen (§ 575/6) bestimmt dieselben als ihre (der sich wissenden Vernunft) Manifestationen, und es vereinigt sich in ihr, daß die Natur der Sache, der Begriff, es ist, die sich fortbewegt und entwickelt, und diese Bewegung ebensosehr die Tätigkeit des Erkennens ist, die ewige an und für sich seiende Idee sich ewig als absoluter Geist betätigt, erzeugt und genießt.“

 
(Im Internet hier)


Es ist hier jedoch nicht der Fall, dieses Thema zu vertiefen, das sehr spezifisch ist und eine fortgeschrittenere Kenntnis des philosophischen Systems erfordert. Wir werden jedoch gegen Ende des Seminars kurz darüber sprechen. Es wäre schön, eine Hausarbeit darüber zu schreiben. Das ist ein sehr aktueller Aspekt der Hegel-Forschung.
Versuchen wir nun, den Hauptinhalt des Systems zu begreifen, egal in welcher Reihenfolge seine drei Hauptteile aufgestellt werden.


3. Das Absolute (bzw. die Idee oder der Logos)
Auf den ersten Blick mag es scheinen, als gäbe es in der Welt nur Materie, d.h. die Natur, und Geist, d.h. die vom Menschen geschaffene Welt, z.B. die Geschichte. Hegel und die Metaphysiker im Allgemeinen sagen uns jedoch, dass es auch eine andere Ebene der Existenz gibt, die weder materiell noch geistig ist, es ist weder die Welt der Natur noch die Welt des Menschen, sondern etwas Höheres, etwas Reines, das eine der Mathematik vergleichbare Existenz hat. 
Das sind die logischen Kategorien, z.B. Sein, Nichts, Quantität, Qualität, Ursache, Wirkung, Möglichkeit, Notwendigkeit, usw. Diese Kategorien sind nicht nur subjektiv und menschlich, sondern haben auch einen objektiven Wert, z. B. gibt es Ursachen in der Natur, Quantität und Qualität in der Natur usw., so dass ihre Existenz sowohl natürlich als auch geistig, also absolut ist. 
Der lateinische Begriff „absolutum“, von dem der deutsche Begriff „Absolutes“ und seine Ableitungen herkommen, bedeutet wörtlich „aufgelöst“, „getrennt“.


(Im Internet hier)


Das Absolute ist seinem Wesen nach etwas, das nicht mit den Sinnen empirisch wahrgenommen werden kann und nirgendwo als solches zu finden ist, und doch ist es da, es hat eine Existenz. Auch die Mathematik hat eine ‚absolute‘ Existenz, so dass wir niemals Zahlen und mathematische Größen in der Natur oder im Geist finden werden, obwohl sowohl die Natur als auch der Geist (z.B. die Musik) auf mathematischen Strukturen beruhen. Es ist bekannt, dass Pythagoras glaubte, die Zahlen seien die Erklärung für alles, das erste Prinzip des Seins. Für Hegel sind die Kategorie das erste Prinzip des Seins und die mathematischen Größen sind ein Teil der Kategorien, insbesondere der Kategorie der Quantität.

 

4. Hauptmerkmal des Absoluten: die logische Kreativität

Das erste Merkmal, das es zu nennen gibt, ist das der Kreativität.  Die absolute Vernunft ist Schöpferin, sie bringt alles hervor, was ist, sie kreiert das Monos, das Eins-Alles, das in seinem Inneren all jenes hat, was einen Anfang und ein Ende hat, die Welt also. 

Auch dieses Prinzip hat einen maßgeblichen Einfluss auf unser praktisches Leben: Es bedeutet nämlich, dass unser rationales Wesen nicht nur darin besteht, dass wir fähig sind, zu verstehen, sondern vor allem, dass wir fähig sind, zu erschaffen. Unser Wesen ist das eines Schöpfers. Unser Glück und unsere Selbstverwirklichung bestehen in nichts anderem als in der Schöpfung, in einem Leben als schöpferisches Wesen.

Etwas zu schaffen bedeutet zunächst, etwas gedanklich zu konzipieren (eine Reise, ein Kunstwerk, eine Familie, ein Gesetz, ein handwerkliches Objekt usw.) und es dann mittels verschiedener Momente, d.h. Entwicklungsphasen oder stadien,  zu realisieren. Am Ende wird das vollendete Werk die wahre Unendlichkeit des Prozesses vieler endlicher Momente sein (z.B. die Geburt der Kinder und die Momente ihres Lebens, sind die endlichen Momente des Lebens einer Familie; die Prüfungen sind die endlichen Momente eines Universitätsabschlusses; der Bau des Fundaments und der verschiedenen Stockwerke sind die endlichen Momente des Unendlichen in Form eines  Hauses usw.).

Damit wird an dieser Stelle eine Brücke zwischen Logik-Metaphysik und Ethik geschlagen. Bevor wir aber zur Ethik Hegels und zu seiner Theorie der Sittlichkeit und der Demokratie zurückkommen, versuchen wir etwas mehr über das Absolute zu erfahren.

 

5. Unterscheidung zwischen Idee (Logos), Natur und Geist

Nach diesen Bemerkungen über den Begriff des Absoluten kehren wir nun zum Thema des Verständnisses der "Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften" zurück.
Wie bereits erwähnt, existiert alles, was existiert, in einer dieser drei Formen, als logische, natürliche oder geistige Einheit. Sehen wir uns die Unterschiede an und auch, was sie gemeinsam haben. 
Gemeinsam ist ihnen, dass sie „Definitionen des Absoluten“ sind, wie Hegel in der ersten Ausgabe (1817) der Enzyklopädie schreibt. 


(Quelle: Seiten 36-37 und 180-181 von GW13)


Wir sollen jedoch sehr vorsichtig sein, um die Bedeutung des Begriffs „Definition“ bei Hegel zu verstehen. Der Philosoph versteht diesen Begriff nicht in dem subjektiven Sinne, dass es der Mensch, das Subjekt, ist, der einen Begriff auf diese Weise definiert, sondern dass sich die Begriffe in ihrer immanenten Begriffsentwicklung selbst definieren. Das heißt, dass in der "Konstruktion" des Systems ein Begriff einen anderen Begriff hervorbringt und sich auf diese Weise die Begriffe „selbst definieren“, selbst bestimmen. Das System konstruiert sich also selbst! 

Wir wollen nun sehen, was an ihnen anders ist. Lesen wir Hegels Erklärung, die der Einleitung zur Enzyklopädie von 1830 entnommen ist:


Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, 1830, § 18


„Wie von einer Philosophie nicht eine vorläufige, allgemeine Vorstellung gegeben werden kann, denn nur das Ganze der Wissenschaft ist die Darstellung der Idee, so kann auch ihre Einteilung nur erst aus dieser begriffen werden; sie ist wie diese, aus der sie zu nehmen ist, etwas Antizipiertes. Die Idee aber erweist sich als das schlechthin mit sich identische Denken und dies zugleich als die Tätigkeit, sich selbst, um für sich zu sein, sich gegenüberzustellen und in diesem Anderen nur bei sich selbst zu sein. So zerfällt die Wissenschaft in die drei Teile:


I. Die Logik, die Wissenschaft der Idee an und für sich,
II. Die Naturphilosophie als die Wissenschaft der Idee in ihrem Anderssein, 
III. Die Philosophie des Geistes als der Idee, die aus ihrem Anderssein in sich zurückkehrt.


Oben § 15 ist bemerkt, daß die Unterschiede der besonderen philosophischen Wissenschaften nur Bestimmungen der Idee selbst sind und diese es nur ist, die sich in diesen verschiedenen Elementen darstellt. In der Natur ist es nicht ein Anderes als die Idee, welches erkannt würde, aber sie ist in der Form der Entäußerung, so wie im Geiste ebendieselbe als für sich seiend und an und für sich werdend. Eine solche Bestimmung, in der die Idee erscheint, ist zugleich ein fließendes Moment; daher ist die einzelne Wissenschaft ebensosehr dies, ihren Inhalt als seienden Gegenstand, als auch dies, unmittelbar darin seinen Übergang in seinen höheren Kreis zu erkennen. Die Vorstellung der Einteilung hat daher das Unrichtige, daß sie die besonderen Teile oder Wissenschaften nebeneinander hinstellt, als ob sie nur ruhende und in ihrer Unterscheidung substantielle, wie Arten, wären.“

 

(Im Internet hier

 

Die logischen Bestimmungen, die Kategorien, sind das Absolute an und für sich, also in seiner reinen Form. 
Das Materielle, also die Natur, ist immer das Absolute, allerdings in der Form der Äußerlichkeit bzw. des Andersseins, also das Absolute außerhalb seiner selbst. 
Der Geist ist schließlich das Absolute, das aus seine Anderssein zu sich selbst zurückkehrt, also das Absolute in der Form der Innerlichkeit. 
Diese Trias Idee-Natur-Geist ist offensichtlich eine Entfaltung, d.h. man geht vom ersten zum letzten durch verschiedene begriffliche Bestimmungen, die das System konstruieren. Dieses System aber ist nichts anderes als die Welt, das Sein, so ist die "Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften" die Welt, das in Begriffen ausgedrückte Sein, sein ideales Dasein im Denken, das offenbar das Sein in seiner realen Form widerspiegelt bzw. erkennt und ausdrückt.

 

6. Korrespondenz von Vernünftigem (Logischem, Wissenschaftlichem) und Wirklichem

In diesem Bezug ist Hegels Formulierung von der Korrespondenz zwischen dem Vernünftigen und dem Wirklichen berühmt:


„Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig.“


(G.W.F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, GW 14, S. 14, Erstausgabe Berlin 1821)

 

(Internet hier)


Sie bedeutet nichts anderes als dies: Das wissenschaftliche Denken, und die Philosophie ist für Hegel die höchste Wissenschaft, die Königin der Wissenschaften oder die Wissenschaft der Wissenschaften, ist das Vernünftige, das als solches das Wirkliche ausdrückt, das seinerseits die Verwirklichung des Vernünftigen, der begrifflichen Struktur der Welt ist. Das Wirkliche und das Vernünftige fallen zusammen, wenn das Vernünftige natürlich die Wissenschaft, das strenge Denken, das Begründete, das Bewiesene ist.


7. Allgemeine Grundprinzipien der absoluten Vernunft

Versuchen wir nun, das Absolute, die absolute Vernunft, das Logos, welches sowohl in der Natur als auch im Geiste wirkt, tiefer zu verstehen.  Es ist in der Tat offensichtlich, dass man von diesem Absoluten ausgehen soll, um die objektive Natur und den subjektiven Geist zu erfassen, in denen es sich zuerst als notwendig und dann als frei erweist.

(Internet hier aus meinem Buch "Philosophie für alle", Lektion 7: "Die Grundstruktur der absoluten Vernunft") 

 

7.1 Wie gelangt man zum Absoluten? (Wie kann man das Absolute erschließen? Wie kann man sich zum Absoluten erheben?)

Die erste Frage, die sich diesbezüglich aufdrängt, ist folgende: Wie können wir das Absolute erfassen, wie können wir es erkennen? In der Religion geschieht dies durch den Glauben, aber, wie wir gesehen haben, wendet die Philosophie eine gänzlich verschiedene Methode an, obwohl sie im Grunde dasselbe Ziel verfolgt wie die Religion. Diese Methode besteht in der Argumentation: Sie muss ihre Grundlagen beweisen und kein Glaubensakt, kein Dogma kann das tun. 
Der philosophische Zugang zum Absoluten erweist sich, wenn man dem bisherigen Gedanken folgt, als sehr viel einfacher und verständlicher, als es scheint: Da nämlich das Absolute im Grunde die absolute Vernunft ist und diese wiederum das Wesen unseres Geistes darstellt, also unser ununterbrochenes Denken, das Formulieren von Begriffen und Ideen usw., d.h. unsere gesamte logische Aktivität, können wir das Absolute verstehen, indem wir unsere Gedanken analysieren: ergo mithilfe der Wissenschaft der Logik. Die logische Erkenntnis des menschlichen Denkens und die Erkenntnis des Absoluten überschneiden sich. 

Diese Überschneidung führt offenkundig zu den Disziplinen der Logik und der Metaphysik, die bereits in den Anfängen der griechischen Philosophie als identisch erachtet wurden, denken wir an Parmenides und Heraklit (man vergleiche des Letztgenannten z.B. die Fragmente zum Logos, heute wie damals aktuell).
Diese beiden Vorbedingungen vorausgeschickt, dass der Zugang ausschließlich über die Logik erfolgen kann und diese daher sowohl mit der Metaphysik als auch mit der Theologie zusammenfällt, da diese zwei Wissenschaften traditionell die Erkenntnis des Absoluten als Ziel haben, stellen sich zwei weitere Probleme: Erstens, das einer präzisen Definition des Gegenstandes bzw.  die Frage, in was genau die Vernunft besteht; zweitens, welche die richtige Methode ist, um es auf ernsthafte und wissenschaftliche Weise zu untersuchen. 

 

7.1.1 Warum können wir uns überhaupt zum Absoluten erheben bzw. das Absolute erschließen?

Hegel hat es nicht geschafft, eine ’unhintergehbare Begründung’ (Letztbegründung) des absoluten Wissens zu geben.

Er hat in der Logik die "Phänomenologie des Geistes" als Weg zum absoluten Wissen präsentiert ("Allgemeiner Begriff der Logik", Internetquelle hier). In der "Enzyklopädie" hat aber eine andere Theorie als Einführung zur Logik und zum System entwickelt ("Vorbegriff zur Enzyklopädie", die drei Stellungen des Gedankens zur Objektivität, Internetquelle hier).

Man versteht, man er sagen will, er ist aber nicht schlüssig. Grund dafür ist, dass man dabei das Wissen schon voraussetzt (Erklärung).

Ich habe eine eigene Theorie entwickelt, um das absolute Wissen auf eine ’unhintergehbare’ Weise zu begründen. Diese Theorie begründet Hegels System besser als das Hegel selbst gemacht hat. Das soll uns aber nicht wundern. Hegel hat eine Menge Arbeit in allen Sphären des Wissens geleistet, es ist klar, dass er in der relativ kurzen Zeit seines Lebens nicht ’alle’ Fragen lösen konnte. Das ist genau die sinnvolle philosophische Arbeit, die wir heute leisten sollen: Wir sollen den Idealismus auf theoretische Ebene in den Teilen befestigen, die bei Hegel unklar sind,  und auf praktische Ebene den idealistische Staat der absoluten Sittlichkeit politisch weltweit verwirklichen. Das ist meines Erachtens die heutige und künftige Hauptaufgabe der Philosophie. Teilweise haben es auch schon Friedrich Engels und Karl Marx gemacht, sie hatten aber, wie oft schon gesagt, nicht alle Schriften Hegels zur Verfügung und sowieso nicht in der wissenschaftlichen Ausgabe, die wir heute besitzen. Es waren dann auch andere Zeiten, in denen die soziale Frage in Europa ganz stark war und ihnen als Priorität erschien (Marx: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kömmt drauf an, sie zu verändern.“). Aus diesen Gründen haben sie eine Theorie entwickelt, die zwar dialektisch ist, aber in vielen Punkten noch weniger schlüssig als Hegels dialektischer Idealismus (z.B. in Bezug auf die Religion). Wir haben heute alle Mittel, um ein besseres dialektisches Verständnis der Welt und der Gesellschaft zu erarbeiten.

Ich möchte hier diese Theorie kurz darstellen. 

(Das Wissen als System von Begriffen, wissenschaftliche Bibliothek und Welt, Theorie des ’Ich verstehe’ und faktische Begründung des objektiven Wissen, Unterschied zwischen Dualismus und Monismus und Erklärung des absoluten Wissens)

Internetquelle: hier

Bibliographische Quelle:  Marco de Angelis, Philosophie für alle. Manifest für die philosophische Identität des europäischen Volkes, Möhnesee 2016 (hier)

Politische Anwendung: Europa als philosophisches Projekt

Das Manifest von Ventotene (hier und hier) (Grundlage: Kants "Zum ewigen Frieden")

Ursula Hirschmann (hier und hier)

Ein neues Manifest für ein neues Europa? Grundlage diesmal aber Hegel, nicht Kant! Monismus und nicht Dualismus!

Gründungsväter (wieso nicht auch Gründungsmütter?) der Europäischen Union: hier und hier

(Diese waren nur ’Arbeiter der Wahrheit’, dann haben wir die ’Architekten der Wahrheit’, z.B. Kant, und die ’Ingenieure der Wahrheit’, z.B. die drei intellektuellen von Ventotene. Die Politiker, die dann die Wahrheit umsetzen, befinden sich ganz am Ende der Kette der Wahrheit, sie machen die manuelle Arbeit, nicht die geistige Arbeit, die nur von Philosophen gemacht werden kann. Die Philosophie regiert die Welt, nicht die Politik). 

 

7.2 Was genau ist die absolute Vernunft bzw. der Untersuchungsgegenstand der Logik-Metaphysik?
Wenn wir unsere Sprache untersuchen, bemerken wir, dass es sicher Begriffe gibt, die Erfahrung voraussetzen, um existieren zu können. Der Mensch hätte z.B. nie den Begriff und das Wort “Baum”, wenn er diesen nie gesehen hätte oder alternativ wenn er sich diesen nie vorgestellt hätte.. Das gilt für alle konkreten und abstrakten Nomen, aber auch für Verben und die Handlungen, die diese designieren. Dann gibt es andere Begriffe, die dazu dienen, die Syntax der Sprache zu formulieren (Präpositionen, Konjunktionen usw.). Dazu gibt es noch weitere Worte, welche die Bedeutungen von Nomen und Verben präzisieren (verstärken, abschwächen usw.) wie Adjektive und Adverbien.
Dieser Teil der Sprache ist also auf die konkrete, aber auch abstrakte Erfahrung (z.B. die der Fantasie) und auf die Syntax zurückzuführen, mithilfe derer wir Sätzen einen Sinn geben. Ein anderer Teil der Sprache ist jedoch nicht auf eine interne oder externe Erfahrung zurückzuführen, sondern existiert bereits vor dieser und ist sogar eine notwendige Bedingung, um alle Assoziationen einer begrifflichen Einheit und somit das Wort, das diese Einheit bezeichnet, einzuordnen.
Schauen wir uns den folgenden Beispielsatz an: “Der Tisch ist hoch.” Darin gibt es einige Begriffe, die über die einfache Bedeutung jenes Satzes hinausgehen. Bereits im Wort “Tisch” steckt die Formulierung eines einzigen Begriffs für ein Zusammenspiel mehrerer Einzelteile, die Einheit einer Vielzahl, über die hier bereits gesprochen wurde. Diese sind Tischplatte, Tischbeine, Schrauben, Material, Farben und gegebenenfalls weitere vorhandene Teile, die zu einer Funktion zusammengesetzt sind, die bereits weit über das einfache Wort hinausgeht, z.B. die Funktion Bücher oder Lampen zu tragen usw. Dies beinhaltet die Reduktion der Vielzahl auf eine begriffliche und funktionelle Einheit. Diese Art der Reduktion findet sich noch deutlicher im Begriff “Klassenraum” wieder, in dem die Teile, die das Ganze darstellen, voneinander getrennt und nicht physisch miteinander verbunden sind (während sie im Tisch physisch miteinander verbunden sind).
Im selben Satz “Der Tisch ist hoch” haben wir außerdem eine konjugierte Form des Verbs “sein”, welches offensichtlich komplexer ist als das Substantiv “Tisch” und das Adjektiv “hoch”. Das Verb drückt ein Urteil aus, indem einem Gegenstand eine bestimmte Eigenschaft zugesprochen wird. Dieser Akt entspringt offensichtlich unserer Logik, da der Tisch per se weder niedrig noch hoch ist. 
Werfen wir nun einen flüchtigen Blick auf die bisher im einfachen Beispielsatz ermittelten Begriffe, die wir analysiert haben, um den Aufbau des Satzes zu erläutern:

 
Begriff (der Tisch ist ein Begriff, ein Gattungsname);
Einheit-Vielzahl, Ganzes-Einzelteile (die Struktur des Begriffs);
Urteil (dass der Tisch für uns hoch ist);
Sein (die Verknüpfung einer Eigenschaft mit einem Gegenstand);
Qualität (Tisch ist anders als Stuhl) und Quantität (die Höhe, das Hoch sein).


Alle diese Elemente, die notwendig sind, um diesen einfachen Satz zu formulieren, sind offenkundig weder reale Gegenstände (Nomen), noch Handlungen (Verben) noch syntaktische Diskursstrukturen (Präpositionen, Konjunktionen), sondern “Kategorien” bzw. Gedankenstrukturen, mithilfe derer wir die Realität, unsere Gedanken und Ideen und alles, über was wir nachdenken, sprachlich bestimmen können. 
Die Kategorien sind das echte und eigentliche Herzstück des Denkens, das Netz, über das das Denken die Vielzahl auf logische Weise vereinen und ausdrücken kann. Sie bilden daher den echten und eigentlichen Inhalt des Denkens, seine Essenz, sein Wesen. Das Denken besteht aus Kategorien, welche dann - angewandt auf die innere und äußere Erfahrung - zur Kenntnis der Welt führen. Sie sind, sozusagen, die reine Form der Welt: Auf der Welt gibt es die Inhalte der Kategorien in einer empirischen Form (im Plural), während die Kategorien in sich besitzen eine reine, ideelle Form (im Singular). Wenn wir in uns diese singulare Form der Kategorien nicht hätten, würden wir nicht denken können. 

Aufgrund unseres bisher ausgeführten Verständnisses der Beziehung zwischen Denken und Absolutem scheint es naheliegend, dass die Kategorien, also die Grundstrukturen des Denkens, ebenfalls die Struktur des Absoluten darstellen. Die absolute Vernunft, das Logos, besteht demnach aus Kategorien. 
Die Logik ist daher die Wissenschaft der Kategorien, vor allem im subjektiven Sinne als Wissenschaft des menschlichen Denkens (so etwa bei Aristoteles und Kant); folgt man Hegel hingegen, der, wie wir gesehen haben, eine tiefere Auffassung der Logik als Kenntnis des Absoluten ausgearbeitet hat, so ist diese Wissenschaft auch Metaphysik und Theologie. 

Wir haben schließlich auf der einen Seite die sogenannte  bzw. subjektive Logik (Aristoteles, Kategorien als Organon, Werkzeug des Denkens) bzw. Kants transzendentale Logik (Kategorien als intersubjektive transzendentale Strukturen der Erkenntnis), auf der anderen Seite die substantielle bzw. metaphysische Logik Hegels (dialektische Logik).
Die formale und transzendentale Logik erkennen nicht die unauflösbare Verknüpfung des menschlichen Denkens, also der subjektiven Vernunft, mit der rationalen Struktur der Welt, also mit der objektiven Vernunft, und somit entsagt sie sich für immer der Möglichkeit, die tieferen Gründe einer Erkenntniserweiterung zu verstehen. 
Auf diese Weise öffnet sie eine unüberwindbare Kluft, auch auf ethischem Niveau, zwischen dem Menschen und der Welt, Vernunft und Materie. So schafft man einen Dualismus zwischen dem Menschen und der Natur, Vernunft und Welt, der eine Reihe ernster Probleme aufwirft, sowohl für die theoretische Philosophie als auch – oder vor allem – auf dem Gebiet der ethischen Philosophie. Im ersten Fall geht es um Phänomene wie den zeitgenössischen Relativismus bzw. den Mangel an Vertrauen in eine absolute und objektive Wahrheit, die unabhängig vom einzelnen Menschen ist; Im zweiten Fall haben wir das Phänomen der Ausbeutung des Menschen und der Natur seitens des Menschen mit den uns gut bekannten Auswirkungen. All dies hat als erste philosophische Ursache den Dualismus.
 
7.3 Über die mäeutische Methode der Logik-Metaphysik

Den Gegenstand der Logik verdeutlicht, kommen wir nun zu ihrer Methodik, d.h. wie wir die Kategorien am besten erkennen können. Hier gibt es zwei Möglichkeiten, die auch in diesem Falle auf radikale Weise die subjektive bzw. intersubjektive und die objektive Logik unterscheiden. Im ersten Fall werden die Kategorien über die Analyse der Sprache ermittelt, anhand einer Überlegung des Philosophen, der die Kategorien ermittelt, auflistet und ihre verschiedenen Bedeutungen erläutert; im zweiten Falle hingegen muss der Denker, der Philosoph, fast verschwinden, und die Kategorien müssen sich von selbst erkennen, nach einer eigenen Methode, bei welcher der Philosoph zwar physisch präsent ist, aber  minimal auf die Selbsterklärung der Kategorien einwirkt. 
Dieses Verfahren erinnert stark an die mäeutisch-sokratische Methode, der zufolge die Wahrheit per se im Subjekt existiert, und zwar unabhängig von diesem, und die Aufgabe des Philosophen nicht darin besteht, die Wahrheit zu erschaffen und sie dem Schüler zu diktieren, was eine willkürliche Aktion darstellen würde, sondern ihm zu helfen, die Wahrheit, die er in sich trägt, selber ans Licht zu bringen. So verhält es sich auch in der substantiellen Logik: Die Kategorien, die ja die Vernunft und somit das Absolute darstellen, sind selbst die Wahrheit, die sich in uns allen findet. Wir alle sind das Absolute in unserem Logos, in unserem Denken. Der Philosoph ist derjenige, der diesen Logos versteht, der sich dessen bewusstwird und deswegen seinesgleichen helfen kann, dieselbe Bewusstwerdung zu vollziehen, also die Selbstbewusstwerdung, die er zuerst vollzogen hat, weswegen er jedoch nicht mehr Logos besitzt als die Anderen. Er ist sich dessen lediglich bewusster. 
Der substanziellen Logik nach darf sich der Philosoph nicht das Recht anmaßen, die Kategorien auszuwählen und aufzulisten, weil er sich so das Recht zuspräche, als ein individuelles Ich das Absolute zu bestimmen; er darf der Logik lediglich seine Stimme verleihen, indem er als Akt voller Genügsamkeit und Bescheidenheit seine eigene subjektive Persönlichkeit vollständig ausblendet. Es ist also nicht der Denker, ob es Hegel oder wer auch immer ist, der den Kategorien seine eigene Logik aufzwingen muss. Die Kategorien benötigen keinen solchen Akt, weil sie die Logik bereits in sich tragen. Sie selbst sind nämlich die Logik, wie könnte also ein Mensch, auch wenn er ein Philosoph oder Wissenschaftler ist, die logische Ordnung der Erklärung der Kategorien festlegen? Der Philosoph muss jene innere Logik der Kategorien bescheiden anerkennen und sie dann zum Ausdruck bringen. Dabei muss er sich an sie halten und seine eigenen Beiträge auf das Nötigste beschränken. So wird er eine mäeutische Funktion hinsichtlich des Logos einnehmen, er wird diesem helfen, sich selbst zu erkennen und sich zum Ausdruck zu bringen. 
Die Grundidee der substanziellen Logik ist also, dass die Kategorien eine eigene Logik besitzen, die der Philosoph daher nur ermitteln soll, damit diese Logik sich selbst entwickelt, ohne äußere Einwirkungen. Der Knackpunkt, das eigentliche Hindernis ist dabei, den Anfang zu finden, die erste Kategorie, auf die, wenn sie erst einmal gefunden ist, die anderen automatisch folgen, weil sie sich aus der inneren Notwendigkeit der Logik ergeben. 
 
7.4 Das Problem des Anfangs der Logik-Metaphysik bzw. die erste Kategorie: das Sein (die absolute Vernunft ‚ist‘; Affirmation)

(Internetquelle für die Punkte 7.4 bis 7.10 hier)
Welche kann die erste Kategorie sein? Denken wir einen Moment gemeinsam darüber nach. Wir wissen nun, dass die Vernunft das Absolute ist und dass sie unsere Essenz darstellt, die wir auf objektive Weise erkennen können, weil die Möglichkeit der Wahrheitskenntnis einerseits eine logische Wahrheit und andererseits eine empirische Tatsache darstellt, so wie wir es zuvor in der Theorie des “Ich verstehe” verdeutlicht haben.
In der Logik sind Subjekt und Objekt eins. Das Subjekt, die individuelle Vernunft, möchte das Objekt, den Logos bzw. die universelle Vernunft, erforschen und erkennen, die jedoch im Grunde sie selbst ist. Das Denken erkennt sich selbst, das ist der erste logische Schritt, der Ausgangspunkt. Was weiß das Denken zunächst über sich selbst, was weiß die Vernunft über sich? Haben wir bereits eine Wahrheit, wissen wir bereits etwas in diesem ersten Moment? Wir wissen tatsächlich, dass sie ist: Die Existenz der Vernunft kann nicht bezweifelt werden (das kartesianische cogito ergo sum). Daher ist ihr “Sein” das Allererste, das erste Hauptmerkmal, die erste Bestimmung, die erste Definition, die wir ihr zusprechen können. Deswegen ist das Sein auch die erste Kategorie. 
Die erste Kategorie des Denkens, das erste Hauptmerkmal der Vernunft, ist folglich das Sein. Und diese Kategorie ist in der Tat, wie wir von Parmenides wissen, auch die Grundkategorie der Metaphysik: Alles ist, bevor wir es als etwas Spezifisches weiterbestimmen. Das ist die allgemeinste, am wenigsten spezifische und detaillierte Bestimmung, die dafür jedoch universeller ist. Man kann sie allem zuschreiben, jedem materiellen oder auch abstrakten Objekt, in dem Moment, in dem wir an es denken. 

(Hegel-Quelle: hier und hier)
 
7.5 Das Nichts als zweite Kategorie (die absolute Vernunft ist ‚Nichts‘; erste Negation)

Es ist jedoch klar, dass das Wissen über die Existenz der Absoluten Vernunft nicht bedeutet, diese auch zu kennen. Wir haben ihren Inhalt noch nicht bestimmt. Das, was wir in diesem ersten Schritt der logischen Erkenntnis darüber wissen, ist noch nichts. Und genau dieses ‚Nichts‘ stellt die zweite Kategorie der Vernunft dar, zu der wir wie man nachfolgen kann – durch unsere eigene ‚passive‘ Überlegung über die Kategorie des Seins gelangt sind. 
In der Tat haben wir der Kategorie des Seins nicht durch unsere subjektive Willkür die des Nichts hinzugefügt, sondern jene hat sich als die notwendigerweise auf die des Seins folgende aufgedrängt. Wir haben diese logische Reihenfolge nur erkannt, nicht erschaffen. Darin besteht die mäeutische Kennzeichnung der angewandten Methodik. 
“Sein” und “Nichts” sind daher die ersten zwei Bestimmungen des Logos, der absoluten Vernunft, also die ersten beiden Kategorien der Logik. Es ist nicht an uns, diese zu bestimmen, sie bestimmen sich selbst, die eine entwickelt sich aus der anderen. Das Nichts geht aus dem Sein hervor, aber man kann auch das Gegenteil behaupten bzw. dass der Ausgangspunkt der Logik die Vernunft ist, über die wir noch nichts wissen, außer dass sie ist. Aus dieser Perspektive gesehen, kommt also zuerst das Nichts und dann das Sein als dessen Negation vor. 
Wie man sieht, sind also die Kategorien, die wir in diesem ersten Schritt der Erkenntnis der Vernunft derselben zuschreiben, die einfacheren Kategorien. Sie gehören zum Anfang des Prozesses der Vernunft, die sich selbst kennt. Am Anfang kann sie nicht mehr von sich wissen, als dass sie ist, aber das heißt, dass sie noch nichts Inhaltliches von sich weiß: Sie weiß, dass sie ist, aber nicht was sie ist.

Hegel-Quelle: hier
 
7.6 Das Werden als dritte Kategorie (die absolute Vernunft ‚wird‘; zweite Negation oder Negation der Negation) 

Im aktuellen Erkenntnisstadium, zu dem wir nun gelangt sind, haben wir also das Sein und das Nichts; Der Gedanke weiß, dass er ist, aber er weiß noch nicht, was er ist. Dieses ‚noch‘ leitet einen weiteren logischen Schritt ein und mit diesem eine neue Kategorie: das Werden. Wir wissen nämlich jetzt, dass das Logos, die absolute Vernunft, wird. Sie erscheint. Wir sind dabei, sie zu erkennen, sie ist auf dem Weg zu werden, sie entsteht. Die Kategorien sind, sozusagen, dabei, sich zu entwickeln, zu zeigen. 
Daher ist das Werden die nächste Kategorie, die dieses erste Erkenntnisstadium abschließt, weil das Werden die Verbindung, die Einheit zwischen dem Sein und dem Nichts ausdrückt. Wenn etwas wird, bedeutet das, dass es vom Sein zum Nichts oder vom Nichts zum Sein übergeht (die Geburt und der Tod, der Anfang und das Ende usw.). Das Werden bildet daher die Beziehung zwischen den ersten beiden Kategorien, zwischen Sein und Nichts.

Hegel-Quelle: hier 
 
7.7 Allgemeine Prinzipien der absoluten Vernunft:  der Begriff von ‚Moment‘

Das Sein und das Nichts als solche sind Momente (dies ist ein sehr wichtiges Prinzip der substantiellen Logik) des Werdens, welches jetzt die aktuelle   Kategorie und Bestimmung der absoluten Vernunft ist. Sein und Nichts sind einseitige, partielle Momente. Alles, was wahrhaftig existiert auf dieser Stufe der logischen Entwicklung, ist das Werden der Vernunft, die sich selbst kennt. Das ist die Wahrheit, die wir jetzt haben, die Vernunft ist dabei, sich selbst zu erkennen, sie wird, sie besteht in dieser Selbstwerdung.
Betrachten wir das Ganze von einem metaphysischen Standpunkt aus, nachdem wir bemerkt haben, dass es sich dabei um eine substantielle und objektive, also um keine bloß formale und subjektive Logik handelt, so können wir die bisher erreichte Wahrheit mit dem folgenden Satz ausdrücken: Das Absolute wird, ist im Werden. Dieser Gedanke führt uns vor allem zum anderen großen griechischen Denker zurück, der zusammen mit Parmenides die Metaphysik begründet hat: Heraklit, dessen Philosophie das Werden als Hauptprinzip hat.
Dazu kommt, dass es sich außerdem um einen Gedanken handelt, der auf außerordentliche Weise mit der kontemporären wissenschaftlichen Weltauffassung konform geht. Dieser zufolge ist in der Tat alles Evolution, Werden, Zeit. Im Folgenden werden wir sehen, dass die logisch-substanzielle Auffassung, obwohl sie deutlich flexibler und komplexer ist, unbestreitbar die Vision der Realität als Prozess des Werdens in sich trägt, die in völligem Einklang mit dem heutigen wissenschaftlichen Weltverständnis ist.
Ist dieser erste logische Gedankengang vollzogen, der uns dahin geführt hat, im Werden die erste synthetische Kategorie zu erkennen, da sie in sich die entgegengesetzten Momente des Seins und des Nichts enthält, können wir noch einmal über die Methode nachdenken und so die weiteren allgemeinen Prinzipien der absoluten Vernunft ermitteln.

Hegel-Quelle: hier 

 

7.8 Allgemeine Prinzipien der absoluten Vernunft: die Aufhebung
Ein weiteres Grundprinzip stellt das Prinzip der Aufhebung dar. Das Werden übersteigt sowohl das Nichts als auch das Sein, aber es bewahrt sie in sich als sein Begriff, weil es letztlich nur den Übergang vom Sein zum Nichts und vom Nichts zum Sein ist. Deshalb gilt das, was in der Entwicklung überwunden wird, geht nicht komplett verloren, sondern bleibt auf eine ideale Weise, zwar nicht mehr real, aber es bleibt. Die Entwicklung ist also Wachstum, Fortschritt, der selbstverständlich keinerlei Bewertung impliziert, kein Urteil.

Hegel-Quelle: hier 


7.9 Allgemeine Prinzipien der absoluten Vernunft: die vollkommene Immanenz der Entwicklung 
Zunächst muss man klarstellen, dass es sich dabei nicht direkt um eine extern angewendete Methode handelt, die von der Sache selbst trennbar wäre, sondern dass es die Bewegung, die Entwicklung, welche den Kategorien inhärent ist, selbst ist, die diese Methode bildet. Wir stellen zwar unsere Überlegungen zur Methode von außen an, wir gewinnen die allgemeinen Prinzipien aus ihr, aber es muss unmissverständlich klar sein, dass wir den Kategorien keine Methode aufzwingen, sondern dass diese sich nach einem inneren Ablauf die eine von der anderen herausbilden, der nicht von außen beeinflusst wird.
Demnach haben wir bereits das Prinzip der vollkommenen Immanenz der Entwicklung, also der Selbstentwicklung der Sache selbst. Dies wiederum ist ebenfalls ein Grundaspekt der Welt: Die Welt entwickelt sich auf immanente Weise weiter, ohne von außen beeinflusst zu werden, auch die ihre ist eine Selbstentwicklung. 
 
 
7.10 Allgemeine Prinzipien der absoluten Vernunft: Affirmation, erste Negation und zweite Negation bzw. Negation der Negation
Innerhalb des Entwicklungsprozesses, der von der Aufhebung gekennzeichnet ist, muss man auf drei Grundmomente hinweisen: die Affirmation, die erste Negation und die Negation der Negation, die auch zweite Negation bezeichnet werden kann. 
Die Affirmation ist der erste Moment, der Beginn (im Falle des Beginns der Logik z.B. das Sein). Sie ist die Position, das, was unmittelbar ist, der Ausgangsbegriff.
Die erste Negation hingegen besteht im Gegenteil jener Affirmation bzw. dessen Negation (im Falle der ersten drei Kategorie ist das Nichts). Dieser Moment ist absolut essentiell, er ist der eigentliche Motor der Entwicklung. Wenn es ihn nicht gäbe, gäbe es keine Entwicklung. Die Negativität ist eine Grundeigenschaft des Seins, auch von uns selbst. Wir negieren unaufhörlich das, was ist, so gehen wir weiter, so schreiten wir in unserem Leben fort. Manchmal sind wir müde und wir wünschen uns, zu entspannen, anzuhalten, positiv zu sein, angekommen und unbeweglich, affirmativ. Aber nach einer Weile langweilt uns dies, und die Hektik, wenn wir sie so nennen möchten, der Negativität beginnt von vorn. Wir verlassen die Position des Stillstands und beginnen eine neue Aktivität, neue Projekte. Man könnte sagen, dass je geistiger eine Person ist, desto negativer ist sie hinsichtlich der Stabilität, also dessen, was ihr gegenübersteht. Sie will darüber hinausgehen, es ändern. Der Moment der Negation ist der wahre dialektische Moment bzw. der des Widerspruchs dessen, was ist. Deshalb stellt er den Moment der Suche nach seiner Überwindung dar.
Der dritte Moment ist schließlich der der zweiten Negation oder der Negation der Negation, bzw. das Erreichen einer neuen Position, einer neuen Affirmation, die der Ausgangsposition übergeordnet ist, weil sie in sich alles das trägt, was ihr der negative Moment eingebracht hat. Diese Position ist also synthetisch. Sie birgt in sich den gesamten Prozess der Negation, aber hat jetzt eine neue Stabilität erreicht.
 
7.11 Allgemeine Prinzipien der absoluten Vernunft: Die Unterscheidung zwischen falscher und wahrer Unendlichkeit

(Internetquelle für die §§ 7.11 und 7.12 hier)

Diese neue Affirmation wird wiederum eine eigene Negation erfahren und so wird der Prozess fortgeführt werden, aber nicht unendlich. In der Sequenz der Kategorien werden nämlich auch die Kategorien des Endlichen und Unendlichen erläutert. Das Endliche wird dabei vom affirmativen und negativen Teilmoment der Entwicklung repräsentiert (im Falle der ersten Triade sind es das Sein und das Nichts). Das Unendliche ist hingegen der dritte Moment, der synthetische (in unserem Falle das Werden). Daher muss man das Unendliche so verstehen, dass es das Vollendete ist. Es ist das Resultat der Entwicklung, das die Momente enthält, aus denen es resultiert, sowohl als überwundene als auch als bewahrte Momente.
Von diesem Begriff des Unendlichen, welches die wahre Unendlichkeit darstellt, muss man die falsche Unendlichkeit unterscheiden. Die falsche Unendlichkeit ist das, was wir allgemeinsprachlich als Unendlichkeit verstehen, d.h. die unendliche Weiterentwicklung, die keine Ende hat. Jene ist aber nur reine Wiederholung, ohne jemals zu einem vollendeten Resultat zu gelangen, das der Entwicklung einen Sinn gibt.
Diese Unterscheidung ist in der substantiellen Logik grundlegend, weil sie weitreichende Folgen für den Menschen hat, beispielsweise in der Ethik. Geht man von der falschen Unendlichkeit aus, so kann man sagen, dass unser Leben ein positiver und negativer Prozess ist, mit dem wir am Ende nichts erreichen: Viel Mühe kostet uns das Leben, am Ende für nichts. Wir bauen auf, kämpfen, freuen uns und leiden, aber alles ist nur eine Reihenfolge von Momenten, die kein bleibendes Ergebnis mit sich bringen. Vom Standpunkt der wahren Unendlichkeit aus ist das nicht aber so. Diesem zufolge ist es nämlich nicht die Häufigkeit der Wiederholung, die zählt, sondern die Qualität ihres Resultates. Wir studieren, lernen und bestehen Prüfungen in einem kontinuierlichen Prozess, der scheinbar zu nichts führt und repetitiv ist. Aber in diesem Prozess verändern wir uns selbst, lernen einen Beruf, formen unseren Geist und werden zum Resultat dieses Lernprozesses. Daher scheint es, dass wir eine unnütze Sequenz von positiven und negativen Momenten durchlaufen haben, eine Dialektik, aber das, was zählt, ist das Endergebnis, nicht die Note der Abschlussarbeit, sondern unsere Vorbereitung, wir selbst als Resultat des dialektischen Lernprozesses. Wir selbst sind die wahre Unendlichkeit als Folge von endlichen Momenten (Unterrichtsstunden, Prüfungen, Seminaren) usw. Der mit Schweiß verdiente Universitätsabschluss und die Opfer, die wir für die Prüfungen gebracht haben, besiegeln den dialektischen Prozess und geben den endlichen Momenten seiner Entwicklung einen Sinn. Sie sind das Zeugnis dessen, dass wir etwas gelernt haben, dass wir jemand anderes sind die Person, die sich an der Universität eingeschrieben hat. Wir haben uns qualifiziert, Fähigkeiten erarbeitet, die uns dazu befähigen, einen Beruf innerhalb der Gemeinschaft, in der wir leben, auszuführen. Ein gekaufter Abschluss, ohne Lernprozess, hat keinerlei Wert, und das nicht für die Gesellschaft, für die sie ihn sogar haben könnte, sondern für uns und die Logik, weil der gesamte dialektische Lernprozess und der gesamte Veränderungsprozess des Ichs.
Auch eine Liebesbeziehung ist so: Die gesamte Reihe von Treffen, Gesprächen, Küssen, Zärtlichkeiten und vielleicht auch Streitereien usw. ist so ein Prozess, der als solcher zu einem Ergebnis, zu einer Unendlichkeit in Form des Liebespaares bzw. der Familie führen soll, um Sinn zu haben und wertvoll zu werden. Die Familie enthält in sich den Prozess, d.h. die beiden Einzelpersonen, das Positive und das Negative, aber als eine Einheit, das Paar, in dem jeder sich im Anderen wiedererkennt. In jenem Resultat existiert das Ich nur als Moment des Paares, es ist aufgehoben, ist somit überschritten aber auch auf einem übergeordneten Niveau bewahrt.  Jeder ist dank des Anderen nicht mehr alleine und erhält seinen Sinn in der Gesamtheit des Paares, und jetzt kann es Ehemann, Ehefrau, Mutter, Vater werden. Das solide Liebespaar ist wahrhaft unendlich, als Resultat des dialektischen Liebesprozesses. Das Paar generiert wiederum einen weiteren Prozess, nämlich den der natürlichen Zeugung sowie der geistigen Erziehung ihrer Kinder, in dem das wahrhaft Unendliche im Ergebnis bzw. im gut erzogenen Kind besteht, welches seinerseits die Fähigkeit besitzt, in einer weiteren Liebesbeziehung weitere gut erzogene Menschen  hervorzubringen usw.  
Schlussendlich liefert uns die substantielle Logik einen Schlüssel zur Interpretation der Realität, weil sie voraussetzt, dass die logischen Kategorien nach der parmenideischen Auffassung von Identität zwischen Gedanken und Sein nicht nur dem Gedanken, sondern dem gesamten Sein eigen sind. Diese Auffassung ist das Fundament der gesamten Geschichte der Metaphysik und wir haben gesehen, dass sie von einem Erkenntnis und wahrheitstheoretischen Standpunkt aus dank der Theorie des “Ich verstehe” stets Gültigkeit besitzt. 
 
Hegel-Quelle: hier 

 

7.12 Das Resultat (das wahrhaft Unendliche) als inneres Endziel der Entwicklung

Diesen Grundprinzipien muss man ein weiteres hinzufügen, das des Resultats als des immanenten Endziels der Entwicklung. Das Resultat ist nämlich nicht zufällig bzw. aus der Beziehung zwischen Affirmation und Negation geht nicht zufällig irgendeine Negation der Negation als Resultat hervor, sondern es (das Resultat) bzw. sie (die Negation der Negation) ist bereits von Beginn an als Potenz vorhanden. Unser Verständnis des Seins als Affirmation sowie des Nichts als dessen Negation enthält in sich schon das Werden, welches dann am Ende als Resultat expliziert wird. Das bedeutet, dass der Bestimmung der absoluten Vernunft als Sein und Nichts lag schon die Kategorie des Werdens zugrunde, da die absolute Vernunft als solche bei Ihnen im Werden war.
Die Negation der Negation ist daher das Explizieren dessen, was im Übergangsprozess von der Affirmation zur ersten Negation bereits implizit enthalten ist. Daher arbeitet das wahrhaft Unendliche als Grund bereits in seinen endlichen Momenten und gibt ihnen einen Sinn, ein Endziel.
Kehren wir zurück zu unseren vorherigen Beispielen, so führen die Prüfungen nicht zufällig zum Abschluss, sondern der Abschluss wird Stück für Stück mit jeder Prüfung vorangebracht. Er ist bereits präsent in jedem einzelnen Moment des Weges, der zum Endresultat führt.
Im Fall des Liebespaares geschieht dasselbe: Der Mann und die Frau, die mit der Zeit verstehen, dass sie sich lieben und zusammenleben wollen, leben dies nicht nur an einem entscheidenden Tag, wie etwa dem ihrer Hochzeit, sondern in jedem einzelnen Moment ihres gemeinsamen Weges, der zu diesem Resultat führt. Die wahre Unendlichkeit erscheint als solche erst am Ende des Prozesses, aber sie ist im gesamten Prozess präsent, wenn auch still und versteckt.

 

7.13 Allgemeine Prinzipien der absoluten Vernunft: der Kreis als geometrische Figur, die den dialektischen Prozess abbildet

(Internetquelle hier)

 

Ein weiteres Grundprinzip der substantiellen Logik ist das des Kreises. Dieses resultiert direkt aus dem, was wir gerade gesagt haben. Die passende geometrische Figur, die jene Logik visuell abbildet, ist nämlich keine Gerade oder Halbgerade, sondern der Kreis. 
Der Prozess zielt auf ein Resultat ab, das als solches in Idealform bereits vorher existierte. In diesem Sinne ist die Verwirklichung des Resultats, das wahrhaft Unendliche also, die Verwirklichung des Ideals, eines Projektes, das von Beginn an in Idealform implizite existiert. Im Falle der ersten Triade Sein, Nichts, Werden ist das Resultat das Werden, aber unsere anfängliche Idee war es bereits, die Kenntnis der absoluten Vernunft zu erlangen, daher wirkt sein Werden bereits von Anfang an als Grund der Entwicklung. Der Prozess ist also nicht zufällig, sondern strebt danach, etwas Ideales zu verwirklichen, das der Entwicklung vorausgesetzt ist. Diese Entwicklung führt dann zurück zu jenem Ausgangspunkt des Kreises, mit dem Unterschied, dass am Anfang lediglich das nicht realisierte Ideal war, der Begriff des Baumes im Samen, der Familie im Liebespaar, während das Endresultat im verwirklichten Ideal besteht, d.h. im entstandenen Baum, in der entstandenen Familie usw. 
 

 

Hegel-Quelle: hier

 

7.14 Die Logik des Lebens: Begriff der fortschreitenden Bestimmung des Inhalts als Entfaltung, Manifestation und Rückkehr zum Anfang

(Im Internet hier)


Ein Inhalt erscheint zunächst in einer unbestimmten, allgemeinen Form, in der nur sein Grundprinzip, das noch nicht entwickelt ist, dargelegt ist. Das Sein besteht in der Entfaltung dieses unbestimmten, verallgemeinerten Inhalts und in seiner fortschreitenden Bestimmung, die zugleich seine Verwirklichung oder Manifestation ist. Deswegen ist ‚Sein‘ eigentlich ‚Werden‘ (s. die ersten drei Kategorien der "Wissenschaft der Logik")
Nehmen wir das Beispiel einer Blume: Im Samen ist bereits der Begriff bzw. das Allgemeine der Blume enthalten, die blühen wird, z.B. eine Rose. Am Anfang ist im Samen bereits die Rose enthalten, aber in unbestimmter, verallgemeinerter oder universeller Weise. Wir wissen noch nicht, wie sie sein wird, denn die konkrete, besondere Rose ist noch nicht da, es gibt nur den abstrakten Begriff der Rose, eben das Universelle der Rose. Die spätere Entwicklung des Samenkorns wird, wenn die verschiedenen Bedingungen günstig sind, zur Manifestation dieses Inhalts, zu seiner Verwirklichung führen, d.h. zur konkreten, besonderen Rose, die sich natürlich von allen anderen Rosen unterscheiden wird. 
Das Sein ist, kurz gesagt, die Entfaltung eines Inhalts, der zunächst nur abstrakt und universell existiert und dann allmählich partikular und konkret wird. Dies ist die Hauptstruktur des Werdens und sie ist allem eigen, auch uns selbst. Auch wir sind die Entfaltung eines universellen Inhalts, der unser ursprüngliches Selbst war, der sich im Laufe unseres Lebens realisiert und partikularisiert, also konkret wird. Wenn wir in der Lage sind, zu dem zurückzugehen, was wir als Kinder waren, denn leider können wir uns nicht daran erinnern, was wir vor einem bestimmten Alter waren, werden wir in dem Kind, das wir waren, das Universelle des Besonderen finden, das wir geworden sind oder, besser noch, werden, denn der Prozess der Verwirklichung des Universellen dauert an, solange es Leben gibt. 
Wir werden, was wir schon immer waren, da wir die Entwicklung eines Allgemeinen sind, das am Anfang unentwickelt (unentfaltet) war.
Unter der Perspektive der Dialektik ist die Welt ihrem Wesen nach beseelt, alles entfaltet sich, alles wird, wie zu griechischer Zeit schon Heraklit, der Vater der Dialektik, verstanden hatte. Berühmt ist sein Satz, dass „alles fließt“ (panta rhei) und wir niemals im gleichen Fluss baden können, da das Wasser ständig anders ist.

Aus der Sicht der Dialektik ist die Welt im Wesentlichen beseelt, alles entfaltet sich, alles wird, wie Heraklit, der Vater der Dialektik, schon in griechischer Zeit verstanden hatte. Sein Satz, dass „alles fließt“ (panta rei) und wir nie in demselben Fluss baden können, weil das Wasser immer anders ist, ist sehr bekannt. 
Alles entwickelt sich, alles ‚wird‘ in dem tiefsten Sinne des Wortes, da es ein Universelles ist, das sich im Laufe der Zeit individualisiert (partikularisiert). So drückt sich Hegel darüber aus:


Wissenschaft der Logik, Erstes Buch, 1831


„Die Einsicht, daß das Absolut-Wahre ein Resultat sein müsse, und umgekehrt, daß ein Resultat ein erstes Wahres voraussetzt, das aber, weil es Erstes ist, objektiv betrachtet nicht notwendig und nach der subjektiven Seite nicht erkannt ist, – hat in neueren Zeiten den Gedanken hervorgebracht, daß die Philosophie nur mit einem hypothetischen und problematischen Wahren anfangen und das Philosophieren daher zuerst nur ein Suchen sein könne, eine Ansicht, welche Reinhold in den späteren Zeiten seines Philosophierens vielfach urgiert hat und der man die Gerechtigkeit widerfahren lassen muß, daß ihr ein wahrhaftes Interesse zugrunde liegt, welches die spekulative Natur des philosophischen Anfangs betrifft. Die Auseinandersetzung dieser Ansicht ist zugleich eine Veranlassung, ein vorläufiges Verständnis über den Sinn des logischen Fortschreitens überhaupt einzuleiten; denn jene Ansicht schließt die Rücksicht auf das Fortgehen sogleich in sich. Und zwar stellt sie es so vor, daß das Vorwärtsschreiten in der Philosophie vielmehr ein Rückwärtsgehen und Begründen sei, durch welches erst sich ergebe, daß das, womit angefangen wurde, nicht bloß ein willkürlich Angenommenes, sondern in der Tat teils das Wahre, teils das erste Wahre sei.
Man muß zugeben, daß es eine wesentliche Betrachtung ist – die sich innerhalb der Logik selbst näher ergeben wird –, daß das Vorwärtsgehen ein Rückgang in den Grund, zu dem Ursprünglichen und Wahrhaften ist, von dem das, womit der Anfang ge macht wurde, abhängt und in der Tat hervorgebracht wird. – So wird das Bewußtsein auf seinem Wege von der Unmittelbarkeit aus, mit der es anfängt, zum absoluten Wissen als seiner innersten Wahrheit zurückgeführt. Dies Letzte, der Grund, ist denn auch dasjenige, aus welchem das Erste hervorgeht, das zuerst als Unmittelbares auftrat. – So wird noch mehr der absolute Geist, der als die konkrete und letzte höchste Wahrheit alles Seins sich ergibt, erkannt, als am Ende der Entwicklung sich mit Freiheit entäußernd und sich zur Gestalt eines unmittelbaren Seins entlassend, – zur Schöpfung einer Welt sich entschließend, welche alles das enthält, was in die Entwicklung, die jenem Resultate vorangegangen, fiel und das durch diese umgekehrte Stellung mit seinem Anfang in ein von dem Resultate als dem Prinzip Abhängiges verwandelt wird. Das Wesentliche für die Wissenschaft ist nicht so sehr, daß ein rein Unmittelbares der Anfang sei, sondern daß das Ganze derselben ein Kreislauf in sich selbst ist, worin das Erste auch das Letzte und das Letzte auch das Erste wird.
Daher ergibt sich auf der andern Seite als ebenso notwendig, dasjenige, in welches die Bewegung als in seinen Grund zurückgeht, als Resultat zu betrachten. Nach dieser Rücksicht ist das Erste ebensosehr der Grund und das Letzte ein Abgeleitetes; indem von dem Ersten ausgegangen und durch richtige Folgerungen auf das Letzte als auf den Grund gekommen wird, ist dieser Resultat. Der Fortgang ferner von dem, was den Anfang macht, ist nur als eine weitere Bestimmung desselben zu betrachten, so daß das Anfangende allem Folgenden zugrunde liegen bleibt und nicht daraus verschwindet. Das Fortgehen besteht nicht darin, daß nur ein Anderes abgeleitet oder daß in ein wahrhaft Anderes übergegangen würde; – und insofern dies Übergehen vorkommt, so hebt es sich ebensosehr wieder auf. So ist der Anfang der Philosophie die in allen folgenden Entwicklungen gegenwärtige und sich erhaltende Grundlage, das seinen weiteren Bestimmungen durchaus immanent Bleibende.
Durch diesen Fortgang denn verliert der Anfang das, was er in dieser Bestimmtheit, ein Unmittelbares und Abstraktes überhaupt zu sein, Einseitiges hat; er wird ein Vermitteltes, und die Linie der wissenschaftlichen Fortbewegung macht sich damit zu einem Kreise. – Zugleich ergibt sich, daß das, was den Anfang macht, indem es darin das noch Unentwickelte, Inhaltslose ist, im Anfange noch nicht wahrhaft erkannt wird und daß erst die Wissenschaft, und zwar in ihrer ganzen Entwicklung, seine vollendete, inhaltsvolle und erst wahrhaft begründete Erkenntnis ist.
Darum aber, weil das Resultat erst als der absolute Grund hervortritt, ist das Fortschreiten dieses Erkennens nicht etwas Provisorisches noch ein problematisches und hypothetisches, sondern es muß durch die Natur der Sache und des Inhaltes selbst bestimmt sein. Weder ist jener Anfang etwas Willkürliches und nur einstweilen Angenommenes noch ein als willkürlich Erscheinendes und bittweise Vorausgesetztes, von dem sich aber doch in der Folge zeige, daß man recht daran getan habe, es zum Anfange zu machen; nicht wie bei den Konstruktionen, die man zum Behuf des Beweises eines geometrischen Satzes zu machen angewiesen wird, es der Fall ist, daß von ihnen es sich erst hinterher an den Beweisen ergibt, daß man wohlgetan habe, gerade diese Linien zu[71] ziehen und dann in den Beweisen selbst mit der Vergleichung dieser Linien oder Winkel anzufangen; für sich an diesem Linienziehen oder Vergleichen begreift es sich nicht.
So ist vorhin der Grund, warum in der reinen Wissenschaft vom reinen Sein angefangen wird, unmittelbar an ihr selbst angegeben worden. Dies reine Sein ist die Einheit, in die das reine Wissen zurückgeht, oder wenn dieses selbst noch als Form von seiner Einheit unterschieden gehalten werden soll, so ist es auch der Inhalt desselben. Dies ist die Seite, nach welcher dies reine Sein, dies Absolut-Unmittelbare, ebenso absolut Vermitteltes ist. Aber es muß ebenso wesentlich nur in der Einseitigkeit, das Rein-Unmittelbare zu sein, genommen werden, eben weil es hier als der Anfang ist. Insofern es nicht diese reine Unbestimmtheit, insofern es bestimmt wäre, würde es als Vermitteltes, schon Weitergeführtes genommen; ein Bestimmtes enthält ein Anderes zu einem Ersten. Es liegt also in der Natur des Anfangs selbst, daß er das Sein sei und sonst nichts. Es bedarf daher keiner sonstigen Vorbereitungen, um in die Philosophie hineinzukommen, noch anderweitiger Reflexionen und Anknüpfungspunkte.“

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